Die Überlastung der Pflegekräfte im deutschen Gesundheitswesen – schon seit langem ein wichtiges Thema, das vor allem während der Coronapandemie häufig diskutiert worden ist. Ein bemerkenswertes Beispiel hiervon war die Aktion #NichtSelbstverständlich, die durch die Übertragung der Arbeitszeit einer Pflegekraft auf Prosieben Aufmerksamkeit erregte. Zudem haben auch sehr viele Mitarbeitende ihre Pflegeberufe aufgegeben.
Nun hat ein Bericht der Sendung Plusminus der ARD die belastende Situation für das deutsche Krankenhauspersonal erneut beleuchtet. Zu Beginn des Films begegnen wir Dominik Hinzmann, Anästhesist und ehrenamtlicher Mitarbeiter bei der Psychosozialer Unterstützung (PSU) Helpline. Aufgenommen wird eine telefonische Beratung einer Fachkraft; „hast du das Gefühl, du musst dich zerreißen […] wo gehe ich zuerst hin und wer braucht es nötiger?“ hört man Dominik fragen.
Die PSU bietet, laut ihrer Website, „über die HELPLINE eine anonyme und kostenfreie telefonische Beratung für besondere Stress- und Belastungssituationen an“. Diese steht für „Mitarbeiter*innen und Verantwortliche aus dem Gesundheitswesen“ zur Verfügung.
Im Bericht erläutert Hinzmann: „Wir bekommen sehr viele solche Anrufe, wo einfach verzweifelte Mitarbeitende des Gesundheitswesen bei uns anrufen, wo Pflegende bei uns anrufen, die einfach jetzt akut Unterstützung benötigen. Wir versuchen sie zu stabilisieren und mit ihnen gemeinsam einen Ausweg aus der Situation zu finden.“
Überlastung der Pflegekräfte
Der Grund für diesen akuten Unterstützungsbedarf? Der Bericht zeigt, dass trotz Maßnahmen des Bundesgesundheitsministeriums, wodurch Personaluntergrenzen festgelegt wurden, das Pflegepersonal in Gesundheitseinrichtungen – vor allem auf den Intensivstationen – immer noch deutlich überfordert ist.
Professor Stefan Greß erklärt zum Beispiel, dass „wir bei dem Pflegepersonal auf dem Stand von etwa mitte der 90er Jahre“ sind, als „der Bedarf noch deutlich niedriger war“. Und dies obwohl „die Intensität“ heute „sehr hoch“ ist.
Sylvia Bühler der Gewerkschaft ver.di unterstrich sogar: „Es gibt Schätzungen, die sagen wir haben ungefähr bis zu 170.000 Pflegekräfte, die unglaublich gerne wieder zurückkommen in ihren Beruf weil sie ihren Beruf lieben, aber mit diesen Arbeitsbedingungen wollen und können sie sich das nicht mehr zumuten.“
Personaluntergrenzen: die Probleme
Theoretisch sollte die von Jens Spahn im Jahr 2018 eingeführte Pflegepersonaluntergrenzenverordnung dafür sorgen, dass einzelne Pflegekräfte nicht überlastet werden. Als Beispiel wird im Bericht gezeigt, wie Krankenpflegerin Elena Eul in ihrer Tagesschicht für 2 Personen und nachts für 3 Personen zuständig ist. Jedoch betonte Eul, dass diese Regelungen nicht immer die gewünschte Wirkung haben.
Sie erklärte, dass dies in manchen Situationen „dem persönlichen und individuellem Bedarf der Patienten nicht gerecht wird“. Sie gab zu bedenken: „Manchmal wäre es schon besser, wenn wir eher eine 1 zu 1 Betreuung hätten. Das kann man aber nicht so pauschal sagen. Und das ist meiner Meinung nach das große Problem, dass die Untergrenzen pauschal festgelegt wurden unabhängig von den Patientinnen und Patienten.“
Im Bericht wird auch herausgehoben, dass diese Personaluntergrenzen nur als Monatsdurchschnitt eingehalten werden müssen. Das bedeutet, dass zum Beispiel an einzelnen Tagen die Untergrenzen verfehlt werden können ohne den monatlichen Durchschnitt zu beeinflussen. Außerdem wird klar gemacht, dass selbst die Einhaltung der Personaluntergrenzung nicht unbedingt ausreicht, da sie eher als „absolutes Minimum“ betrachtet werden sollte und nicht als Idealfall.
Was sind die Alternativen?
Der Bericht macht auf den gemeinsamen Vorschlag des Deutschen Pflegerats (DPR), der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Gewerkschaft ver.di aufmerksam, nämlich: Personalbemessung.
DKG-Präsident Dr. Gerald Gaß erklärt hierzu: „Im Krankenhaus wird geschaut, wie pflegebedürftig sind die Menschen? Und daran bemisst sich dann das Maß an Pflegepersonalausstattung“.
Es wird auch auf eine Befragung der Arbeitnehmerkammer Bremen gewiesen, in der ehemalige Fachkräfte gefragt wurden, unter welchen Umständen sie bereit wären wiederzukommen. 60 Prozent der Befragten meinten, sie „würden wieder einsteigen, wenn es ein Bedarfsorientierte Personalbemessung gäbe und sie mehr Zeit für eine qualitativ hochwertige Pflege bekämen“.
Klar ist auf jeden Fall: diese Überlastung der Fachkräfte kann nicht weitergehen. Die abschließenden Worte von Sylvia Bühler geben eine klare Warnung: „Es wird immer gesagt, wir hätten in Deutschland eines der besten Gesundheitssysteme der Welt und die Frage ist natürlich: auf wessen Kosten passiert das?“
„Wenn man im Gesundheitswesen arbeitet, tagtäglich ausgepresst wird wie eine Zitrone und darüber krank wird, dann kann das ja nicht gehen, das würde man in keinem Industrieunternehmen zulassen,“ fügt sie hinzu.