Der aktuelle Pflege-Report 2018 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zeigt, dass es erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Qualität deutscher Pflegeheime gibt. Erstmals wurden im Rahmen der Analyse auch Versorgungsbereiche ausgewertet, die sonst nicht Bestandteil der gesetzlich vorgesehenen Qualitätssicherung sind, da sie über das Sozialgesetzbuch XI hinausgehen. Neben Antipsychotikaverordnungen, den Dekubitus-Raten und vermeidbaren Krankenhauseinweisungen wurden auch der ärztliche Versorgungsgrad und Harnwegsinfekte in Pflegeheimen untersucht.
Das Ergebnis der Analyse: In den Pflegeheimen werden deutlich zu viele Dekubitus-Fälle verzeichnet, zu oft Antipsychotika an Demenzerkrankte verabreicht. Auch die Rate der vermeidbaren Krankenhauseinweisungen ist nicht gering.
Zahl der Dekubitus-Fälle ist zu hoch
So treten laut Pflege-Report pro Jahr durchschnittlich 8,5 Dekubitus-Fälle auf. Die Zahlen weichen dabei in den jeweiligen Pflegeheimen stark voneinander ab. Die Heime mit den am auffälligsten höchsten Zahlen haben mit 12 oder mehr Dekubitus-Fällen dreimal mehr Fälle als das Viertel der Heime mit den niedrigsten Raten.
„Zwar muss die unterschiedliche Risikostruktur der Pflegeheimbewohner berücksichtigt werden“, erklärt Dr. Antje Schwinger, Leiterin des Forschungsbereichs Pflege im WIdO und Mitherausgeberin des Pflege-Reports. Es gebe allerdings bewährte Standards in der Dekubitusprophylaxe: Laut Expertenmeinung ist es durchaus möglich, dass ein Dekubitus durch entsprechende Pflege verhindert werden kann. „Insofern sind die großen Unterschiede auch in den noch nicht-risikoadjustierten Raten sehr auffällig“, bewertet Schwinger weiter die Ergebnisse des Reports. Für Pflegeheime heißt das: Es müssen verstärkt Maßnahmen ergriffen werden, um die Dekubitus-Rate in Pflegeheimen gering zu halten.
Zu häufige Verordnung von Antipsychotika
Der Report hat ein weiteres auffälliges Ergebnis zutage gebracht. 41 Prozent der Demenzerkrankten erhalten im Pflegeheim mindestens einmal pro Quartal ein Antipsychotikum – und das, obwohl die dauerhafte Gabe von Antipsychotika an Demenzerkrankte gegen medizinische Leitlinien verstößt. Insgesamt liegt die Rate der Antipsychotikaverordnungen im auffälligsten Viertel der Pflegeheime statistisch gesehen um das 1,5‑fache höher als beim Viertel der Heime mit den niedrigsten Werten.
Auch problematisch scheinen die Kennzahlen der vermeidbaren Krankenhauseinweisungen zu sein. Laut den Auswertungen wird jeder fünfte Pflegeheimbewohner innerhalb eines Quartals in ein Krankenhaus eingewiesen. Dabei können Krankenhausaufenthalte für ältere, kognitiv eingeschränkte Menschen im Pflegeheim zu einem echten Gesundheitsrisiko werden. Gleichzeitig gelten aber 40 % dieser Einweisungen in Fachkreisen als potenziell vermeidbar.
Forderung nach mehr Transparenz des Versorgungsgeschehens
Das Versorgungsgeschehen müsse noch transparenter werden, findet die Pflege-Expertin Schwinger. Die Kennzahlen können dann für Verbesserungsmaßnahmen genutzt werden. Zudem betont sie die Bedeutung der sektorenübergreifenden Qualitätssicherung: „Es ist gut, dass jetzt der Pflege-TÜV völlig neu aufgestellt wird. Aber die gesundheitliche Versorgung der Pflegebedürftigen wird er weiterhin nicht abbilden. Analog zum Krankenhaus, wo die sektorübergreifende Qualitätssicherung über Routinedaten längst etabliert ist, sollten wir auch im Pflegebereich die Abrechnungsdaten für die Verbesserung der Versorgungstransparenz nutzen. Unsere Untersuchung macht hier einen Anfang und schafft ein erweitertes Instrumentarium der Qualitätsmessung.“
Grundlage des Pflege-Reports waren Abrechnungsdaten von AOK-versicherten Pflegebedürftigen aus rund 5.600 Pflegeheimen.
Quelle: AOK-BV