Verschwunden ist es immer noch nicht, nein, es ist nach wie vor präsent. In Deutschland gelten kaum noch Pandemie-Maßnahmen. Doch in China gibt es anscheinend ein Umdenken:
Weg von der Null-Covid-Politik – schließlich sollen sich allein in den ersten drei Dezemberwochen 2022 fast 250 Millionen Chinesen mit Corona infiziert haben. Schuld daran ist vor allem die dominierende Omikron-Variante BF.7.
Die Virologen Christian Drosten und Hendrik Streeck hatten jedoch schon eine Entwarnung ausgesprochen. Sinngemäß würde die in China aufgekommene Variante BF.7 für Deutschland keine allzu große Bedrohung darstellen. Vorsicht sei dennoch geboten. Wie aber passt es da, dass Streeck für das Ende der bundesweiten Corona-Maßnahmen plädiert?
Virologe Hendrik Streeck sieht Coronapandemie „aus virologischer Sicht“ beendet
Streecks Kollege Drosten hatte gegenüber dem Tagesspiegel bereits das Ende der Coronapandemie verkündet. Rein „aus virologischer Sicht“ könne Streeck ihm recht geben. Doch gibt er im Gespräch mit Focus Online auch zu bedenken, dass das Ende einer Pandemie letztlich auch eine Entscheidung der Politik und Gesellschaft sei. In Bezug auf Corona spricht der Virologe von einem Virus, das heimisch geworden sei.
Da in Deutschland jedoch eine hohe Grundimmunität vorliege, mache das Coronavirus „nicht mehr so schwer krank wie zu Beginn der Pandemie“. Man müsse sich aber daran gewöhnen, dass es im Herbst und Winter immer wieder entsprechende Infektionswellen geben werde.
Während die Coronaviren im Frühjahr abfallen würden, gebe es ihren Anstieg nun mal im Herbst und Winter. „Das ist die klassische Husten- und Schnupfenzeit, das kennen wir alle“, erklärt Streeck.
Streeck gegen „Sonderstellung“ von Corona
Der Virologe verweist auch auf andere Erreger, beispielsweise Influenzaviren oder RSV (RS-Virus), die derzeit „viel stärker durchkommen“. Dementsprechend gebe es für Streeck auch keinen Grund mehr, „Corona prinzipiell eine Sonderstellung zu geben“. Vielmehr müsse es darum gehen, „langsam, aber stetig eine Angleichung an die anderen Erreger“ zu wagen.
Darauf angesprochen, dass es gegen heimische Coronaviren noch keine Impfung gibt, ist Streeck der Meinung, „dass die Stiko (Ständige Impfkommission) zum Herbst und Winter immer wieder den Über-60-Jährigen eine Auffrischungsimpfung empfiehlt. Ähnlich der Grippe-Impfung.“ Ansonsten könne man nur abwarten.
Geltende Corona-Maßnahmen „nicht zielführend“
Nach wie vor als Politikum entpuppen sich die noch gültigen Corona-Regeln in der Bundesrepublik. Das „eigentliche Problem“ sieht Streeck aber im „akut reformbedürftigen Gesundheitssystem, in dem es vor allem an qualifizierten Fachkräften mangelt“.
Eine Aussage, die der Virologe vor dem Hintergrund der überlasteten Kliniken trifft. Nichtsdestotrotz ist Streeck auch folgender Ansicht: „Dennoch macht es Sinn, mehr über Gebote zu sprechen als über Pflichten. Wir müssen in meinen Augen den Umgang mit dem Coronavirus angleichen, mit dem zu anderen Coronaviren, anderen Erregern.“
Grundsätzlich müsse die Frage gestellt werden, inwiefern die noch geltenden Corona-Maßnahmen das Infektionsgeschehen überhaupt noch beeinflussen können. Die Maskenpflicht im Fernverkehr sei für den Virologen „nicht zielführend“.
Schließlich seien hier nie große Infektionsherde festgestellt worden. Anders würde es sich mit Bars oder Restaurants verhalten, wo aber keine Einschränkungen mehr gelten. Dementsprechend kann Streeck die Maskenpflicht im Fernverkehr nur als „Augenwischerei“ bezeichnen.
Isolationsgebot statt Isolationspflicht
Statt der Isolationspflicht plädiert der Virologe für ein Isolationsgebot. Für Streeck sei es nämlich nicht verständlich, „warum wir hier so einen großen Unterschied zu anderen Erregern machen, wie etwa der Grippe“. Schließlich würde es auch schon Bundesländer geben, welche die Isolationspflicht aufgehoben haben. Und dort sehe man keinen Anstieg an Krankheitsfällen.
Keinen Zweifel will Streeck daran aufkommen lassen, dass die Menschen in Krankenhäusern und in Alten- oder Pflegeheimen „eine besonders zu schützende Bevölkerungsgruppe“ sind. Doch hätte all diese Häuser ihre Experten vor Ort. Diese wüssten genau, wie Patienten oder Bewohner am besten geschützt werden.
Streecks ausdrücklicher Wunsch lautet: „Statt einer bundes- oder landesweiten Regelung sollten die Häuser deshalb ihre eigenen Regeln erstellen – wie sie es auch für andere Erreger machen“.
Stringente Linie im Umgang mit der Coronapandemie
Von der Politik wünscht sich Streeck in Bezug auf den Umgang mit der Coronapandemie eine „stringente Linie“. Laut dem Virologen würde „eine verständliche, absehbare Linie wesentlich dazu beitragen […], die Thematik insgesamt souveräner zu managen“.
Doch könne man auch aus der Pandemie lernen. Schließlich hätte sie gezeigt, „dass wir anfällig sind für einfache, polarisierende Meinungen“.
Man müsse aufhören, in Lagern zu denken und Menschen mit anderer Meinung als Gegner einzustufen. Als „gesellschaftliches Gift“ sollte Corona nach Streeck nämlich nicht in Erinnerung bleiben.
Vielmehr sollte Corona als „Katalysator“ benutzt werden, „um den Debattenraum in Deutschland zu verändern und den Umgang zwischen Gesellschaft, Wissenschaft und Politik wieder mehr in die Fugen zu bringen“.
Quellen: Focus, BMG