Pflegeheim
Track­ing – einmal etwas abstrakt darge­stellt… Bild: Desirée Gorges

An einem Wochen­den im Juli 2024 sorgte ein 90-jähri­ger Pflege­heim­be­woh­ner im thürin­gi­schen Apolda für Polizei­ein­sätze der unfrei­wil­li­gen Art: Pflege­kräfte hatten den Mann als vermisst gemel­det, nachdem er von einer Veran­stal­tung in einer Kirche nicht zum verein­bar­ten Zeitpunkt um 20:30 Uhr in die Einrich­tung zurück­ge­kehrt war.

Darauf­hin suchten sechs Strei­fen­wa­gen in der Umgebung der Kirche und an weite­ren bekann­ten Anlauf­stel­len nach dem Senior – ohne Erfolg.

Als gegen 3:15 Uhr plötz­lich die Glocken der Kirche zu läuten began­nen, witterte der dienst­ha­bende Schicht­lei­ter der Polizei­in­spek­tion Apolda ein überprü­fungs­wür­di­ges Vorge­hen.

Er schickte Beamte zu der Kirche, die schließ­lich den vermiss­ten Senior hinter verschlos­se­nen Türen identi­fi­zier­ten und vom Pfarrer befreien ließen.

Wie sich heraus­stellte, war der hochbe­tagte Mann nach der Veran­stal­tung verse­hent­lich in der Kirche einge­schlos­sen worden. Die Bedie­nung des Kirchen­ge­läuts, mit dem er letzt­end­lich auf sich aufmerk­sam machen konnte, hatte er erst nach länge­rer Zeit gefun­den.

Techni­sche Hilfs­mit­tel zur Ortung

Der Vorfall ist sicher­lich kein typisches Beispiel für das Verschwin­den pflege­be­dürf­ti­ger Senio­rin­nen und Senio­ren aus Pflege­ein­rich­tun­gen oder häusli­cher Umgebung. Der Mann aus Apolda ist körper­lich zwar einge­schränkt, gilt ansons­ten aber als „äußerst zuver­läs­sig und orien­tiert“.

Und er wusste sich augen­schein­lich zu helfen – wobei sein notge­drun­gen verwen­de­tes „Hilfs­mit­tel“, die Kirchen­glo­cken, wohl eher medien­wirk­sam als realis­tisch angese­hen werden dürfte.

An realis­ti­schen Hilfs­mit­teln für solche Fälle fehlt es in Zeiten des rasan­ten Technik­fort­schritts aber keines­wegs. Mit einem GPS-Tracker, zum Beispiel in einer Uhr, als Armband oder Anhän­ger, hätte die Vermiss­ten­mel­dung und Suchak­tion der Polizei mögli­cher­weise verhin­dert oder abgekürzt werden können – zumin­dest theore­tisch.

Praktisch schwebt diese Möglich­keit zwischen Persön­lich­keits­recht, Freiheit, Sicher­heit und Daten­schutz.

Suchak­tion statt Track­ing

Wenn pflege­be­dürf­tige, ältere Menschen verschwin­den, steckt dahin­ter nicht selten eine Demenz­er­kran­kung, die sich in gestei­ger­tem Bewegungs­drang, Hinlauf- bzw. Weglauf-Tendenz und Orien­tie­rungs­lo­sig­keit äußert. Das kann die Betrof­fe­nen in lebens­ge­fähr­li­che Situa­tio­nen bringen und stellt Pflege­kräfte und Angehö­rige vor große Heraus­for­de­run­gen und Sorgen.

Entspre­chende Suchak­tio­nen, wie sie einem NDR-Bericht zufolge zum Beispiel eine Suchhun­de­staf­fel des THW rund um Hanno­ver bis zu dreimal pro Woche durch­führt, vermit­teln eine vage Vorstel­lung davon, wie häufig das Problem auftritt.

Ein mehrtä­gi­ges Aufge­bot von Polizei, Feuer­wehr und Freiwil­li­gen zur Suche einer demen­ten 84-jähri­gen Frau nahe Hamburg im letzten Jahr zeigt die Größen­ord­nung in einem anderen Verhält­nis.

Track­ing im Pflege­heim: Recht einfach, aber kompli­ziert

Vor diesem Hinter­grund mag es einer­seits erstau­nen, dass es noch keine pauschale Erlaub­nis für den Einsatz von GPS-Trackern gibt, um eine pflege­be­dürf­tige Person im Auge behal­ten zu können. Anderer­seits gibt es aber auch keine pauscha­len Lösun­gen für den richti­gen Umgang mit pflege­be­dürf­ti­gen Menschen, die weglau­fen oder verlo­ren gehen – dieser gestal­tet sich indivi­du­ell von Fall zu Fall unter­schied­lich.

So erstreckt sich der Spagat zwischen Freiheit und Sicher­heit bieten­den Hilfs­mit­teln in mehrere Richtun­gen. Aus Sicht einer Pflege­ein­rich­tung und je nach Schwere der Erkran­kung kann ein kleines Ortungs­ge­rät betrof­fe­nen Bewoh­nern Freiheit und gleich­zei­tig Sicher­heit bieten und den Erhalt der Selbstän­dig­keit fördern.

Da das Track­ing von Perso­nen aber das Recht auf infor­ma­tio­nelle Selbst­be­stim­mung und den Daten­schutz berührt, muss eine zu trackende oder bevoll­mäch­tigte Person ihr Einver­ständ­nis geben. Falls dies nicht möglich ist, führt der Weg zu einer Track­ing-Erlaub­nis für eine pflege­be­dürf­tige Person gegebe­nen­falls über das Betreu­ungs­ge­richt.

FAQ

Was geschah in Apolda?

Ein 90-jähri­ger Pflege­heim­be­woh­ner wurde verse­hent­lich in einer Kirche einge­schlos­sen. Eine Suchak­tion der Polizei infolge einer Vermiss­ten­mel­dung blieb zunächst erfolg­los. Der Mann machte die Polizei später mit Glocken­ge­läut auf sich aufmerk­sam und wurde befreit.

Was spricht für das Track­ing von pflege­be­dürf­ti­gen Perso­nen?

Je nach Art und Schwere der Pflege­be­dürf­tig­keit und Erkran­kung können Ortungs­ge­räte, zum Beispiel in Anhän­gern, Uhren oder Armbän­dern, den Erhalt der Selbst­stän­dig­keit fördern. Sie können Freiheit und gleich­zei­tig Sicher­heit bieten, da schnell nachvoll­zo­gen werden kann, wo sich eine Person aufhält.

Was spricht gegen das Track­ing?

Nichts, solange das Recht auf infor­ma­tio­nelle Selbst­be­stim­mung und der Daten­schutz gewahrt werden und die zu trackende Person bzw. eine Person mit entspre­chen­der Vorsor­ge­voll­macht ihr Einver­ständ­nis erteilt. Falls dies nicht möglich ist, führt der Weg zur Erlaub­nis für pflege­be­dürf­tige Perso­nen gegebe­nen­falls über das Betreu­ungs­ge­richt.

Fazit

Wenn pflege­be­dürf­tige bzw. an Demenz erkrankte Menschen aus Pflege­ein­rich­tun­gen oder ihrer häusli­chen Umgebung weglau­fen, können techni­sche Hilfs­mit­tel die Suche unter­stüt­zen und zu einem schnel­le­ren Ende führen.

Da der Einsatz von GPS-Trackern Persön­lich­keits­rechte und den Daten­schutz berührt, ist eine ausdrück­li­che Einwil­li­gung erfor­der­lich.

Quellen: Polizei Apolda, NDR