Ärztin
Für ihren Deal mit einem Sanitäts­haus muss eine Ärztin jetzt hinter Gitter. Bild: © Seoterra | Dreamstime.com

Weil sie bei der Versor­gung ihrer Patien­ten mit Kompres­si­ons­strümp­fen mit einem Sanitäts­haus „unter einer Decke steckte“ und wirtschaft­li­chen Nutzen aus dieser Koope­ra­tion zog, ist eine Ärztin zu zweiein­halb Jahren Freiheits­strafe verur­teilt worden. Der BGH bestä­tigte in seiner Revisi­ons­ent­schei­dung (Az.: 3 StR 163/23) im Wesent­li­chen das Urteil des Landge­richts Koblenz von Anfang 2023 (Az.: 4 KLs 3330 Js 38880/17). Die Karls­ru­her Richter kürzten ledig­lich den Einzie­hungs­be­trag des von der Ärztin unrecht­mä­ßig erhal­te­nen, an die betrof­fene Kranken­kasse zu erset­zen­den Geldes etwas zusam­men.

Zehn Prozent Provi­sion für die Ärztin

Die Ärztin aus Koblenz, Inhabe­rin einer chirur­gisch-phlebo­lo­gi­schen Einzel­pra­xis, hatte 2015 eine Koope­ra­tion mit dem Inhaber-Ehepaar eines Sanitäts­hau­ses aus Mainz geschlos­sen: Eine Sanitäts­haus-Mitar­bei­te­rin beriet und vermaß die Patien­ten, die flach­ge­strickte Kompres­si­ons­strümpfe benötig­ten, direkt in den Praxis­räu­men der Ärztin. Was aus Patien­ten­sicht wie ein „prakti­scher Service“ erschien, band sie jedoch – was ihnen sicher­lich so nicht bewusst war – als Kunden quasi fest an das koope­rie­rende Sanitäts­haus.

Zwei Sprech­stun­den­hil­fen der Ärztin koordi­nier­ten die Termine für die Sanitäts­haus-Beschäf­tigte. Im Gegen­zug erhielt die Ärztin zehn Prozent des jährli­chen Umsat­zes des Sanitäts­hau­ses, der auf jene Koope­ra­tion zurück­ging, als „Provi­sion“. Zudem übernahm das Sanitäts­haus, über Schein-Anstel­lun­gen, die Gehalts­zah­lun­gen an die (de facto für das Sanitäts­haus arbei­ten­den) zwei Praxis-Mitar­bei­te­rin­nen, die die Termine koordi­nier­ten. Insge­samt knapp 88.000 Euro wurden in diesem Zeitraum über die Kranken­kasse, die AOK Rhein­land-Pfalz/­Saar­land, an Verband­ma­te­rial abgerech­net.

Dieses „Geschäfts­mo­dell“ lief zunächst andert­halb Jahre vor sich hin, bis im Juni 2016 das Gesetz zur Bekämp­fung von Korrup­tion im Gesund­heits­we­sen in Kraft trat. Mit dieser Neure­ge­lung wurde im Straf­ge­setz­buch erstmals ausdrück­lich Bestechung und Bestech­lich­keit im Gesund­heits­we­sen unter Strafe gestellt. Dies war wegen einer Geset­zes­lü­cke bis dahin nicht möglich. Darauf­hin beschlos­sen beide Parteien, ihre Zusam­men­ar­beit ein wenig zu verän­dern.

Fortan fanden die „Sprech­stun­den“ des Sanitäts­hau­ses nicht mehr in der Arztpra­xis selbst statt, sondern in einer eigens hierzu eröff­ne­ten Filiale des Unter­neh­mens, nur wenige Meter von den Arzträu­men entfernt. Die 10 Prozent Umsatz­be­tei­li­gung erhielt die Ärztin nun in bar überreicht. Zwischen Mitte 2016 und Ende 2018 überwies die AOK Rhein­land-Pfalz/­Saar­land rund 128.000 Euro für Verbands­ma­te­ria­lien ans Sanitäts­haus.

Kranken­kasse erstat­tete Anzeige

Die AOK hatte den Fall Ende 2018 ins Rollen gebracht, indem sie die Ärztin und das Sanitäts­haus anzeigte. Die Medizi­ne­rin bestritt die Verein­ba­rung, laut einem bericht des SWR konnten der Medizi­ne­rin aber die Taten anhand von Kalen­der­ein­trä­gen, Whats-App-Nachrich­ten und Konto­be­we­gun­gen (zur Überzeu­gung des Gerichts) nachge­wie­sen werden.

Das Landge­richt Koblenz sah einen Betrug in 145 Abrech­nungs-Fällen als gegeben an – 43 davon nach der „alten“ Verab­re­dung, 102 nach der ab Mitte 2016 geänder­ten Vorge­hens­weise. Die Ärztin habe das Sanitäts­haus in unlau­te­rer Weise bevor­zugt. Bei ihrem Urteil sahen die Richter eine der schwe­re­ren Betrugs­va­ri­an­ten, einen sogenann­ten „banden­mä­ßi­gen“ Betrug nach § 263 Absatz 5 StGB, gegeben, da dieser gemein­schaft­lich, gewerbs­mä­ßig und fortge­setzt began­gen worden sei.

Außer der Ärztin, die ihre Betei­li­gung abgestrit­ten hatte, lief auch gegen einen Arzt aus Mainz ein Verfah­ren, der auf identi­sche Weise mit dem Sanitäts­haus „zusam­men­ge­ar­bei­tet“ hatte. Dieser war jedoch gestän­dig, was von den Gerich­ten regel­mä­ßig mit einer gerin­ge­ren Strafe „belohnt“ wird. Er kam mit einer Freiheits­strafe auf Bewäh­rung davon (dies kommt nur bis zu einer Freiheits­strafe von maximal zwei Jahren in Betracht).

In seiner Revisi­ons­ent­schei­dung beließ der BGH die vom Landge­richt ausge­spro­chene Freiheits­strafe und setzte ledig­lich den von der Ärztin von Staats wegen einzu­zie­hen­den Geldbe­trag etwas herab. Ein Teil der Zahlun­gen (die, so die Kasse, aufgrund der rechts­wid­ri­gen Verein­ba­rung zwischen Ärztin und Sanitäts­haus unberech­tigt erfolgt seien und auf die deshalb gar kein recht­li­cher Anspruch bestan­den habe) sei dem Sanitäts­haus zuzuord­nen, nicht der Ärztin. Gegen das Betrei­ber-Paar des Sanitäts­hau­ses läuft paral­lel ein geson­der­tes Straf­ver­fah­ren.

Quelle: BGH vom 21. März 2024 – 3 StR 163/23