Berufstitel Pflegefachfrau
Auch wenn man es nicht wahrha­ben möchte: Unter bestimm­ten Umstän­den droht der Verlust des Berufs­ti­tels. Bild: Aaron Amat/Dreamstime

Nicht jeder Pfleger ist auch ein Kranken­pfle­ger

Grund­sätz­lich kann jede Person, die regel­mä­ßig irgend­wel­che Pflege­tä­tig­kei­ten verrich­tet, sich selbst als „Pfleger“ bezie­hungs­weise „Pflege­rin“ bezeich­nen. Diese Tatsa­che ist begrün­det in den Umstand, dass es sich hierbei um keine geschützte Berufs­be­zeich­nung handelt.

Anders sieht es hinge­gen aus, wenn man sich beispiels­weise als „Alten­pfle­ger“, „Kranken­schwes­ter“ oder neuer­dings auch als „Pflege­fach­mann“ bezie­hungs­weise „Pflege­fach­frau“ ausge­ben möchte.

Berufs­ti­tel gibt es nur mit Erlaub­nis

Denn das Führen einer dieser Berufs­ti­tel setzt das Vorhan­den­sein einer entspre­chen­den staat­li­chen Erlaub­nis voraus, die wieder­rum an das Vorlie­gen ganz bestimm­ter Bedin­gun­gen gekop­pelt ist.

Dieser Erlaub­nis­vor­be­halt ergibt sich aus der für die Berufs­bil­der in der Pflege gülti­gen Ausbil­dungs­ge­setz­ge­bung – also aktuell das Pflege­be­ru­fe­ge­setz (PflBG), früher das Kranken­pfle­ge­ge­setz (KrPflG) sowie das Alten­pfle­ge­ge­setz (AltPflG).

Hierin werden in § 2 PflBG die Voraus­set­zun­gen genannt, die zum Führen des Berufs­ti­tels zwingend vorlie­gen müssen:

Die Erlaub­nis zum Führen der Berufs­be­zeich­nung ist auf Antrag zu ertei­len, wenn die antrag­stel­lende Person

  1. die durch dieses Gesetz vorge­schrie­bene beruf­li­che oder hochschu­li­sche Ausbil­dung absol­viert und die staat­li­che Abschluss­prü­fung bestan­den hat,
  2. sich nicht eines Verhal­tens schul­dig gemacht hat, aus dem sich die Unzuver­läs­sig­keit zur Ausübung des Berufs ergibt,
  3. nicht in gesund­heit­li­cher Hinsicht zur Ausübung des Berufs ungeeig­net ist und
  4. über die für die Ausübung des Berufs erfor­der­li­chen Kennt­nisse der deutschen Sprache verfügt.

Voraus­set­zun­gen für die Ertei­lung der Erlaub­nis, § 2 PflBG

Im frühe­ren Kranken- bezie­hungs­weise Alten­pfle­ge­ge­setz gab es jeweils eine fast gleich­lau­tende Vorschrift (§ 2 AltPflG bezie­hungs­weise § 2 KrPflG).

Wider­ruf der Erlaub­nis zum Führen des Berufs­ti­tels

Wer erfolg­reich eine mindes­tens dreijäh­rige Pflege­aus­bil­dung bezie­hungs­weise ein Pflege­stu­dium durch­lau­fen hat und auch das Vorlie­gen der sonsti­gen Voraus­set­zung nachwei­sen kann (zum Beispiel durch ein Führungs­zeug­nis, ärztli­ches Attest etc.), dem winkt am Ende aller Ausbil­dungs­mü­hen die Ertei­lung der Erlaub­nis zum Führen der designier­ten Berufs­be­zeich­nung.

