Rechtsdepesche: Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Schmitz, welchen Stellenwert messen Sie den Wäschereidienstleistungen im Gesamtgefüge der Gesundheitswirtschaft zu?
Prof. Dr. Frank Schmitz: Die Coronapandemie hat die Bedeutung der Textildienstleistungen für die Krankenhäuser und in der Altenpflege verdeutlicht. Es hat sich gezeigt, was geschehen kann, wenn die textile Versorgung nicht adäquat verfügbar ist. Die Wäschereidienstleistung ist ein wesentlicher und notwendiger Mosaikstein für eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung. Viele Bereiche der Gesundheitswirtschaft würden ohne die professionelle Wäschereidienstleistungen nicht wie gewohnt funktionieren.
Wäscherei: Anstieg der Textilien aus den Pflegebereichen
Rechtsdepesche: Lassen sich Ihrer Ansicht nach für die Zukunft Größenordnungen zum Wäschebedarf quantifizieren? Werden die Verbrauchszahlen eher stagnieren oder gar steigen?
Schmitz: Dies haben wir zusammen mit dem Deutschen Textilreinigungs-Verband e.V. (DTV) prognostiziert. Wir gehen insgesamt von einem 3,3 prozentigen Anstieg des Wäschevolumens bis zum Jahre 2035 aus. Dabei unterscheiden wir nach dem Bereich Krankenhaus mit 2,8% Mehranfall und dem Bereich der stationären Pflege mit einem Plus von 3,8 Prozent.
Den Berechnungen liegt ein konstanter Wäscheverbrauch je Behandlungs- bzw. Pflegetag zu Grunde. Dies betrachten wir als recht konservativ, da durch das zunehmende Durchschnittsalter die Pflegeintensität steigen wird und damit auch der Wäschebedarf je Pflege- bzw. Behandlungstag. Dieser Effekt ist nicht berücksichtigt worden.
Rechtsdepesche: Ist es auch möglich, das zukünftige Wäschevolumen in den stationären Einrichtungen differenziert zu betrachten, können durch Ihre Prognosen etwa auch die Aufkommen nach den Wäschearten „Berufsbekleidung“, „Bewohnerwäsche“ und „Stationswäsche“ erfasst werden?
Schmitz: Für den Krankenhausbereich unterscheiden wir nach Bearbeitungsarten, während wir in der stationären Pflege in der Tat nach Wäschearten unterscheiden. Bei den für 2035 prognostizierten 1,5 Milliarden Wäscheteilen mit einem Gewicht fast 560 tausend Tonnen im Krankenhausbereich gehen wir von einem Anteil von 22,4 Prozent Mangelwäsche, 33,1 Prozent Trocknerwäsche und 44,5 Prozent Formteilen bezogen auf die Stückzahlen aus.
Fast 250 tausend Tonnen Wäsche im Jahr
In der stationären Pflege dagegen gehen wir von 1,88 Milliarden Wäscheteilen mit einem Gewicht von 243 tausend Tonnen im Jahr 2035 aus. Bezogen auf die Stückzahlen macht die Berufskleidung davon einen Anteil von 8,7 Prozent, die Bewohnerwäsche einen Anteil von 41,9 Prozent und die Stationswäsche einen Anteil von 49,4 Prozent an der Gesamtwäsche aus.
Rechtsdepesche: Wird es auch regionale Unterschiede bei der Entwicklung des Wäscheverbrauchs geben?
Schmitz: Es wird sehr heterogene Entwicklungen im Bezug auf die Regionen geben. Diese sind geprägt durch ein unterschiedliches regionales Bevölkerungswachstum und ein sich differenziert entwickelndes Durchschnittsalter in Regionen.
Dies wirkt sich natürlich auch auf die Nachfrage nach Pflege- und Krankenhausleistung und damit auch auf die Entwicklung des Wäschebedarfs aus. Für die Bundesländer Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt sehen im Krankenhausbereich ein negatives Wachstum von circa ‑9 Prozent, ‑5,5 Prozent beziehungsweise ‑5,4 Prozent, während andere Bundesländer, insbesondere Bayern, Baden-Württemberg und Berlin einen Anstieg zwischen 5,6 Prozent und 6,7 Prozent verzeichnen werden.
In der stationären Pflege sehen wir regional unterschiedliche Entwicklungen zwischen ‑4,2 Prozent in Sachsen-Anhalt und 14,5 Prozent in Berlin.
Rechtsdepesche: Auch in in der häuslichen Pflege rechnen Sie mit überproportionalen Zuwachsraten. Werden diese Werte auch regionale Unterschiede aufweisen?
Schmitz: Dies ist so. Wir werden in der häuslichen Pflege die größten Wachstumsraten haben, die zwischen 15,2 Prozent in Sachsen-Anhalt und einem Wachstum von fast 33 Prozent in Berlin differieren.
Rechtsdepesche: Stichwort Ökologie: Bedeutet die Verlagerung raus aus den Haushalten, rein in die industriellen Großwäschereien auch einen Gewinn für unsere Umwelt?
Schmitz: Davon können Sie ausgehen. Zentrales Waschen hat einen wesentlich geringeren ökologischen Fußabdruck als dezentrales Waschen. Wir gehen von einer Wassereinsparung von 7,9 Liter pro Kilogramm Wäsche aus und von einer Einsparung von knapp 25 Gramm CO² je Kilogramm Wäsche.
Eine Übertragung des Modells der Bewohnerwäscheversorgung auf die ambulante Versorgung würde, bei einer unterstellten vollständigen Zentralisierung bis 2035 eine Ersparnis von fast 21 Millionen m³ Wasser und 67 tausend Tonnen CO2 ermöglichen. Selbst wenn nur ein Teil der Wäsche zentral gewaschen werden würde, hätte dies neben den bekannten positiven Hygieneeffekten einen nennenswerten Beitrag für unsere Umwelt zur Folge.
Rechtsdepesche: Zu guter Letzt ein Blick nach vorne: Was wäre Ihr Wunsch für die Textilversorgung der Zukunft?
Schmitz: Einerseits wünsche ich mir, dass das Nachhaltigkeitspotenzial genutzt wird und damit verbunden ist andererseits, dass professionelle und desinfizierende Waschverfahren im Bereich der Berufskleidung und der Leibwäsche verstärkt Anwendung finden.
Rechtsdepesche: Vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person: Prof. Dr. Frank Schmitz ist an der Hochschule für Gesundheit in Bochum verantwortlich für die Studiengänge Management und Marketing im Gesundheitswesen. Der Wirtschaftswissenschaftler verfügt über langjährige Berufserfahrung sowohl in der Beratung und operativen Führung von Unternehmen in der Gesundheitsbranche als auch in der akademischen Lehre und Selbstverwaltung