Yoga
Prof. Dr. Hartmut Schrö­der – Präsi­dent der IGNK e.V., Prode­kan Gesund­heits- und Beratungs­wis­sen­schaf­ten der Univer­sity for Digital Techno­lo­gies in Medicine and Denti­stry Luxem­bourg und<br />Geschäftsführer Thera­peium Innova­tive Konzepte (TIK) GmbH

Wirksam­keit von Yoga bei chroni­schen Schmer­zen

Rechts­de­pe­sche: Was kann Yoga für meine Gesund­heit tun?

Prof. Dr. Hartmut Schrö­der: Yoga hat sich seit Mitte des 20. Jahrhun­derts außer­halb Indiens nicht nur rasch verbrei­tet, sondern auch einen festen Platz sowohl bei der Behand­lung von Krank­hei­ten als auch in der Präven­tion und Gesund­heits­för­de­rung bekom­men. Effekte und Wirkwei­sen sind mittler­weile gut erforscht und in der Medizin anerkannt. In PubMed, der größten medizi­ni­schen Daten­bank, sind mehr als 7.000 Studien gelis­tet.

Allein 2022 kamen 796 neue Studien hinzu. In unserem Forschungs­blog haben wir Studien vorge­stellt, die die Wirksam­keit von Yoga bei der Bewäl­ti­gung von chroni­schen Schmer­zen und von Bauch­schmer­zen bei Kindern belegen. Weitere Studien zeigen, dass Yoga die Häufig­keit von Vorhof­flim­mern verrin­gern, mit guten Effek­ten nach Schlag­an­fäl­len einge­setzt werden kann und das Herz stärken kann.

Rechts­de­pe­sche: Inwie­weit stärkt Yoga das Immun­sys­tem des Menschen?

Schrö­der: Beson­ders beein­dru­ckend ist die Studi­en­lage zu den positi­ven Effek­ten von Yoga hinsicht­lich Stress­be­wäl­ti­gung und Stärkung des Immun­sys­tems.

Yoga reduziert nachweis­lich die negati­ven Auswir­kun­gen von Stress auf unsere Gesund­heit. In unserem Forschungs­blog haben wir dazu eine Studie vorge­stellt, die sich damit beschäf­tigt, warum Yoga das kann und was dabei passiert. Wichtig scheint dabei zu sein, dass Yoga die Stress­be­wäl­ti­gung fördert und ein Beitrag zur Entspan­nung ist.

Immun­sys­tem wird gestärkt

Dies wiederum trägt zu einer Stärkung des Immun­sys­tems bei. Zu viel und insbe­son­dere anhal­ten­der Stress hinge­gen schwächt das Immun­sys­tem und macht uns anfäl­li­ger. Inter­es­san­ter­weise kann Yoga sogar in akuten Stress­si­tua­tio­nen das Immun­sys­tem positiv beein­flus­sen, was in einer Studie nachge­wie­sen wurde.

Yoga
Yoga kann die Gesund­heit verbes­sern und ist fast überall prakti­zier­bar Bild: Alexan­der Meyer-Köring

Rechts­de­pe­sche: Welche Formen des Yoga sind zu bevor­zu­gen oder spielt das keine Rolle?

Schrö­der: Das Angebot an Yoga ist heute sehr breit und im Westen haben sich auch Formen entwi­ckelt, die im Herkunfts­land Indien nicht bekannt sind. Aus meiner Sicht kommt es vor allem darauf an, welche Ziele der Prakti­zie­rende verfolgt und auf welcher Ebene er Effekte erzie­len möchte.

Im Westen ist vor allem die Form des Hatha-Yoga bekannt. Das Konzept des Hatha-Yoga ist als Entspan­nungs­tech­nik und als Training für den Bewegungs­ap­pa­rat, für Koordi­na­tion und Gleich­ge­wicht wissen­schaft­lich plausi­bel und die Wirksam­keit wurde durch zahlrei­che Studien nachge­wie­sen. In vielen Yogakur­sen werden ausge­wählte und leicht zu erler­nende Körper­übun­gen aus dem Hatha-Yoga gelehrt.

