Nicht jeder Pfleger ist auch ein Krankenpfleger
Grundsätzlich kann jede Person, die regelmäßig irgendwelche Pflegetätigkeiten verrichtet, sich selbst als „Pfleger“ beziehungsweise „Pflegerin“ bezeichnen. Diese Tatsache ist begründet in den Umstand, dass es sich hierbei um keine geschützte Berufsbezeichnung handelt.
Anders sieht es hingegen aus, wenn man sich beispielsweise als „Altenpfleger“, „Krankenschwester“ oder neuerdings auch als „Pflegefachmann“ beziehungsweise „Pflegefachfrau“ ausgeben möchte.
Berufstitel gibt es nur mit Erlaubnis
Denn das Führen einer dieser Berufstitel setzt das Vorhandensein einer entsprechenden staatlichen Erlaubnis voraus, die wiederrum an das Vorliegen ganz bestimmter Bedingungen gekoppelt ist.
Dieser Erlaubnisvorbehalt ergibt sich aus der für die Berufsbilder in der Pflege gültigen Ausbildungsgesetzgebung – also aktuell das Pflegeberufegesetz (PflBG), früher das Krankenpflegegesetz (KrPflG) sowie das Altenpflegegesetz (AltPflG).
Hierin werden in § 2 PflBG die Voraussetzungen genannt, die zum Führen des Berufstitels zwingend vorliegen müssen:
Die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung ist auf Antrag zu erteilen, wenn die antragstellende Person
- die durch dieses Gesetz vorgeschriebene berufliche oder hochschulische Ausbildung absolviert und die staatliche Abschlussprüfung bestanden hat,
- sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs ergibt,
- nicht in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des Berufs ungeeignet ist und
- über die für die Ausübung des Berufs erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt.
Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis, § 2 PflBG
Im früheren Kranken- beziehungsweise Altenpflegegesetz gab es jeweils eine fast gleichlautende Vorschrift (§ 2 AltPflG beziehungsweise § 2 KrPflG).
Widerruf der Erlaubnis zum Führen des Berufstitels
Wer erfolgreich eine mindestens dreijährige Pflegeausbildung beziehungsweise ein Pflegestudium durchlaufen hat und auch das Vorliegen der sonstigen Voraussetzung nachweisen kann (zum Beispiel durch ein Führungszeugnis, ärztliches Attest etc.), dem winkt am Ende aller Ausbildungsmühen die Erteilung der Erlaubnis zum Führen der designierten Berufsbezeichnung.
Hat man erst einmal die begehrte Erlaubnisurkunde in den Händen, denkt natürlich niemand daran, dass diese unter ganz bestimmten Bedingungen auch wieder widerrufen werden kann – formuliert in § 3 Absatz 2 PflBG:
Die Erlaubnis ist zu widerrufen, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Voraussetzung nach § 2 Nummer 2 nicht erfüllt ist. Die Erlaubnis kann widerrufen werden, wenn nachträglich die Voraussetzung nach § 2 Nummer 3 weggefallen ist.
Rücknahme, Widerruf und Ruhen der Erlaubnis, § 3 PflBG (Auszug)
Widerruf wegen Krankheit
Wer im Laufe seines beruflichen Lebens eine gesundheitliche Einschränkung erleidet, muss nicht befürchten, dass ihm deshalb umgehend der Verlust der Erlaubnis zum Führen des Berufstitels droht.
Denn der Gesetzgeber hat mit der in § 3 Absatz 2 Satz 2 PflBG verwendeten Formulierung („Die Erlaubnis kann widerrufen werden…“) ganz bewusst einen Ermessensspielraum für die erteilende Behörde gesetzt.
So können auch Personen, die beispielsweise körperlich nicht mehr in der Lage sind „am Bett“ zu agieren, durchaus noch Positionen in anderen Bereichen der Pflege bekleiden.
Beispiel: Schizoaffektive Psychose
Ein guter Grund, die Erlaubnis zum Führen der Berufstitels zu widerrufen, ist das Auftreten einer schizoaffektiven Psychose gepaart mit religiösen Wahnvorstellungen.