Hat man erst einmal die begehrte Erlaub­nis­ur­kunde in den Händen, denkt natür­lich niemand daran, dass diese unter ganz bestimm­ten Bedin­gun­gen auch wieder wider­ru­fen werden kann – formu­liert in § 3 Absatz 2 PflBG:

Die Erlaub­nis ist zu wider­ru­fen, wenn nachträg­lich bekannt wird, dass die Voraus­set­zung nach § 2 Nummer 2 nicht erfüllt ist. Die Erlaub­nis kann wider­ru­fen werden, wenn nachträg­lich die Voraus­set­zung nach § 2 Nummer 3 wegge­fal­len ist.

Rücknahme, Wider­ruf und Ruhen der Erlaub­nis, § 3 PflBG (Auszug)

Wider­ruf wegen Krank­heit

Wer im Laufe seines beruf­li­chen Lebens eine gesund­heit­li­che Einschrän­kung erlei­det, muss nicht befürch­ten, dass ihm deshalb umgehend der Verlust der Erlaub­nis zum Führen des Berufs­ti­tels droht.

Denn der Gesetz­ge­ber hat mit der in § 3 Absatz 2 Satz 2 PflBG verwen­de­ten Formu­lie­rung („Die Erlaub­nis kann wider­ru­fen werden…“) ganz bewusst einen Ermes­sens­spiel­raum für die ertei­lende Behörde gesetzt.

So können auch Perso­nen, die beispiels­weise körper­lich nicht mehr in der Lage sind „am Bett“ zu agieren, durch­aus noch Positio­nen in anderen Berei­chen der Pflege beklei­den.

Beispiel: Schizo­af­fek­tive Psychose

Ein guter Grund, die Erlaub­nis zum Führen der Berufs­ti­tels zu wider­ru­fen, ist das Auftre­ten einer schizo­af­fek­ti­ven Psychose gepaart mit religiö­sen Wahnvor­stel­lun­gen.

So gesche­hen bei einer 1964 gebore­nen Kranken­schwes­ter, die seit 1989 in einem Klini­kum arbei­tete.

Hier kam es seit 2011 zu verschie­de­nen Vorfäl­len im Klinik­all­tag, in welchem die Kläge­rin ihre religiö­sen Ansich­ten sowie den ihr drohen­den, baldi­gen Tod gegen­über ihren Kolle­gen äußerte. So sprach sie unter anderem von einem drehen­den Telefon, welches vom Teufel beein­flusst werde und von Plüsch­kat­zen auf ihrem Bett, in welchen sich der Teufel verste­cke.

Quelle: VG Köln vom 28. Juni 2022 – 7 K 289/20

Beispiel: Missbrauch von Drogen, Alkohol und Medika­men­ten

In diesem Fall wider­rief die Aufsichts­be­hörde im Jahre 2003 einer Frau die Erlaub­nis zur Führung des Berufs­ti­tels „Kranken­schwes­ter“, die sie 1994 erwarb.

Zuvor war bekannt gewor­den, dass die Frau an einer Drogen- (Heroin, Canna­bis), Alkohol- und Medika­men­ten­ab­hän­gig­keit litt, was auch durch eine fachpsych­ia­tri­sche Begut­ach­tung bestä­tigt wurde.[1]

Quelle: VG Gelsen­kir­chen vom 7. Dezem­ber 2011 – 7 K 5458/10

Verlust des Berufstitels wegen Körperverletzung
Die Körper­ver­let­zung eines Patienten/eines Bewoh­ner kann zum Verlust des Berufs­ti­tels führen. Bild: Ian Allenden/Dreamstime.com

Wider­ruf wegen Straf­tat

Während im Falle einer Erkran­kung noch ein gewis­ser Ermes­sens­spiel­raum besteht, hat der Gesetz­ge­ber diesen bei Straf­ta­ten ganz klar verneint („Die Erlaub­nis ist zu wider­ru­fen…“). Insofern wäre ja eigent­lich alles hierzu bereits gesagt bezie­hungs­weise geschrie­ben.

