Vorsorgevollmacht: Eine Schatzkiste?
Vorsor­ge­voll­macht: Ein Freibrief zum Plündern des elter­li­chen Vermö­gens? Bild: Fernando Gregory/Dreamstime.com

Trotz wenig Kontakt zum Vater: Tochter erhält Vorsor­ge­voll­macht

Das spätere Opfer war 88 Jahre alt und litt an mehre­ren schwe­ren Erkran­kun­gen: So unter anderem an Diabe­tes melli­tus Typ II, einer Fettle­ber, einer Herzpro­ble­ma­tik sowie einem Lenden­wir­bel­säu­len­syn­drom-Syndrom. Die (zweite) Ehefrau des Mannes war bereits verstor­ben.

Die angeklagte Tochter hatte allen­falls spora­di­schen Kontakt zu ihrem Vater. Die Gründe dafür waren zum einen die räumli­che Entfer­nung zum Eltern­haus und zu anderen wollte die damalige Ehefrau des Vaters zu ihren Lebzei­ten keinen Kontakt zur Tochter ihres Mannes.

Nach Streit in der Familie wurde die Tätig­keit eines Pflege­diens­tes für den Vater gekün­digt. Hier hatte sich die angeklagte Tochter durch­ge­setzt. Sie trat bestim­mend und herrisch auf und wollte ihre Vorstel­lun­gen durch­brin­gen.

Zu jener Zeit bestand noch eine Vorsor­ge­voll­macht zuguns­ten eines Sohnes. Diese wurde auf Drängen der Angeklag­ten wider­ru­fen. Sie erlangte darauf­hin eine Vorsor­ge­voll­macht sowie eine Patien­ten­ver­fü­gung vom Vater. Später erhielt sie sogar eine General­voll­macht des Vaters sowie eine Vollmacht für seine Bankkon­ten.

Das Vermö­gen des Vaters betrug circa 735.000 Euro. Mit Zustim­mung des Vaters ließ sich die Tochter eine Vorraus­erb­schaft in Höhe von 20.000 Euro auszah­len. Diesen Betrag hatte sie anschlie­ßend auch an die Geschwis­ter überwie­sen. Es folgten weitere Überwei­sun­gen an alle Geschwis­ter in Höhe von jeweils 92.875,33 Euro.

Kosten für Pflege­dienst waren der Tochter zu hoch

Nach einer Oberschen­kel­hals­frak­tur musste der Vater statio­när behan­delt werden. Nachdem er wieder zu Hause angekom­men war, engagierte die Tochter einen neuen Pflege­dienst. Aller­dings nur für kurze Zeit, da der angeklag­ten Tochter die Kosten dafür zu hoch erschie­nen.

Danach kümmer­ten sich wechselnde Pflegerinnen/Haushaltshilfen um hauswirt­schaft­li­che Tätig­kei­ten.

Die Vorbe­rei­tung der Medika­mente übernahm die Angeklagte selbst. Jegli­che Einmi­schung hatte sie sich verbe­ten. Der gesund­heit­li­che Zustand des Vaters verschlech­terte sich nach dem Kranken­haus­auf­ent­halt deutlich.

Wie sich später heraus­stellte, verab­reichte die Tochter ihrem Vater in regel­mä­ßi­gen Abstän­den sedie­rende Arznei­mit­tel wie Morphin, Diaze­pam, Melpreon sowie Diphen­hy­d­ra­min. Teilweise ließ sie die Mittel auch über die ahnungs­lo­sen Haushalts­hil­fen verab­rei­chen.

Lebens­be­droh­li­che Kombi­na­tion an Arznei­mit­tel verab­reicht

In keinem Einzel­fall hat die Dosis eine thera­peu­ti­sche Menge überschrit­ten. Die Arznei­mit­tel wurden nicht ärztlich verord­nen und können in Kombi­na­tion einen lebens­be­droh­li­chen Zustand herbei­füh­ren. Das hat die Angeklagte wohl billi­gend in Kauf genom­men.

Sie vertraute darauf, dass der Tod ihres Vaters dadurch nicht eintre­ten würde, weil sie die Dosie­run­gen nicht zu hoch wählte. Neben den genann­ten Medika­men­ten hat sie weitere zentral­dämp­fende Arznei­mit­tel verab­reicht. Eine Urinprobe des Opfers ergab später einen Wert für Benzo­dia­ze­pine von über 1.000 ng/ml und an Opiaten von über 1.500 ng/ml.

