Die rechtlichen Regelungen zur Vergütung von Nachtschichten sind vielerorts immer noch unklar. Besonders die Entlohnung der nächtlichen Pausenzeiten sorgt vielerorts für Unklarheiten, die nicht selten in einem Rechtsstreit enden. So auch im Falle einer Altenpflegerin, die auf eine nachträgliche Vergütung ihrer nächtlichen Pausen geklagt hatte.
Fehlende Vergütung von Pausenzeiten während der Nachtwache
Die Klägerin arbeitete in der Seniorenwohnanlage der Beklagten. Diese umfasste eine stationäre Pflegeeinrichtung und eine ambulante Pflege während der Zeiten der Nachtwache. Im stationären Nachtdienst kümmerten sich zwei Pflegekräfte um die Bewohner, beide waren mit einem Telefon oder einem Pieper ausgerüstet, um im Ernstfall eingreifen zu können. Aus dem ambulanten Pflegedienst konnten bei Bedarf unterstützende Pflegekräfte hinzugerufen werden. Die Beklagte hat einen Zeitkorridor festgelegt, in welchem die Nachtwachen ihre Pausen im Schwesternzimmer verrichten sollen.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die durchgehende Vergütung ihrer geleisteten Nachtarbeit einschließlich der eingelegten Pausen im Zeitraum von Januar 2011 bis Oktober 2014. Bis März 2013 begann der Nachtdienst um 20:45 Uhr und endetet um 6:45 Uhr, der Pausenkorridor umfasste die Zeit zwischen 0:15 Uhr und 1:45 Uhr.
Seit April 2013 lagen die Nachtschichten zwischen 21:30 Uhr und 7:00 Uhr, der Pausenkorridor zwischen 0:00 Uhr und 2:00 Uhr nachts. Die Klägerin erhielt einen Nachtzuschlag von 1,28 Euro pro Stunde. Das Arbeitsgericht Köln hat der Klage zugestimmt (ArbG Köln vom 5. Juni 2015 – 1 Ca 8922/14).
Beklagte: Kein Vergütungsanspruch für die Pausenzeiten
Die Beklagte legte Berufung vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Köln ein. Laut ihrer Ansicht bestand für de Klägerin kein Anspruch auf eine Vergütung der Pausenzeiten. Während der Dauer der gesetzlichen Mindestpausen könne keine Arbeitsleistung angenommen werden. Für auftretende Notfälle sei die im Dienst tätige Nachtwache zuständig. Erst wenn diese zusätzliche Hilfe benötigt, käme ein Einsatz der sich in der Pause befindenden Nachtwache in Betracht. Die Klägerin gab nicht an, dass es zu solchen Vorfällen gekommen war.
Dennoch ist die Berufung unbegründet. Die Argumentation der Beklagten rechtfertigten keine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Bereitschaftsdienst ist gleich vergütungspflichtige Arbeitszeit!
Der Grund für die Rechtskräftigkeit des Urteils war schnell gefunden: Die Klägerin machte während ihrer Nachtschichten keine Pause, sondern verrichtete angeordneten Bereitschaftsdienst.
Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst sind grundsätzlich nach § 611 Absatz 1 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag zu entlohnen. Die vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit, während der der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz anwesend sein muss bzw. nicht frei über die zeitliche und räumliche Nutzung dieser Zeitspanne verfügen kann, er also arbeitszeitrechtlich gesehen weder eine Pause noch Freizeit hat, gilt als Arbeitsleistung, für die der Arbeitnehmer Anspruch auf Vergütung besitzt.
Es steht den Arbeitsvertragsparteien frei, für diese Sonderformen der Arbeit eine gesonderte Bezahlungsregelung festzulegen. Diese kann durchaus niedriger ausfallen, als das Entgelt für Vollarbeit, darf aber nach höchstrichterlicher Rechtssprechung die Mindestentgeltgrenze des § 2 PflegeArbbV (aktuell 11,60 Euro) nicht unterschreiten (vgl. BAG vom 19. November 2014 – 5 AZR 1101/12).
Weitere Hinweise zum Urteil
Eine Pause ist nach § 4 ArbZG eine im Voraus festgelegte Arbeitsunterbrechung. In dieser ist der Arbeitnehmer von jeglichen Arbeitspflichten befreit. Er braucht damit weder Arbeitsleistungen zu erbringen noch sich für Eventualitäten bereitzuhalten. Darüber hinaus verfügt der Arbeitnehmer über das Bestimmungsrecht, wann, wo und wie er seine Pause verbringen möchte.
Im Falle der Klägerin war genau das Gegenteil der Fall. Sie konnte aufgrund der Zeitanweisungen der Beklagten ihren Arbeitsplatz nicht verlassen und musste sich auch in der Zeit des Pausenkorridors für Notfälle bereit halten. Die Klägerin konnte damit nicht frei über die Gestaltung ihrer Pause bestimmen und hat somit vergütungspflichtige Arbeit geleistet.
Eine geringere Entgeltabgabe für den nächtlichen Bereitschaftsdienst haben die Parteien nicht vereinbart. Der Klägerin steht nach § 611 Absatz 1 BGB in Verbindung mit dem Anstellungsvertrag nebst Rechtshängigkeitszinsen eine Lohnnachzahlung in Höhe von 4.804 Euro (brutto) zu.
Quelle: LAG Köln vom 17. Februar 2016 – 11 Sa 734/15 = RDG 2020, Heft 5, Urteilskartei.