Dennoch schei­nen sich einige straf­fäl­lig gewor­de­nen Pflege­kräfte auf den Umstand zu besin­nen, dass Straf­ver­fah­ren und Verwal­tungs­ver­fah­ren – auch wenn beide derselbe Sachver­halt zugrunde liegt – grund­sätz­lich zwei selbst­stän­dige Verfah­ren sind,[2] weshalb der Gang vor der Verwal­tungs­ge­richts­bar­keit beschrit­ten wird, mit der Absicht, die verlo­rene Erlaub­nis zum Führen der Berufs­be­zeich­nung wieder­her­zu­stel­len.

Einmal ist keinmal?

Wer den pflegen­den Mensch nur als bloßes Objekt pflege­ri­scher Leistun­gen behan­delt, ihn verbal einschüch­tert sogar vorsätz­lich körper­lich attackiert, verstößt gegen zentrale Berufs­pflich­ten in der Pflege.

So gesche­hen im Fall einer Kranken­schwes­ter, die im Juli 2019 wegen einer vorsätz­li­chen Körper­ver­let­zung an einer 84-jähri­gen Patien­tin verur­teilt worden war. Im anschlie­ßen­den Verfah­ren vor dem Verwal­tungs­ge­richt stellte dieses fest:

„Auch ein einma­li­ger schwer­wie­gen­der Verstoß gegen Berufs­pflich­ten kann den Wider­ruf zum Führen einer Berufs­be­zeich­nung recht­fer­ti­gen.“

Daraus folgt: Wer sich mit dem Argument „Es war doch nur ein einma­li­ger Vorfall“ zu recht­fer­ti­gen versucht, steht somit auf ganz dünnem Eis.

Quelle: VG Braun­schweig vom 30. Juni 2020 – 1 A 283/19; nachzu­le­sen in RDG 2020, S. 318

Was heißt „Unzuver­läs­sig­keit“?

Kern vieler derar­ti­ger Entschei­dun­gen ist die Klärung der Frage, ob die klagende Pflege­kraft in Zukunft zuver­läs­sig ihren Beruf ausüben kann.

Nach herrschen­der Meinung ist die Unzuver­läs­sig­keit, die auch den Wider­ruf der Berufs­be­zeich­nung recht­fer­tigt, zu unter­stel­len, wenn bestimmte Tatsa­chen vorlie­gen, aufgrund dessen der Berufs­aus­übende für eine zukünf­tige ordnungs­ge­mäße Berufs­aus­übung keine hinrei­chende Gewähr bieten kann.

Beispiele, in denen die Unzuver­läs­sig­keit der Pflege­kraft bejaht wurde, sind:

  • Unter­las­sung bezie­hungs­weise Manipu­la­tion erfor­der­li­cher Pflege­do­ku­men­ta­tion,
  • Vorent­hal­tung vorbe­rei­te­ten Essens,
  • Vorent­hal­tung von Medika­men­ten,
  • Misshand­lung von Heimbe­woh­nern,
  • Unter­schla­gung zulas­ten des Patien­ten,
  • Verlet­zung des Persön­lich­keits­rechts (zum Beispiel durch Veröf­fent­li­chung entwür­di­gen­der Bilder in den Sozia­len Medien).

Quelle: OVG Weimar vom 2. April 2020 – 3 EO 231/19; VG Braun­schweig vom 11. Februar 2015 – 1 A 159/14; VG Olden­burg vom 11. Septem­ber 2019 – 7 B 2431/19; VG Stutt­gart vom 19. Juli 2011 – 4 K 766/11; OVG Lüneburg vom 17. Juni 2013 – 8 LA 155/12

Unzuver­läs­sig­keit durch Nicht­han­deln

Aber auch wer im rechten Moment nicht oder nicht adäquat handelt, insbe­son­dere wenn ein Eingrei­fen zwingend geboten ist, macht sich unter Umstän­den straf­bar – und riskiert damit seine Erlaub­nis zur Führung des Berufs­ti­tels.

