„Was macht das Warten mit uns?“ – Mit dieser nur scheinbar trivialen Frage beschäftigt sich German Quernheim. Sogar seine Doktorarbeit hat der Krankenpfleger, Diplom-Pflegepädagoge und Pflegewissenschaftler aus dem rheinland-pfälzischen Montabaur über das Thema geschrieben. Bei seinem vom „Warten“-Song aus dem Musical „Linie 1“ eingeleiteten Vortrag wird klar: Davon, wie Patienten und Patientinnen die Wartezeiten empfinden, steht und fällt in großem Maße die Zufriedenheit mit der Behandlung und deren Kompetenz-Einschätzung ins medizinische Team. Davon überzeugte er die rund 30 Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Winterakademie-Seminars in seinem spannenden, multimedial und interaktiv angelegten Referat, in dem er Tipps gab, wie sich die leidigen Wartezeiten für Patienten erträglicher und sinnvoller gestalten lassen können.
Wenn Patienten fragen, wann sie drankommen, funktioniert das Wartemanagement nicht
„Warten Sie einen Moment – das ist eine oft gehörte Aussage“, erläuterte er. „Aber in den USA ist ein Moment als Zeitspanne von 90 Sekunden definiert. Wenn es abzusehen ist, dass es länger dauert, muss man das auch sagen.“ Kaum etwas sei schlimmer, als wenn Patienten und Patientinnen, zur Untätigkeit gezwungen und ohne Zeitabschätzung, vor sich hin verharren müssten – auf einen Sprechstundentermin oder auch eine Operation. Wobei die Fähigkeit, Warteperioden aushalten zu können, von unzähligen Faktoren abhänge: Patientenbezogenen wie persönliche Prägung, Versichertenstatus (man denke etwa an einen nicht an lange Wartezeiten gewöhnten Privatversicherten) oder Behandlungs-Angst; klinikbezogenen wie die Güte des Informations-Managements oder das Erleben von Mitpatienten, oder krankheitsbezogenen wie Erkrankungs-Schwere und Dringlichkeit der Behandlung.
„Wenn Patienten fragen, wann sie drankommen, zeigt das, dass das Wartemanagement nicht funktioniert hat“, so der Tipp des Fachbuchautors, Dozenten und Coaches. Der Service-Gedanke sei hier sehr wichtig: „Man muss zuvorkommend handeln im wahrsten Sinne des Wortes, nämlich der Frage zuvorkommen.“ Eine sinnvolle, einzuübende Technik sei, Nachrichten ins Positive gewendet zu überbringen, also etwa nicht „erst ab nächsten Mittwoch kann ich Ihnen einen Platz versprechen“, sondern „bereits Mittwoch…“.
Attraktivierung der Wartezone empfohlen – Grenzüberschreitungen abwenden
Weitere lohnende Techniken sind das „Pre-Framing“ – die Schilderung der Begleitumstände und das Werben um Verständnis für längere Warteperioden –, das Kümmern und Trösten sowie die Attraktivierung der Wartezone, etwa mit Medien- oder Kreativangeboten, unterschiedliche Bereiche für Ruhebedürftige und Familien mit Kindern oder Warte-Apps und Aufrufsysteme, die es den Patienten und Patientinnen ermöglichen, sich für einige Zeit aus dem Wartebereich zu entfernen. „Idealerweise sollte das Team informiert sein über Möglichkeiten in der Umgebung – Cafés, Ausstellungen, Parks et cetera.“ Auch, die Wartenden gezielt in Bewegung zu bringen, sei eine mögliche Technik. „Der Frankfurter Flughafen hat erkannt, dass Passagiere die Wartezeit aufs Gepäck als geringer erleben, wenn sie in der Zwischenzeit zum Gate laufen. Denn da sie sich bewegen, empfinden sie die Zeit nicht als Warten.“
Bei aller Zuvorkommenheit und Patientenorientierung ginge jedoch eines überhaupt nicht: Grenzüberschreitungen vonseiten der Behandlungsgäste – sei es verbaler, körperlicher oder gar zudringlicher Art. „Es spricht sich sehr schnell herum in gewissen Kreisen, in welchem Haus man sich etwas erlauben kann und in welchem nicht“, warnte Quernheim. Ansonsten helfe auch hier Gelassenheit: „Angriffe von Patienten sind nicht gegen mich im persönlichen Kern gemeint, sondern in meiner Eigenschaft als Funktionsträger! Man sollte Patienten nicht den ‚Knopf drücken‘ lassen, der zurück in negative Erfahrungen aus der Kindheit führt.“