Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Was passiert, wenn der Arbeit­ge­ber Zweifel an der Krank­mel­dung hat? Bild: © Bj�rn Wylezich | Dreamstime.com

Der Beweis krank­heits­be­ding­ter Arbeits­un­fä­hig­keit wird in der Regel durch die Vorlage einer Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­ni­gung im Sinne des § 5 Absatz 1 EntgFG geführt. Dieser hohe Beweis­wert gilt seit dem 1. Januar 2023 auch für die elektro­ni­sche Meldung nach § 109 SGB IV.

Beweis­recht­li­che Gründe

Bestehen ernst­hafte Zweifel an der Erkran­kung des Arbeit­neh­mers kann der analo­gen oder digita­len Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­ni­gung ausnahms­weise der Beweis­wert entzo­gen werden und die unlau­tere Krank­schrei­bung einen wichti­gen Grund für eine außer­or­dent­li­che Kündi­gung im Sinne von § 626 Absatz 1 BGB darstel­len.

Sollte der Arbeit­ge­ber einem Arbeit­neh­mer kündi­gen wollen, weil dieser angeb­lich nicht arbeits­un­fä­hig erkrankt gewesen ist, hat er die primäre Darle­gungs- und Beweis­last. Der Arbeit­ge­ber muss also bewei­sen, dass der Arbeit­neh­mer tatsäch­lich nicht krank war.

Wenn vom (klagen­den) Arbeit­ge­ber eine solche negative Tatsa­che vorge­tra­gen wird, trägt der (beklagte) Arbeit­neh­mer nach den Grund­sät­zen der abgestuf­ten Darle­gungs­last die sogenannte sekun­däre Darle­gungs­last. Aufgrund des norma­tiv vorge­ge­be­nen hohen Beweis­werts der Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­ni­gung genügt ein „bloßes Bestrei­ten“ der Arbeits­un­fä­hig­keit durch den Arbeit­ge­ber also nicht.

Zweifel an der Erkran­kung

Der Arbeit­ge­ber kann den Beweis­wert der Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­ni­gung nur erschüt­tern, wenn er tatsäch­li­che Umstände darlegt und im Bestrei­ten­sfall bewei­sen kann, die Zweifel an der Erkran­kung des Arbeit­neh­mers geben.

Dies hat zur Folge, dass die ärztli­che Beschei­ni­gung ihren Beweis­wert verliert. Es ist dann wieder die Aufgabe des Arbeit­neh­mers die Zweifel an der Arbeits­un­fä­hig­keit substan­ti­iert zu zerstreuen. Ihm obliegt es nun zur Überzeu­gung des Gerichts darzu­le­gen, welche konkre­ten Krank­hei­ten bezie­hungs­weise Krank­heits­sym­ptome zum Zeitpunkt der Ankün­di­gung der Krank­schrei­bung vorge­legt haben und weshalb der Arbeit­neh­mer darauf schlie­ßen durfte, auch noch am Tag der begehr­ten Freistel­lung arbeits­un­fä­hig zu sein.

Im Zweifel erfor­dert dies die zeugen­schaft­li­che Befra­gung des Arztes, der die Arbeits­un­fä­hig­keit beschei­nigt hat. Tatsäch­li­che Gründe, die zum Anzwei­feln der AU-Beschei­ni­gung führen können, sind beispiels­weise die Krank­schrei­bung für die Zeiten eines abgelehn­ten Urlaubs­an­tra­ges oder die erwie­sene Teilnahme an Freizeit­ver­an­stal­tun­gen trotz Krank­schrei­bung. Eine vorher­ge­hende Abmah­nung ist in der Fallkon­stel­la­tion der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung regel­mä­ßig nicht erfor­der­lich.

Zeitpunkt der Abgabe der AU

Gemäß § 5 Absatz 1 EntgFG ist der Arbeit­neh­mer verpflich­tet, dem Arbeit­ge­ber die Arbeits­un­fä­hig­keit und deren voraus­sicht­li­che Dauer unver­züg­lich (ohne schuld­haf­tes Zögern) mitzu­tei­len. Die Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­ni­gung muss dem Arbeit­ge­ber spätes­tens am vierten Tag der Krank­heit vorge­legt werden.

Diese Verpflich­tung ergibt sich aus § 5 Absatz 1 Satz 2 EntgFG. Sollte der Arbeit­ge­ber jedoch berech­tigte Zweifel an dem Krank­heits­zu­stand seines Arbeit­neh­mers haben, wird ihm nach Satz 3 der Vorschrift auch zugestan­den, die Vorlage der AU-Beschei­ni­gung früher zu verlan­gen, also bereits am ersten Tag der Erkran­kung. Kann keine AU-Beschei­ni­gung vorge­wie­sen werden, darf der Arbeit­ge­ber die Entgelt­fort­zah­lung verwei­gern. Dies kann er ebenfalls tun, wenn er die Richtig­keit der AU-Beschei­ni­gung anzwei­felt.

Fazit

Die ordnungs­ge­mäße Ausstel­lung von Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­ni­gun­gen ist essen­zi­ell für die Glaub­wür­dig­keit im Arbeits­ver­hält­nis. Bestehen berech­tigte Zweifel an der Arbeits­un­fä­hig­keit, kann der Arbeit­ge­ber die Beweis­kraft der Beschei­ni­gung in Frage stellen und im Extrem­fall eine außer­or­dent­li­che Kündi­gung ausspre­chen. Eine vorher­ge­hende, sorgfäl­tige Prüfung und Nachweis­füh­rung sind aller­dings unerläss­lich, um ungerecht­fer­tigte Kündi­gun­gen zu vermei­den.