Der nichts­ah­nende Vater erlitt durch die Medika­mente eine deutli­che Verän­de­rung in seinem Wohlbe­fin­den in Form einer Sedie­rung sowie einer nächt­li­chen Antriebs­stei­ge­rung und weiter­ge­hen­den Zerstö­rung seines Tag-Nacht-Rhyth­mus. Infolge der Medika­tion stellte sich bei ihm schließ­lich eine starke Benom­men­heit mit abnor­mer Schläf­rig­keit ein, die behand­lungs­be­dürf­tig war. Es bestand zumin­dest eine abstrakte Lebens­ge­fahr.

Der Zustand des Vaters erreichte einen Punkt, an dem er nicht mehr reden oder antwor­ten konnte und nur noch Laute von sich gab. Schließ­lich stürzte er mit dem Kopf gegen einen Heizkör­per und erlitt eine Platz­wunde, die genäht werden musste.

Täterin beschul­digt eigene Schwes­ter

Darauf­hin äußerte die Angeklagte einen Vergif­tungs­ver­dacht gegen ihre Schwes­ter, die angeb­lich an das Erbe wolle. Zu diesem Zeitpunkt lag das bereits erwähnt Ergeb­nis der Urinun­ter­su­chung noch nicht vor. Erst im Zuge weite­rer Klinik­auf­ent­halte gab es den Befund.

Während der ganzen Zeit befand sich der Vater in desola­tem Zustand – nicht ansprech­bar und lautie­rend. Nach erneu­tem Kranken­haus­auf­ent­halt starb der Mann schließ­lich, wobei eine patho­lo­gi­sche Todes­ur­sa­che nicht sicher festge­stellt werden konnte. Die Tochter mit der Vorsor­ge­voll­macht wurde schließ­lich von der Staats­an­walt­schaft Traun­stein wegen Mordes angeklagt. Die Angeklagte gab, an nichts getan zu haben und beantragte Freispruch.

Kein Tötungs­vor­satz zu erken­nen

Für einen Tötungs­vor­satz spricht, dass die Angeklagte mittels der Verab­rei­chung verschie­de­ner sedie­ren­der Medika­mente dem Vater einer äußerst risiko­be­haf­tete Mischung verab­reichte. Selbst für Medizi­ner sind die konkre­ten Auswir­kun­gen der zu befürch­ten­den Wechsel­wir­kun­gen nicht überschau­bar.

Aufgrund der ebenfalls gegebe­nen Fixie­rung der Angeklag­ten auf Geld wäre durch einen schnel­len Tod des Vaters das Vermö­gen frühzei­tig und in ungehin­der­ter Höhe verfüg­bar gewesen. Darüber hinaus wollte die Angeklagte auch ihre eigene Schwes­ter verdäch­ti­gen und schlecht machen.

Entschei­dend gegen einen Tötungs­vor­satz spricht jedoch, dass die Angeklagte über einen langen Zeitraum hinweg konstante Dosen der jewei­li­gen Medika­mente verab­reichte. Die Mengen lagen hierbei jeden­falls nicht über dem thera­peu­ti­schen Bereich.

Einige Zeit vor seinem Tod hat sie die Dosen reduziert. Außer­dem hatte sie bereits jede Vollmacht – wie die Vorsor­ge­voll­macht, die General­voll­macht und die Konto­voll­macht – erlangt, um auch so an das Vermö­gen ihres Vaters zu verfü­gen.

Das Opfer hatte zunächst die fehler­hafte Gabe der Medika­mente überlebt und verstarb später wegen unkla­rer Ursachen. Aus diesem Grund konnte sich die Kammer nicht von einem Tötungs­vor­satz überzeu­gen.

Die Tochter wurde schließ­lich wegen gefähr­li­cher Körper­ver­let­zung nach §§ 223 Absatz 1, 224 Absatz 1 Nummer 1 und Nummer 5 StGB schul­dig gespro­chen. Das Urteil sieht eine Freiheits­strafe von vier Jahren und sechs Monaten vor. Die Entschei­dung ist rechts­kräf­tig.

Quelle: LG Traun­stein vom 27. März 2023 – 5 Ks 402 Js 37870/21