Vorteil ist, dass sie zu jeder Zeit, an jedem Ort, von jedem Menschen (egal welchen Alters) durch­ge­führt werden können, ohne dabei beson­dere Hilfs­mit­tel oder dauer­haft einen Lehrer zu benöti­gen.

Wenig zeitli­cher Aufwand für körper­li­che und geistige Fitness

Durch die Kombi­na­tion von Bewegung, Atmung, körper­li­cher und geisti­ger Achtsam­keit verhel­fen diese Übungen schon mit wenig zeitli­chem Aufwand zu körper­li­cher und geisti­ger Fitness. Aber Yoga kann noch viel mehr und muss mit körper­li­chem Training gar nichts zu tun haben. So ist der integrale Yoga nach Sri Aurobindo (1872–1950) vor allem als eine spiri­tu­elle Philo­so­phie zu verste­hen sowie als ein ganzheit­li­cher Lebens­stil.

Rechts­de­pe­sche: Selbst­hei­lungs­kräfte – wie kann ich die durch die Yogapra­xis stimu­lie­ren?

Schrö­der: Selbst­hei­lung meint die Fähig­keit von Körper und Geist, die jeweils erfor­der­li­chen Selbst­re­gu­la­ti­ons­pro­zesse in Gang zu setzen, um gesund zu bleiben oder wieder gesund zu werden. Jede Heilung ist Selbst­hei­lung bzw. Ausdruck der Selbst­re­gu­la­tion von Körper und Geist. Wohl jeder Mensch weiß aus eigener Erfah­rung, dass Stress und negative Gefühle krank machen können.

Umgekehrt sind Entspan­nung und Psycho­hy­giene von wichti­ger Bedeu­tung für die Gesund­erhal­tung. Durch den besse­ren Umgang mit Stress und das Erler­nen von Entspan­nungs­ver­fah­ren kann jeder die Selbst­hei­lungs­kräfte anregen und etwas für die eigene Gesund­heit tun. Beson­ders eine ganzheit­li­che Yogapra­xis kann die Selbst­hei­lungs­kräfte stimu­lie­ren.

Dazu bedarf es aber einer Haltung, die Yoga nicht auf eine Art techni­sche Optimie­rung des Körpers reduziert, sondern Achtsam­keit und Medita­tion zu einem wichti­gen Teil der Lebens­pra­xis werden lässt.

Yoga als ganzheit­li­ches Konzept

Rechts­de­pe­sche: Was sagen Sie Menschen, die glauben Yoga sei ein Sport oder so etwas wie Gymnas­tik?

Schrö­der: Sport und überhaupt Bewegung sind ja erwie­se­ner­ma­ßen wichtige Fakto­ren der Gesund­heits­för­de­rung und für die Unter­stüt­zung der Gesun­dung nach fast allen Erkran­kun­gen von nicht zu unter­schät­zen­der Bedeu­tung. Aber Yoga ist weit mehr als das, denn es zielt als ein ganzheit­li­ches Konzept nicht nur auf den Körper, sondern auch auf das Geistige und das Seeli­sche.

Eine ganzheit­li­che Yogapra­xis bedeu­tet eine Kombi­na­tion von Bewegung, Atmung, körper­li­cher und geisti­ger Achtsam­keit und vieles mehr. Yoga kann auch Medita­tion bedeu­ten und ist ohne seinen philo­so­phi­schen und spiri­tu­el­len Hinter­grund nicht wirklich zu verste­hen. Yoga hat nichts zu tun mit dem, was heute oft durch den Begriff Optimie­rung ausge­drückt wird. Anders als Sport eignet es sich nicht für Wettbe­werbe.

