Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) dient dem Zweck, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung zu gewährleisten. Die hierin enthaltenen Schutzbestimmungen sollten jedem Arbeitgeber geläufig sein, vor allem schon deshalb, da von diesen nicht abgewichen werden darf. Eine Ausnahme hiervon stellen nur Notfallsituationen dar, in denen eine Aufhebung dieser Vorgaben unausweichlich erscheint (vgl. § 14 ArbZG).
Verstößt ein Arbeitgeber jedoch bereits unter ganz normalen betrieblichen Umständen im Zuge der Dienstplanerstellung gegen arbeitszeitrechtliche Normen, so wird er einer möglichen Klage nichts entgegensetzen können, wie ein Fallbeispiel aus dem Jahr 2013 zeigt.
Gewebeaufsicht deckt mehrfache Verstöße gegen Arbeits- und Ruhezeiten auf
Ende März 2011 führte das Gewerbeaufsichtsamt eine Besichtigung in dem von der Einrichtungsbetreiberin betriebenen Seniorenheim durch. In diesem Rahmen ließ sich das Gewerbeaufsichtsamt von der Heimleitung auch die Dienstpläne vorlegen. Dabei fielen den Prüfern des Gewerbeaufsichtsamts gleich mehrere Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz ins Auge:
- So wurden unzulässige Wechsel von Spät- auf Frühschichten sowie Dienstverschiebungen festgestellt. Dadurch war es regelmäßig nicht (mehr) möglich, die vorgeschriebene Ruhezeit von zehn Stunden zwischen den Diensten einzuhalten.
- Darüber hinaus wurden die eigentlichen Dienstzeiten häufig noch um sogenannte Teildienste ergänzt. Dies führte dazu, dass die tägliche Höchstarbeitszeit von zehn Stunden in mehreren Fällen in erheblichen Maße überschritten wurde.
- Des Weiteren fehlte es an einer Ausweisung der Pausenzeiten.
- Ferner zeigten die vorgelegten Dienspläne die tatsächlichen Arbeitseinsätze der Mitarbeiter nicht auf. Auf Nachfrage konnten keine personenbezogenen Aufzeichnungen über geleistete Arbeitszeiten vorgelegt werden.
Von Einsicht keine Spur
Um die Abstellung der erkannten Mängel einzuleiten, stellte das Gewerbeaufsichtsamt Anfang April 2011 einen Bescheid an die Einrichtungsbetreiberin aus. In diesem wurden Anordnungen bezüglich der täglichen Höchstarbeitszeit und der vorzunehmenden Arbeitsschutzmaßnahmen verfügt.
Als Reaktion auf diese Anordnung zog die Einrichtungsbetreiberin vor das Verwaltungsgericht (VG) Augsburg. Mit seiner Klage begehrte sie die Aufhebung bzw. Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung. Das Verfahren wurde nach Zurücknahme des Bescheides und durch die Abgabe von übereinstimmenden Erledigungserklärungen durch Gerichtsbeschluss eingestellt (Az.: Au 5 K 11.652).
Im Mai 2011 folgte ein weiterer Bescheid des Gewerbeaufsichtsamts. Dieser enthielt eine Verpflichtung der Einrichtungsbetreiberin, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern in ihrem Heim, die nicht unter die Ausnahmetatbestände des § 18 ArbZG fallen (zum Beispiel leitende Angstellte, Jugendliche), arbeitszeitrechtliche Anforderungen hinsichtlich der
- zulässigen Höchstarbeitszeit,
- der Ruhezeit,
- der Arbeitsaufzeichnungen
- und der damit einhergehenden Aufbewahrungsfrist von wenigstens zwei Jahren
eingehalten werden. Wie schon gegen den ersten Bescheid zog die Einrichtungsbetreiberin auch hier wieder mit einem Klageverfahren vor das VG Augsburg (Az.: Au 5 K 11.783). Sie hält den Bescheid für zu unbestimmt und materiell unrichtig, so dass er unwirksam und aufzuheben sei. Des Weiteren habe das Gewerbeaufsichtsamt die Ausnahmevorschrift des § 14 ArbZG nicht berücksichtigt und geprüft.
Anordnungen rechtmäßig
Die Verwaltungsrichter wiesen die Klage jedoch als unbegründet zurück. Sie stellten fest, dass der Bescheid vollumfänglich rechtsgültig sei und gegen die Anordnungen keine rechtlichen Zweifel bestünden. Denn nach § 17 Absatz 2 ArbZG kann die Aufsichtbehörde die erforderlichen Maßnahmen zur Erfüllung der arbeitszeitgesetzlichen Pflichten durch den Arbeitnehmer anordnen.
Soweit es sich bei den Anordnungen hinsichtlich der Einhaltung der Höchstarbeits- und Ruhezeiten nur um bloße Gesetezswiederholungen des § 3 Satz 2 und § 5 Absatz 2 ArbZG handelt, ist dies rechtlich unbedenklich. Gesetzeswiederholende Verfügungen sind nicht per se rechtswidrig. Für den Beklagten besteht hinreichend begründeter Anlass, die Einhaltung der gesetzlichen Arbeitszeiten aus den genannten Paragrafen zu verordnen.
Ebenfalls rechtlich unbedenklich sei die Pflicht zur Aufzeichnung der täglichen Arbeits- und Ruhepausenzeiten sowie deren Aufbewahrung über mindestens zwei Jahre. Auch sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 17 Absatz 2 ArbZG.
Regelmäßige Überstunden stellen keine Ausnahmesituation dar
Auch die von der Einrichtungsbetreiberin ins Feld geführte Vorschrift des § 14 ArbZG ist nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der im Bescheid getroffenen Anordnungen infrage zu stellen. Nach dieser Vorschrift darf bei vorübergehenden Arbeiten in Notfällen und außergewöhnlichen Situationen, die unabhängig vom Willen des Betroffenen eintreten und deren Folgen nicht anderweitig zu beseitigen sind, von den §§ 3 bis 5, 6 Absatz 2, 7, 9 und 11 ArbZG abgewichen werden (vgl. § 14 Absatz 1 ArbZG).
Im vorliegenden Fall ergab eine Zeugenbefragung, dass Wohnbereichsleiter häufig zwischen zwölf und vierzehn Stunden am Tag gearbeitet hätten. Grund hierfür sei der Fachkräftemangel, durch welchen die Personalabdeckung durchgehend unzureichend gewesen sei. Hierdurch kam es kam regelmäßig zu Überschreitungen der Arbeits- und zu Nichteinhaltungen der Ruhezeiten des Fachpersonals. Somit entsprach es dem Regelfall, Überstunden zu leisten. Des Weiteren seien ursprüngliche Dienstpläne mit Überstundenvermerk verloren gegangen. Oder es wurden Dienstpläne nachträglich zugunsten der Einrichtungsbetreiberin abgeändert.
Im Falle der Einrichtungsbetreiberin handelte es sich um arbeitszeitrechtliche Verstöße über einen längeren Zeitraum. § 14 ArbZG dient jedoch als gesetzliches Korrektiv bei Abweichungen im Einzelfall und nicht wie hier dazu, längerfristig gesetzliche Regelungen außer Kraft zu setzen. Die Klage war insofern abzuweisen.
Quelle: VG Augsburg vom 18. April 2013 – Au 5 K 11.783 = RDG 2020, Heft 5, Urteilskartei.