Etliche Bewohner, Angehörige und Einrichtungen kennen das Problem zur Genüge: Was tun, wenn auf den Stationen bezeihungsweise aus den Wohnbereichen ständig hochwertige Gegenstände „verschwinden“?
Das teure Parfüm vom Beistell- und Schminktisch, das modische und nagelneu beschaffte Oberteil, das Portemonnaie aus der Schublade des Nachtschranks – Diebstähle zum Nachteil von Heimbewohnern sind in vielen Pflege- und Senioreneinrichtungen leider an der Tagesordnung.
Diebstähle können Vertrauen nachhaltig schädigen
Die Folgen der Diebstähle – das verlorene Vertrauen in die Betreuung, Strafanzeigen gegen Unbekannt und Polizei im Haus, Beschuldigungen des Personals durch Bewohner und Angehörige, oder der Beschäftigten untereinander – sind geeignet, den Betriebsfrieden und das Betreuungsverhältnis erheblich und dauerhaft zu beeinträchtigen.
Das Problem: Ein Beweis ist in den allermeisten Fällen nicht zu führen. Kann das Heim in solchen Fällen einzelne Räume mit einer Videoüberwachungsanlage versehen, um den oder die Täter zu ermitteln?
Im Prinzip schon, aber…
Die Videoüberwachung im Pflegeheim ist zwar möglich, aber rechtlich sehr schwierig zu bewerkstelligen. Denn die sogenannte „heimliche“ Videoüberwachung am Arbeitsplatz stellt einen erheblichen Eingriff in das durch Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 2 Grundgesetz (GG) geschützte Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers dar.
Dieses Recht schützt den Arbeitnehmer grundsätzlich vor einer lückenlosen technischen Überwachung am Arbeitsplatz durch heimliche Videoaufnahmen.
Allerdings: Das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ist nicht grenzenlos gewährleistet. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG vom 27.3.2003 – 2 AZR 51/02) steht in der Frage der Videoüberwachung am Arbeitsplatz dem Persönlichkeitsschutz die in Artikel 20 Absatz 3 GG statuierte Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege als wichtiger Belang des Gemeinwohls gegenüber (sogenanntes Rechtsstaatsprinzip).
Im damals verhandelten Fall hatte die frühere Mitarbeiterin eines Getränkemarktes gegen ihre Kündigung geklagt. Sie war in Verdacht geraten, nachdem im Betrieb ungewöhnlich hohe Inventur-Differenzen aufgetreten waren. Mit Zustimmung des Betriebsrats installierte die Geschäftsleitung Kameras in einem Gang des Ladens, sowie über der Kasse.
Laut Überzeugung des Gerichts erwiesen die Videoaufnahmen, dass die gekündigte Mitarbeiterin Leergut eingescannt hatte, dessen Bon-Guthaben sie sich anschließend an der Kasse selbst auszahlte. Nach dem Vorspielen der Überwachungsvideos war der Beschäftigten fristlos gekündigt worden. Mit ihrer Kündigungsschutzklage scheiterte sie jedoch in allen drei Instanzen.
Kollidieren beide Grundrechte, muss im Einzelfall entschieden werden, welchem Recht der Vorrang einzuräumen ist. Prinzipiell gilt, dass eine allgemeine Verhaltenskontrolle, die der Überprüfung der Qualität der Arbeitsleistungen dient, nicht zulässig ist. Dementsprechend können die derart gewonnen Erkenntnisse auch nicht als Beweismittel verwertet werden.
Videoüberwachung im Pflegeheim zum Zwecke der Beweissicherung
Liegt jedoch – wie bei vermehrten Diebstählen in einem Heim – der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer schweren Verfehlung zulasten des Arbeitgebers oder der Bewohner der Einrichtung vor, kann die heimliche Videoüberwachung zulässig sein.
Voraussetzungen hierfür sind allerdings, dass weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ausgeschöpft wurden – etwa Mitarbeiterbefragungen und Belehrungen.
Die verdeckte Videoüberwachung muss praktisch das einzig verbleibende Mittel zur Aufklärung des Verdachts darstellen („ultima ratio“). Zudem darf keine Unverhältnismäßigkeit vorliegen – etwa wenn es sich bei den vorgeworfenen Handlungen lediglich um Bagatellfälle handelt.
Der Betriebsrat hat bei der Videoüberwachung im Pflegeheim ein Wörtchen mitzureden
Beachtet werden muss zudem, dass die Videoüberwachung der Zustimmung der Personalvertretung bedarf. Dies ist in § 87 Absatz 1 Nummer 6 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) geregelt.
Allerdings kann die Auswertung der Ergebnisse aus der Videoüberwachung – laut des BAG-Urteils – auch ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrates zur Installierung zulässig sein, „wenn der Betriebsrat der Verwendung des Beweismittels und der darauf gestützten Kündigung zustimmt und die Beweisverwertung nach den allgemeinen Grundsätzen gerechtfertigt ist“ – er also nachträglich seine Einwilligung gibt.