Als „Smartphone-Zombies“, sogenannte „Smombies“, bezeichnet man sie: Menschen, die durch ihren Blick auf ihr Handy so stark abgelenkt sind, dass sie kaum noch etwas in ihrer Umgebung wahrnehmen. Dass sie dabei sich selbst und auch andere gefährden können, zeigt die Fall-Serie von Smartphone-bezogenen Unfällen bei Kindern und Jungendlichen, die von Ärzten der Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie des Universitätsklinikums Leipzig (UKL) veröffentlicht worden ist.
Dazu wurden Fälle von Kindern und Jungendlichen untersucht, die in den Jahren 2008 bis 2018 am UKL behandelt wurden. Nachdem 2012 ein erster Fall auftrat, mussten seither allein am UKL zehn Mädchen und Jungen aufgrund eines Smartphone-bezogenen Unfalls stationär behandelt werden. Bei einem Fall wurde ein 12-jähriges Mädchen von einem 30 km/h schnellen Auto erfasst, weil sie beim Überqueren der Straße ausschließlich auf ihr Smartphone blickte – Diagnose: Beckenringfraktur. Ein weiteres Mädchen, 16 Jahre alt, fiel in einer Silvesternacht durch ein Glasdach, als sie ein Foto von sich machen wollte. Sie erlitt ein schweres Wirbelsäulentrauma (multiple Wirbelkörperfrakturen) und Schnitte an der Hand. Einem weiteren Mädchen, ebenfalls 16 Jahre alt, rollte ein Auto über die Hand, als sie ihr Smartphone von der Straße aufheben wollte.
Bei der Mehrzahl der Unfälle spielte das Smartphone eine aktive, in nur zwei Fällen eine passive Rolle. In letzteren Fällen kam es bei Kindern zu leichten Blessuren, weil es zu Verletzungen mit dem Smartphone durch die Eltern kam.
Klinikdirektor rechnet mit erstem Todesfall
Der Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie am UKL, Prof. Martin Lacher, blickt pessimistisch und mit Besorgnis auf die Zunahme von Unfällen dieser Art: „Bald werden wir den ersten Todesfall in Deutschland erleben. Da bin ich mir ziemlich sicher“, so der UKL-Klinikdirektor. Zudem gehen er uns seine Kollegen von einer deutlich höheren Dunkelziffer von Smartphone-bezogenen Unfällen bei Kindern und Jugendlichen aus, da viele Verletzte gar nicht erst zum Arzt gehen würden beziehungsweise das Handy nicht als Verletzungsursache angeben.
Weniger oft auf das Gerät schauen und seine Vorbildrolle als Erziehungsberechtigten ernst nehmen, lautet die Devise, um derartige Unfälle zu vermeiden. Der Kinderchirurg Prof. Lacher hat zudem noch andere Maßnahmen im Blick. „Im US-Bundesstaat Hawaii ist es illegal, eine Straße zu überqueren, während man auf das Smartphone schaut. Wäre das auch für unser Land gut“, fragt er. Mit China, den USA, Belgien und Litauen gibt es zudem vier Länder, in denen eigene „Smombie-Pfade“ eingerichtet wurden, spezielle Fußwege für unaufmerksame Smartphone-Nutzer. In den Niederlanden finden sich hingegen bereits zwei Städte, in denen Fußgängerampeln am Erdboden montiert sind. Gerade die letztgenannte Idee findet durchaus Anklang bei Prof. Lacher.
Die Ergebnisse der Fall-Serie sind in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Pediatric Emergency Care veröffentlicht worden.
Quelle: UKL