
Wenn die Prüfung des Medizinischen Diensts (MD) in der Einrichtung einmal läuft und das Team darauf nicht vorbereitet ist, ist es zu spät. Doch funktioniert der Austausch innerhalb des Hauses und versteht es das Team, die Bedürfnisse der Betreuten und Angehörigen zu erkennen, lässt sich der Prüfung gelassen entgegensehen.
Das demonstrierte Judith Ebel, gelernte Kinderkrankenschwester und studierte Pflegepädagogin am abschließenden Programmtag der Winterakademie 2025 im Hotel Corallium Dunamar auf Gran Canaria bei ihrem Referat „Das Fachgespräch – Ausdruck pflegerischer Professionalität“ mit einem Video anhand des Fallbeispiels der 80-jährigen Heimbewohnerin Frau Oswald: Sie ist im Zimmer auf einen Rollstuhl angewiesen und braucht beim Laufen Unterstützung, da sie immer wieder Angst hat zu stürzen. Und sie liebt es, an der frischen Luft zu sein; nicht immer reicht jedoch die Zeit, um sie nach draußen zu begleiten.
Wie könnte ein Pflegefachgespräch ablaufen?
Wie könnte ein Pflegefachgespräch mit einem MD-Gutachter schlimmstenfalls laufen, und wie geht es besser? Im 1. Fall stolpert Pfleger Daniel unvorbereitet ins Gespräch – er weiß über den Zustand von Frau Oswald nur unzureichend Bescheid; jede Nachfrage des Gutachters macht es noch schlimmer, schließlich will jener die Pflegedokumentation einsehen. Im 2. Beispiel ist er über die Leitfragen einer medizinischen Prüfung im Bilde; gegenüber dem Prüfer kann er sogar mit einem Mobilisierungskonzept aufwarten und den Zustandsverlauf der Bewohnerin detailgenau schildern.
„Wir können dem MDK den Wind aus den Segeln nehmen, wenn wir sagen, wir kennen den Patienten und wir fachlich sagen können, welche Pflege er braucht und wo dessen Bedürfnisse sind. Wenn wir das selbstbewusst darlegen können, habe ich ein ganz anderes Standing“, merkte Ebel an, die 2016 die Quiz-App „SuperNurse“ zur spielerischen Aneignung von Pflegewissen gegründet hat sowie Vorstandsvorsitzende und Gründungsmitglied des Vereins Care for Innovation ist. „Auch unsere Körperhaltung spielt eine Rolle. Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Krone auf dem Kopf und müssen aufrecht laufen, damit sie nicht herunterfällt.“
Der MD-Prüfungskatalog umfasst 54 Leitfragen
Insgesamt 54 unterschiedlichste Leitfragen aus 6 Qualitätsbereichen (Mobilität und Selbstversorgung, Unterstützung bei der Bewältigung von krankheits- und therapiebedingten Anforderungen und Belastungen, Gestaltung des Alltagslebens und der sozialen Kontakte, Unterstützung in besonderen Bedarfs- und Versorgungsituationen, bedarfsübergreifende fachliche Anforderungen, Einrichtungsinterne Organisation und Qualitätsmanagement) können bei einer Prüfung relevant werden.
Etwa, ob die Unterstützung bei der Medikamenteneinnahme der ärztlichen Anordnung entspricht, ob die versorgte Person auf Wunsch Unterstützung für Aufenthalte im Freien erhält, der oder die Pflegebedürftige Hilfe und Begleitung in der Tagesstrukturierung bekommt, oder biografische Aspekte, Vorlieben und Hobbys der Person bekannt sind. „Das System hat nicht nur etwas Schlechtes, sondern einige Bereiche sind dadurch in den Einrichtungen bewusst geworden“, ist Ebel überzeugt. „Wir brauchen personelle, soziale, kommunikative und fachliche Kompetenz. Und eine personenzentrierte 360-Grad-Haltung anhand der Six Senses. Und Zeit für Bewohner, An- und Zugehörige sowie interdisziplinären Austausch.“
„Six Senses“ stellen psychologische Grundbedürfnisse dar
Die „Six Senses“ stellen dabei die psychologischen Grundbedürfnisse eines jeden Menschen dar: Kontinuität, also eine Verbindung und Anknüpfpunkte im Leben zu haben; das Gefühl der Zugehörigkeit und Einbezogenheit, das Bedürfnis eines sinnvollen Tuns, mit festen Zielen, die man anstrebt; Erfolg (seinen Zielen näher kommen); Wertschätzung; sowie Sicherheit. „Oft erfüllt eine Sache, der man sich widmet, mehrere Bedürfnisse gleichzeitig. Wird aber das gerade vorherrschende Hauptbedürfnis verletzt, sind die erfüllten Senses nicht mehr so für einen sichtbar“, merkte eine Teilnehmerin an. In einer Gruppenarbeit stellte die Runde im Saal heraus, was die Hauptbedürfnisse einer pflegebedürftigen Person sind, welche die von Angehörigen, sowie von Ärzten und Therapeuten.
Der entscheidende Punkt, um eine adäquate Pflege zu gewährleisten, sind regelmäßige Pflegefachgespräche zwischen den Teammitgliedern – um den Austausch zu sichern und alle Mitpflegenden auf dem gleichen Informationsstand zu halten. Dabei spielen eine nachvollziehbare Beschreibung von Beeinträchtigungen und der daraus resultierende Bedarf, eine plausible Beschreibung von Verläufen bei der pflegebedürtigen Person eine Rolle. Es gilt, die Versorgung des Pflegebedürftigen in jedem Moment schlüssig darstellen, und vorübergehende Abweichungen begründen zu können. Die investierte Zeit lohne sich, ist Ebel fest überzeugt – im Interesse der zu Pflegenden und Angehörigen, jedoch auch der Ärzte, Pflegekräfte und Therapeuten. Dies zu verbessern, war für sie schließlich auch der Grund, warum sie sich auf Pflegepädagogik und Einrichtungs-Beratung spezialisiert hat: „Ich will die Pflege voranbringen, zur Entwicklung beigetragen haben.“