Rechts­de­pe­sche: Wie wichtig ist Klang für das Wohlbe­fin­den der Menschen?

Schrö­der: Bereits Pytha­go­ras hat die Heilkraft von Klängen erkannt und thera­peu­tisch genutzt. Begriffe wie Klang­the­ra­pie, Klang­me­di­ta­tion (meistens an Gruppen gerich­tet), Klang­mas­sage (vor allem mit Klang­scha­len, Didge­ri­doo und Körper­in­stru­men­ten in Einzel­be­hand­lun­gen), umfas­sen eine Vielzahl verschie­de­ner Formen und Tradi­tio­nen, wobei die Verwen­dung von oberton­rei­chen Instru­men­ten und Oberton­ge­sang charak­te­ris­tisch ist.

Selbst­hei­lungs­kräfte anregen

Die Arbeit mit Klängen kann im Bereich Wellness erfol­gen, der Entspan­nung und Trance­induk­tion dienen, aber auch thera­peu­tisch in der Medizin und Psycho­the­ra­pie genutzt werden. Aller­dings ist Klang­the­ra­pie kein selbstän­di­ges Thera­pie­ver­fah­ren und sollte nicht als Alter­na­tive zu medizi­nisch indizier­ten Thera­pien missver­stan­den werden. Die Chancen wohltu­en­der Klänge liegen eher darin, dass sie die Selbst­re­gu­la­tion von Körper und Geist bzw. die Selbst­hei­lungs­kräfte anregen können.

Darüber hinaus können sie bei der Stress­be­wäl­ti­gung helfen und in Situa­tio­nen, wo Patien­ten Yoga nicht prakti­zie­ren können, zu einer tiefen Entspan­nung führen. Durch die Kraft der Klänge kann eine tiefe körper­li­che und geistige Entspan­nung erzeugt werden, in der nicht selten der Zugang zum kreati­ven Poten­zial des Unbewuss­ten frei wird. In unserem Forschungs­blog haben wir zwei Studien vorge­stellt.

Die eine Studie beschäf­tigt sich mit der allge­mei­nen Frage, wie Klänge unsere Gesund­heit beein­flus­sen können. Die andere Studie beschäf­tigt sich mit der Frage, ob eine Behand­lung auf der Klang­liege die Bewegungs­fä­hig­keit bei MS-Patien­ten verbes­sern kann.

Heilung ist immer Selbst­hei­lung

Rechts­de­pe­sche: Warum kann man mit Musik heilen?

Schrö­der: Heilung ist immer Selbst­hei­lung. Weder Medika­mente noch Opera­tio­nen allein können heilen. Sie können vielmehr die Selbst­hei­lungs­kräfte anregen, die dann dafür sorgen, dass eine Wunde wieder heilt und ein vorher kranker Mensch wieder genesen kann. Genauso ist es auch mit der Musik.

Musik kann die Selbst­hei­lungs­kräfte anregen, wenn es sich um die passende Musik für einen bestimm­ten Menschen in einer bestimm­ten Situa­tion handelt.

Wenn alles passt, kann Musik beim Heilen helfen, das Herz schüt­zen, bei Patien­ten Angst und Schmer­zen lindern sowie sogar bei Krebs­er­kran­kun­gen helfen. Musik kann zutiefst berüh­ren, wo Worte versa­gen oder nicht möglich sind.

Rechts­de­pe­sche: Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person: Prof. Dr. Hartmut Schrö­der ist Präsi­dent der IGNK e.V. www.ignk.de – Prode­kan Gesund­heits- und Beratungs­wis­sen­schaf­ten der Univer­sity for Digital Techno­lo­gies in Medicine and Denti­stry Luxem­bourg sowie Geschäfts­füh­rer von Thera­peium Innova­tive Konzepte (TIK) GmbH (www.therapeium.de). Schrö­der ist zudem ausge­bil­de­ter Yogaleh­rer.