So geschehen bei einer 1964 geborenen Krankenschwester, die seit 1989 in einem Klinikum arbeitete.
Hier kam es seit 2011 zu verschiedenen Vorfällen im Klinikalltag, in welchem die Klägerin ihre religiösen Ansichten sowie den ihr drohenden, baldigen Tod gegenüber ihren Kollegen äußerte. So sprach sie unter anderem von einem drehenden Telefon, welches vom Teufel beeinflusst werde und von Plüschkatzen auf ihrem Bett, in welchen sich der Teufel verstecke.
Quelle: VG Köln vom 28. Juni 2022 – 7 K 289/20
Beispiel: Missbrauch von Drogen, Alkohol und Medikamenten
In diesem Fall widerrief die Aufsichtsbehörde im Jahre 2003 einer Frau die Erlaubnis zur Führung des Berufstitels „Krankenschwester“, die sie 1994 erwarb.
Zuvor war bekannt geworden, dass die Frau an einer Drogen- (Heroin, Cannabis), Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit litt, was auch durch eine fachpsychiatrische Begutachtung bestätigt wurde.[1]
Quelle: VG Gelsenkirchen vom 7. Dezember 2011 – 7 K 5458/10
Widerruf wegen Straftat
Während im Falle einer Erkrankung noch ein gewisser Ermessensspielraum besteht, hat der Gesetzgeber diesen bei Straftaten ganz klar verneint („Die Erlaubnis ist zu widerrufen…“). Insofern wäre ja eigentlich alles hierzu bereits gesagt beziehungsweise geschrieben.
Dennoch scheinen sich einige straffällig gewordenen Pflegekräfte auf den Umstand zu besinnen, dass Strafverfahren und Verwaltungsverfahren – auch wenn beide derselbe Sachverhalt zugrunde liegt – grundsätzlich zwei selbstständige Verfahren sind,[2] weshalb der Gang vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit beschritten wird, mit der Absicht, die verlorene Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung wiederherzustellen.
Einmal ist keinmal?
Wer den pflegenden Mensch nur als bloßes Objekt pflegerischer Leistungen behandelt, ihn verbal einschüchtert sogar vorsätzlich körperlich attackiert, verstößt gegen zentrale Berufspflichten in der Pflege.
So geschehen im Fall einer Krankenschwester, die im Juli 2019 wegen einer vorsätzlichen Körperverletzung an einer 84-jährigen Patientin verurteilt worden war. Im anschließenden Verfahren vor dem Verwaltungsgericht stellte dieses fest:
„Auch ein einmaliger schwerwiegender Verstoß gegen Berufspflichten kann den Widerruf zum Führen einer Berufsbezeichnung rechtfertigen.“
Daraus folgt: Wer sich mit dem Argument „Es war doch nur ein einmaliger Vorfall“ zu rechtfertigen versucht, steht somit auf ganz dünnem Eis.
Quelle: VG Braunschweig vom 30. Juni 2020 – 1 A 283/19; nachzulesen in RDG 2020, S. 318
Was heißt „Unzuverlässigkeit“?
Kern vieler derartiger Entscheidungen ist die Klärung der Frage, ob die klagende Pflegekraft in Zukunft zuverlässig ihren Beruf ausüben kann.
Nach herrschender Meinung ist die Unzuverlässigkeit, die auch den Widerruf der Berufsbezeichnung rechtfertigt, zu unterstellen, wenn bestimmte Tatsachen vorliegen, aufgrund dessen der Berufsausübende für eine zukünftige ordnungsgemäße Berufsausübung keine hinreichende Gewähr bieten kann.
Beispiele, in denen die Unzuverlässigkeit der Pflegekraft bejaht wurde, sind:
- Unterlassung beziehungsweise Manipulation erforderlicher Pflegedokumentation,
- Vorenthaltung vorbereiteten Essens,
- Vorenthaltung von Medikamenten,
- Misshandlung von Heimbewohnern,
- Unterschlagung zulasten des Patienten,
- Verletzung des Persönlichkeitsrechts (zum Beispiel durch Veröffentlichung entwürdigender Bilder in den Sozialen Medien).
