Zahl der Pflegekräfte angeblich stark gestiegen
Pünktlich zum Tag der Pflege hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) die neuesten Zahlen aus der Pflege veröffentlicht: Die Zahl des Pflegepersonals sei trotz der Coronapandemie deutlich angestiegen.
Demnach betrug die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Pflegekräfte zum letzten Auswertungszeitpunkt im Oktober 2020 rund 1,77 Millionen Beschäftigte. Dies seien 43.300 Pflegekräfte mehr als im Jahr zuvor.
Allein die deutschen Krankenhäuser haben zwischen Oktober 2019 und Oktober 2020 knapp 18.500 zusätzliche Krankenpflegekräfte beschäftigt, wie die Deutsche Krankenhaus-Gesellschaft (DKG) die Zahlen der Bundesagentur kommentierte. Laut dem DKG-Vorstandsvorsitzenden Dr. Gerald Guß habe man jede zur Verfügung stehende Pflegekraft während der Krisenzeit eingesetzt. Darunter befänden sich sowohl Berufsneu- als auch wiedereinsteiger sowie Pflegekräfte aus dem Ausland.
Diese Zahlen stehen heute am Ende eines Trends, wonach die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Pflege in den letzten fünf Jahren um 14 % gestiegen ist.
„Anders als vielfach berichtet, haben die Kliniken in der Pandemie kein Personal abgebaut, sondern vielmehr deutlich zusätzlich eingestellt. Und dies gegen den allgemeinen Trend am Arbeitsmarkt. Die Zahlen zeigen eindrucksvoll, dass es den Kliniken mit dem spürbaren und nachhaltigen Personalaufbau ernst ist. Gerade in der Pandemie ist deutlich geworden, dass ohne Pflegekräfte keine Versorgung möglich ist. Die Pflege schultert die Hauptlast der Patientenversorgung in den Krankenhäusern und hat auch während der Pandemie einen großartigen Einsatz gezeigt. Wir werden unser Ziel, mehr Pflege an das Krankenbett zu bringen, mit großem Engagement weiter verfolgen.“
Dr. Gerald Gaß, DKG-Vorstandsvorsitzender
Widersprüchliche Zahlen
Die Angaben erscheinen zumindest auf den ersten Blick verwunderlich. Noch vor wenigen Wochen berichtete die FAZ von einem Verlust von 9.000 Pflegekräften in der Alten- und Krankenpflege von Anfang April bis Ende Juli 2020. Dies entspricht einem Rückgang von 0,5 Prozent aller Beschäftigten.
Besonders angeschlagen sei eben jene Krankenpflege gewesen. Dort verlor man in der ersten Welle der Pandemie 5.124 Beschäftigte, in der Altenpflege dagegen „nur“ 3.885. Die Zahlen stammen ebenfalls von der Bundesagentur für Arbeit, auf Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion.
In der aktuellen Meldung bestätigt die BA einen Rückgang der Alten- und Krankenpflegekräfte von 0,5 Prozent zwischen März und Juli 2020, nicht jedoch die Zahl der 9.000 verlorenen Pflegekräfte. Ein leichter Rückgang um diese Jahreszeit sei nicht selten festzustellen. Die Pandemie könne deshalb nicht final als Ursache für den Rückgang bestimmt werden.
Stattdessen seien die endenden Ausbildungsverhältnisse zu dieser Jahreszeit ursächlich für den kurzzeitigen Rückgang. Ab August sei die Zahl der Pflegekräfte wieder angestiegen. Eine gewisse Fluktuation mit einer steigenden Zahl der Beschäftigten im Herbst und einer stagnierenden Zahl im Frühsommer sei normal, so Gaß gegenüber dem RND. Die Coronapandemie habe im letzten Jahr insgesamt also nur geringe Auswirkungen auf die Beschäftigtenzahl gehabt.
Pflegerat kritisiert Statistik
Zu der erfreulichen Entwicklung der Beschäftigungszahl in der Pflege äußerte sich zuletzt auch der Deutsche Pflegerat (DPR) in einer Pressemeldung. Pflegeratspräsident Franz Wagner mahnt bei Meldungen wie dieser zur Vorsicht. Man dürfe Statistiken wie die vom Bundesarbeitsamt nicht zu übereifrig interpretieren. Die Kenntnis zu Details relativiere die vermeintlichen Erfolgsmeldungen.
Konkret bezieht sich der Pflegerat darauf, dass die BA in ihren Anagben zu den Pflegekräften nicht nach derer Anstellungsart, also zwischen Voll- oder Teilzeit, sowie der Tätigkeit als Pflegefachperson und Pflege-Assistenzkraft unterscheidet.
