Die Sturzgefährdung ist im Alter signifikant erhöht.
Die Sturz­ge­fähr­dung ist im Alter signi­fi­kant erhöht. Bild: BM10777/Pixabay.com

Rechts­de­pe­sche: Ab welchem Alter ist ein Anstieg des Sturz­ri­si­kos zu verzeich­nen und woran liegt das?

PD Dr. Helmut Frohn­ho­fen: Ab der Lebens­mitte nehmen die Funkti­ons- und Leistungs­fä­hig­keit vieler Organe diskret, aber konti­nu­ier­lich ab. Irgend­wann ist eine kriti­sche Grenze erreicht. Für das sichere und balan­cierte Laufen sind sowohl eine gute Funktion des Nerven­sys­tems als auch eine stabile Musku­la­tur wichtig. Von Bedeu­tung sind aber auch die Sehfä­hig­keit und das Herz-Kreis­lauf­sys­tem. In all´ diesen Berei­chen kommt es durch den Alterungs­pro­zess zu leich­ten Verän­de­run­gen. Bei dem einem etwas früher, beim dem anderen später.

Überla­gert werden diese Fakto­ren von zusätz­lich auftre­ten­den Krank­hei­ten und eventu­ell verab­reich­ten Medika­men­ten. Generell kann gesagt werden, dass ein gesun­der älterer Mensch diesen kriti­schen Bereich ungefähr ab dem 80. Lebens­jahr erreicht. Das ist in etwa die Alters­grenze zu der das Sturz­ri­siko auch bei fehlen­den sonsti­gen Erkran­kun­gen deutlich ansteigt. Liegen sonstige Erkran­kun­gen vor, wie beispiels­weise eine Herzschwä­che, oder wurde ein Schlag­an­fall erlit­ten, führt dies zu einer deutlich frühe­ren Sturz­ri­si­ko­stei­ge­rung. Tröst­lich ist, dass durch die Kennt­nis dieser Zusam­men­hänge diesem Risiko entge­gen gearbei­tet werden kann.

Rechts­de­pe­sche: Welche Möglich­kei­ten gibt es, dass Risiko der Sturz­nei­gung zu ermit­teln und welche Maßnah­men können ergrif­fen werden, um im Alter das Sturz­ri­siko zu minimie­ren?

Frohn­ho­fen: Die Sturz­ge­fähr­dung kann aus einfa­chen Tests abgelei­tet werden. Zum Beispiel sollte ein 80-jähri­ger in einer Art Seiltän­zer­schritt zehn Sekun­den auf einem Fuß frei stehen können. Auch sollte ein gesun­der, hoch betag­ter Mensch aus dem Sitzen ohne Armein­satz inner­halb von zehn Sekun­den 5mal aufste­hen können. Wer das schafft, hat eigent­lich kein erhöh­tes Sturz­ri­siko.

Sind Probleme vorhan­den, kann mit regel­mä­ßi­gem Training wirksam vorge­beugt werden. Nicht übermä­ßig, aber regel­mä­ßig sollte die Musku­la­tur trainiert und Gymnas­tik gemacht werden. Hierfür sind Physio- und Ergothe­ra­peu­ten eigent­lich präde­sti­niert. Die bieten ein breites Trainings­spek­trum an, mit dem am besten frühzei­tig angefan­gen wird. Salopp ausge­drückt: spätes­tens ab dem 70. Lebens­jahr sollte regel­mä­ßig die Mucki­bude besucht werden.

Auch aus medizi­ni­scher Sicht bestehen gute Möglich­kei­ten das Sturz­ri­siko zu minimie­ren. Die Einnahme von Schlaf­mit­teln oder Antide­pes­siva, Neuro­lep­tika, Sedativa usw. sollte besser kontrol­liert und tenden­zi­ell reduziert werden, denn mit dem Einsatz von beruhi­gen­den Medika­men­ten geht eine Erhöhung des Sturz­ri­si­kos einher. Beson­de­res Augen­merk ist auch auf den Blutdruck und die Kreis­lauf­me­di­ka­mente zu richten. Fällt der Blutdruck im Stehen stark ab, stellt dies einen deutli­chen Risiko­fak­tor für einen Sturz dar. Deshalb muss der Blutdruck bei älteren Menschen auch im Stehen gemes­sen werden.

Natür­lich ist daneben auch auf die äußeren Rahmen­be­din­gun­gen zu achten, dass siche­res Schuh­werk getra­gen wird und die Beleuch­tungs­ver­hält­nisse so optimal wie möglich gestal­tet sind.

Nicht verges­sen werden darf, dass unsere motori­schen Leistun­gen im Gehirn veran­kert sind. Insofern ist körper­li­ches Training auch als Gedächt­nis­leis­tung zu verste­hen. Das heißt, auch die motori­schen Abläufe, müssen immer wieder trainiert werden, damit sie sich einspie­len.

Rechts­de­pe­sche: Sind demen­ti­ell erkrankte Menschen deshalb auch einem höheren Sturz­ri­siko ausge­setzt?

Frohn­ho­fen: Ja, das ist richtig. Bei Menschen mit Gedächt­nis­pro­ble­men funktio­niert oft auch das motori­sche Gedächt­nis nicht. Gerade demenz­kranke Menschen haben aufgrund der Verän­de­run­gen in ihrem Nerven­sys­tem erheb­li­che Probleme hinsicht­lich der Koordi­na­tion ihrer Bewegungs­ab­läufe. Leider sind bei demen­ti­ell erkrank­ten Menschen Einbu­ßen in punkto siche­rer Körper­ba­lance, richti­ger Wahrneh­mung und Einschät­zung von Entfer­nun­gen zu verzeich­nen. Das führt dazu, dass die in frühe­ren Jahren routi­nier­ten Bewegungs­ab­läufe gestört sind und die Reakti­ons­mus­ter auf Gefah­ren­si­tua­tio­nen nicht mehr so flüssig funktio­nie­ren. Damit steigt das Sturz­ri­siko ganz erheb­lich.

Rechts­de­pe­sche: Sehr geehr­ter Herr Dr. Frohn­ho­fen, vielen Dank für dieses aufschluss­rei­che Gespräch.

Das Inter­view führte Michael Schanz.