Quelle: OVG Weimar vom 2. April 2020 – 3 EO 231/19; VG Braunschweig vom 11. Februar 2015 – 1 A 159/14; VG Oldenburg vom 11. September 2019 – 7 B 2431/19; VG Stuttgart vom 19. Juli 2011 – 4 K 766/11; OVG Lüneburg vom 17. Juni 2013 – 8 LA 155/12
Unzuverlässigkeit durch Nichthandeln
Aber auch wer im rechten Moment nicht oder nicht adäquat handelt, insbesondere wenn ein Eingreifen zwingend geboten ist, macht sich unter Umständen strafbar – und riskiert damit seine Erlaubnis zur Führung des Berufstitels.
So geschehen in einem Fall der unterlassenen Hilfeleistung (§ 323c StGB) aus dem Jahr 2018: Hier fanden zwei Pflegekräfte, die in der Nachtschicht in einem Pflege- und Wohnparkhaus tätig waren, gegen halb fünf Uhr morgens einen an Demenz erkrankten Bewohner auf dem Fußboden vor seiner Zimmertür. Dieser war augenscheinlich gestürzt, wobei er sich eine blutende Wunde am Ellenbogen zugezogen hatte und über Schmerzen klagte.
Die beiden Pflegekräfte legten den Bewohner zurück ins Bett und verfassten einen unauffälligen Pflegebericht, da sie „keinen Bock“ auf das Schreiben eines Sturzprotokolls hat.
Quelle: VG Oldenburg vom 11. September 2019 – 7 B 2431/19
Ähnlich verhält es sich, wenn gegen die sogenannte Garantenpflicht nach § 13 Absatz 1 StGB verstoßen wird. 2016 erhielt ein Patient, der sich ohnehin schon in einem kritischen Krankheitszustand befand, versehentlich Medikamente, die für eine Mitpatientin bestimmt waren. Die Medikamente waren geeignet, den Zustand des Patienten zu verschärfen und letztendlich auch lebensbedrohliche Komplikationen herbeizuführen.
Obwohl den involvierten Altenpflegekräfte bekannt und bewusst war, dass bei der vorliegenden Medikamentenverwechslung sofort ein Arzt hätte informiert werden müssen, damit dieser das Risiko einschätzen und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen in die Wege leiten konnte, unterblieb von beiden bewusst eine solche Benachrichtigung.
Der Geschädigte verstarb später; nach den Feststellungen des Strafgerichts erscheint es naheliegend, dass die fehlerhaft verabreichten Medikamente maßgeblich Einfluss auf den Tod des Patienten hatten.
Quelle: VG Regensburg vom 28. Mai 2020 – RN 5 K 19.1911
Patientenunabhängige Straftaten zählen ebenso
Auch strafrechtlich relevante Tatsachen, die sich nicht unmittelbar gegen die zu pflegenden Personen richten, können ausschlaggebend für die Feststellung der Unzuverlässigkeit sein:
- Abrechnungsbetrug (zum Beispiel als Pflegefachkraft und Betreiber eines ambulanten Pflegedienstes),
- Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (Einfuhr von Marihuana, Haschisch),
- Besitz von kinderpornografischen Bildern,
- gewerbsmäßige Urkundenfälschung.
Quelle: VG Freiburg vom 29. Juli 2021 – 10 K 5069/19; VG Gelsenkirchen vom 2. März 2011 – 7 K 1130/10; OVG Lüneburg vom 27. Mai 2009 – 8 ME 62/09; VG München vom 20. Februar 2020 – 21 CS 19.660
Anmerkungen:
- Nach nachweislich erfolgreich verlaufenen Suchttherapie kann jedoch der erneute Antrag auf Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung gestellt werden.
- Vgl. hierzu OVG Weimar vom 2. April 2020 – 3 EO 231/19