So gesche­hen in einem Fall der unter­las­se­nen Hilfe­leis­tung (§ 323c StGB) aus dem Jahr 2018: Hier fanden zwei Pflege­kräfte, die in der Nacht­schicht in einem Pflege- und Wohnpark­haus tätig waren, gegen halb fünf Uhr morgens einen an Demenz erkrank­ten Bewoh­ner auf dem Fußbo­den vor seiner Zimmer­tür. Dieser war augen­schein­lich gestürzt, wobei er sich eine blutende Wunde am Ellen­bo­gen zugezo­gen hatte und über Schmer­zen klagte.

Die beiden Pflege­kräfte legten den Bewoh­ner zurück ins Bett und verfass­ten einen unauf­fäl­li­gen Pflege­be­richt, da sie „keinen Bock“ auf das Schrei­ben eines Sturz­pro­to­kolls hat.

Quelle: VG Olden­burg vom 11. Septem­ber 2019 – 7 B 2431/19

Ähnlich verhält es sich, wenn gegen die sogenannte Garan­ten­pflicht nach § 13 Absatz 1 StGB versto­ßen wird. 2016 erhielt ein Patient, der sich ohnehin schon in einem kriti­schen Krank­heits­zu­stand befand, verse­hent­lich Medika­mente, die für eine Mitpa­ti­en­tin bestimmt waren. Die Medika­mente waren geeig­net, den Zustand des Patien­ten zu verschär­fen und letzt­end­lich auch lebens­be­droh­li­che Kompli­ka­tio­nen herbei­zu­füh­ren.

Obwohl den invol­vier­ten Alten­pfle­ge­kräfte bekannt und bewusst war, dass bei der vorlie­gen­den Medika­men­ten­ver­wechs­lung sofort ein Arzt hätte infor­miert werden müssen, damit dieser das Risiko einschät­zen und gegebe­nen­falls Gegen­maß­nah­men in die Wege leiten konnte, unter­blieb von beiden bewusst eine solche Benach­rich­ti­gung.

Der Geschä­digte verstarb später; nach den Feststel­lun­gen des Straf­ge­richts erscheint es nahelie­gend, dass die fehler­haft verab­reich­ten Medika­mente maßgeb­lich Einfluss auf den Tod des Patien­ten hatten.

Quelle: VG Regens­burg vom 28. Mai 2020 – RN 5 K 19.1911

Patien­ten­un­ab­hän­gige Straf­ta­ten zählen ebenso

Auch straf­recht­lich relevante Tatsa­chen, die sich nicht unmit­tel­bar gegen die zu pflegen­den Perso­nen richten, können ausschlag­ge­bend für die Feststel­lung der Unzuver­läs­sig­keit sein:

  • Abrech­nungs­be­trug (zum Beispiel als Pflege­fach­kraft und Betrei­ber eines ambulan­ten Pflege­diens­tes),
  • Verstoß gegen das Betäu­bungs­mit­tel­ge­setz (Einfuhr von Marihuana, Haschisch),
  • Besitz von kinder­por­no­gra­fi­schen Bildern,
  • gewerbs­mä­ßige Urkun­den­fäl­schung.

Quelle: VG Freiburg vom 29. Juli 2021 – 10 K 5069/19; VG Gelsen­kir­chen vom 2. März 2011 – 7 K 1130/10; OVG Lüneburg vom 27. Mai 2009 – 8 ME 62/09; VG München vom 20. Februar 2020 – 21 CS 19.660

Anmer­kun­gen:

  1. Nach nachweis­lich erfolg­reich verlau­fe­nen Sucht­the­ra­pie kann jedoch der erneute Antrag auf Ertei­lung der Erlaub­nis zum Führen der Berufs­be­zeich­nung gestellt werden.
  2. Vgl. hierzu OVG Weimar vom 2. April 2020 – 3 EO 231/19