Der betroffene Bewohner war pflegebedürftig nach Pflegestufe II und ohne Hilfe Dritter gehunfähig, weshalb er einen Rollstuhl nutzte. Er war zeitlich, örtlich und situativ nicht orientiert. Zudem war er starker Raucher. Seine Fähigkeit, für die erforderliche Sicherheit beim Tabakgenuss zu sorgen, galt als eingeschränkt.
Nachdem der Bewohner einmal entgegen der Absprachen in seinem Bett geraucht hatte, wurden seither besondere Maßnahmen angeordnet:
- Tabakgenuss im Zimmer nur wenn die Ehefrau zu Besuch ist (nicht im Bett, lediglich am Zimmertisch)
- ansonsten selbständiger Tabakgenuss nur im kleinen Tagesraum in der „Raucherecke“
- Entzug der selbständigen Verfügung über Tabak/Feuerzeug
- kontrollierte Abgabe von zwei Zigaretten im Zweistundenabstand mit Überlassung des Feuerzeugs
- Kontrolle der Feuerzeugrückgabe
Offener Flammenbrand in wenigen Sekunden
Eines Abends wurde er wie üblich mit zwei Zigaretten versorgt, um sie in der Raucherecke zu konsumieren. Dabei steckte er seine Oberbekleidung in Brand, die kurzerhand lichterloh brannte. Dies entdeckte die zur Unfallzeit tätige Pflegekraft wenig später und erstickte die Flammen mit Decken. Es wurden Verbrennungen II. bis III. Grades im Bereich des Halses, des Unterkiefers, der Thoraxvorderseite, beider Achsel- und Leistenregionen und beider Unterarme festgestellt. Nach notärztlicher Versorgung wurde er stationär aufgenommen. Es folgten mehrere Operationen und intensiv-pflegerische Behandlungen. Dennoch verstarb er etwa vier Monate später an seinen Unfallfolgen im Juli 2003.
Schadensersatzanspruch von fast 200.000 Euro
Die Krankenkasse klagte und verlangte von der Pflegeheim-Betreibergesellschaft den Ersatz unfallbedingter Kosten in Höhe von 189.391,15 Euro für die stationäre Behandlung und Pflege infolge des Unfalls des Bewohners.
Während das Landgericht Duisburg dem stattgab, kam das Oberlandesgericht Düsseldorf in zweiter Instanz zu einem anderen Urteil: Der Krankenkasse stand kein Anspruch auf Schadensersatz zu. Die Obhutspflichten in Pflegeeinrichtungen sind auf Maßnahmen begrenzt, die mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar sind. Erforderlichkeit und Zumutbarkeit für Heimbewohner und Pflegepersonal sind dabei der Maßstab. Dabei ist außerdem auch die menschliche Würde der Bewohner zu beachten. Zudem kann nicht jeder abstrakten Gefahr vorgebeugt werden. Es muss generell die „im Verkehr erforderlichen Sorgfalt“ eingehalten werden, ausgerichtet am allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse.
Kein Beweis für fahrlässige Pflichtverletzung des Pflegepersonals
In diesem Fall konnte nicht festgestellt werden, dass der Unfall auf einer Pflichtverletzung der beklagten Einrichtung oder ihrer Mitarbeiter beruhte. Ein vollständiges Tabakverbot wäre hier ebenso unverhältnismäßig gewesen wie eine ständige, ununterbrochene Beaufsichtigung des Bewohners. Zwar war sein Allgemeinzustand nicht optimal, jedoch war er durchaus noch insoweit selbständig, als dass er eigenständig rauchen und sich die Zigarette anzünden konnte.
Der Brand ist daher mit Blick auf die getroffenen pflegerischen Maßnahmen ein tragisches Unglück gewesen, das während einer für den Bewohner alltäglichen Situation eingetreten ist. Außerdem lag die Beweislast bei der klagenden Krankenkasse. Lediglich die Tatsache, dass der Bewohner im Bereich des Pflegeheims zu Schaden gekommen ist, schließt nicht automatisch auf eine fahrlässige Pflichtverletzung des Pflegepersonals.
Die Beweise, die hier in zweiter Instanz erhoben wurden, konnten nicht belegen, dass die Pflegekräfte den Bewohner für längere Zeit aus den Augen gelassen haben. Der offene Flammenbrand der leicht entzündlichen Kleidung (Baumwolle/Viskose) entfachte in weniger als fünf Sekunden und erreichte den Kopfbereich in weniger als zwei Minuten. In der Zeit entdeckte die Pflegerin bereits den Brand und traf die richtigen Rettungsmaßnahmen.
Das Urteil des OLG Düsseldorf ist rechtskräftig.
Quelle: OLG Düsseldorf vom 14. August 2009 – I‑24 U 45/07 = RDG 2009, S. 223–225.