Der Beweis krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit wird in der Regel durch die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Sinne des § 5 Absatz 1 EntgFG geführt. Dieser hohe Beweiswert gilt seit dem 1. Januar 2023 auch für die elektronische Meldung nach § 109 SGB IV.
Beweisrechtliche Gründe
Bestehen ernsthafte Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers kann der analogen oder digitalen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausnahmsweise der Beweiswert entzogen werden und die unlautere Krankschreibung einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne von § 626 Absatz 1 BGB darstellen.
Sollte der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer kündigen wollen, weil dieser angeblich nicht arbeitsunfähig erkrankt gewesen ist, hat er die primäre Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitgeber muss also beweisen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich nicht krank war.
Wenn vom (klagenden) Arbeitgeber eine solche negative Tatsache vorgetragen wird, trägt der (beklagte) Arbeitnehmer nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast die sogenannte sekundäre Darlegungslast. Aufgrund des normativ vorgegebenen hohen Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genügt ein „bloßes Bestreiten“ der Arbeitsunfähigkeit durch den Arbeitgeber also nicht.
Zweifel an der Erkrankung
Der Arbeitgeber kann den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlegt und im Bestreitensfall beweisen kann, die Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers geben.
Dies hat zur Folge, dass die ärztliche Bescheinigung ihren Beweiswert verliert. Es ist dann wieder die Aufgabe des Arbeitnehmers die Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit substantiiert zu zerstreuen. Ihm obliegt es nun zur Überzeugung des Gerichts darzulegen, welche konkreten Krankheiten beziehungsweise Krankheitssymptome zum Zeitpunkt der Ankündigung der Krankschreibung vorgelegt haben und weshalb der Arbeitnehmer darauf schließen durfte, auch noch am Tag der begehrten Freistellung arbeitsunfähig zu sein.
Im Zweifel erfordert dies die zeugenschaftliche Befragung des Arztes, der die Arbeitsunfähigkeit bescheinigt hat. Tatsächliche Gründe, die zum Anzweifeln der AU-Bescheinigung führen können, sind beispielsweise die Krankschreibung für die Zeiten eines abgelehnten Urlaubsantrages oder die erwiesene Teilnahme an Freizeitveranstaltungen trotz Krankschreibung. Eine vorhergehende Abmahnung ist in der Fallkonstellation der außerordentlichen Kündigung regelmäßig nicht erforderlich.
Zeitpunkt der Abgabe der AU
Gemäß § 5 Absatz 1 EntgFG ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) mitzuteilen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss dem Arbeitgeber spätestens am vierten Tag der Krankheit vorgelegt werden.
Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 5 Absatz 1 Satz 2 EntgFG. Sollte der Arbeitgeber jedoch berechtigte Zweifel an dem Krankheitszustand seines Arbeitnehmers haben, wird ihm nach Satz 3 der Vorschrift auch zugestanden, die Vorlage der AU-Bescheinigung früher zu verlangen, also bereits am ersten Tag der Erkrankung. Kann keine AU-Bescheinigung vorgewiesen werden, darf der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigern. Dies kann er ebenfalls tun, wenn er die Richtigkeit der AU-Bescheinigung anzweifelt.
Fazit
Die ordnungsgemäße Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ist essenziell für die Glaubwürdigkeit im Arbeitsverhältnis. Bestehen berechtigte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit, kann der Arbeitgeber die Beweiskraft der Bescheinigung in Frage stellen und im Extremfall eine außerordentliche Kündigung aussprechen. Eine vorhergehende, sorgfältige Prüfung und Nachweisführung sind allerdings unerlässlich, um ungerechtfertigte Kündigungen zu vermeiden.