Bei der Statistik der BA gehe es um „Köpfe“. „Der Zuwachs an Köpfen, zum Besispiel 18.500 in den Krankenhäusern, könnte also durch Verschiebungen im Bereich der Mitarbeitenden in Teilzeit, im Saldo der Vollzeitäquivalente sogar ein Stellenminus bedeuten“, heißt es in der Pressemitteilung des Pflegerats. Genauere Details gehen hierzu aus den Erhebungen der BA nicht hervor.
Die Realität gebe zudem ein anderes Bild ab, als es die Zahlen der BA darlegen. Die Rückmeldungen, die der DPR von Seiten der Pflegekräfte erhält, stimmen nicht mit den Statistiken der BA überein. DPR-Präsident Wagner mahnt darüber hinaus vor der Einstellung, die Lage hätte sich nun entspannt:
„Meldungen wie die der Bundesagentur für Arbeit führen schnell zur Entwarnung und lassen den Eindruck entstehen, dass die Situation sich verbessert. Das ist natürlich für die Regierung am Ende der Legislatur willkommen. Nur aussagekräftig ist es nicht. Die Arbeitsbedingungen müssen sich jetzt ändern. Hier ist weiterhin ein dringender Handlungsbedarf“
Franz Wagner, Präsident des DPR
Fachkräfte fehlen weiterhin
Trotz der positiven Entwicklung der Zahl der Pflegenden fehlen in der Gesundheits- und Altenpflege nach wie vor viele Fachkräfte. Der Fachkräftemangel bleibt auch in Zukunft durch die demographische Entwicklung und den hohen Bedarf an Pflegeleistungen bestehen. Des Weiteren altern auch die Pflegekräfte selbst, sodass es in Zukunft mehr junge Fachkräfte als Ersatz benötigt. Das Interesse junger Menschen für den Beruf sei durchaus da, man müsse sie jedoch auch abholen, so Dr. Gerald Gaß von der DKG.
Auf 12.700 offene Stellen kommen in der Gesundheitspflege lediglich 5.800 Arbeitslose. In der Altenpflege sind es 3.600 auf eine ähnliche Kapazität. Demgegenüber stehen bei Hilfskräften in der Kranken- und Altenpflege deutlich mehr Bewerber als es Stellen gibt.
Auch die Löhne sind angestiegen
Neben der Zahl der Pflegenden bestätigen aktuelle Daten des Statistischen Bundesamtes auch eine positive Entwicklung des Lohnniveaus für Krankenpflegekräfte. 2020 war der Bruttolohn von Fachkräften in Krankenhäusern etwa ein Drittel höher als noch 2010. Seit 2012 verdienen Pflegekräfte in Krankenhäusern zudem mehr als Mitarbeiter im produzierenden Gewerbe.
2019 lag der Durchschnittslohn von Krankenpflegekräften mit 3.502 Euro sogar über dem durchschnittlichen Bruttogehalt der Gesamtwirtschaft von 3.327 Euro. 2020 war diese Tendenz ebenfalls gegeben, bedingt jedoch durch die Kurzarbeit in vielen Branchen.
Lösungen in Sicht?
Laut des DKG-Vorstandsvorsitzenden Dr. Gerald Gaß läge bereits seit eineinhalb Jahren ein Pflegepersonalmessungsinstrument, genannt PPR 2.0, dem Bundesgesundheitsministeriums zur Bearbeitung vor. Dieses sei zwar bis dato nicht genutzt worden, jedoch habe die Bundesregierung nun einen Änderungsantrag zum Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) beschlossen, der die Entwicklung eines Personalbemessungsinstruments in der Selbstverwaltung bis 2024 vorsieht.
Auch die Entbürokratisierung von Pflegekräften müsse dringendst vorangetrieben werden, um diese als Zusatzbelastung aus dem Alltag der Pflegenden abzuschaffen. Laut Dr. Gaß verbringen Pflegekräfte ein Drittel ihrer Arbeitszeit mit Akten und Dokumenten, die Pflege am Mensch bleibt zuteilen liegen. Auch deswegen sei die Arbeitsbelastung in der Pflege so groß.
Die Bundesagentur für Arbeit fördert zudem Umschulungen und Weiterbildungen von Arbeitslosen und Beschäftigten hin zum Pflegeberuf. Des Weiteren werden Fachkräfte und Auszubildenede aus anderen Ländern für die Pflege gewonnen. Im letzten Jahr rekrutierte die BA 4.600 Fachkräfte und 600 Auszubildende aus dem Ausland. Dabei setzte die BA auf eine faire Migration und beachtet auch die Pflegesituation im Herkunftsland der Fachkräfte.