Pflegekräfte anderer Stationen würden im größten Bundesland vermehrt im Intensivbereich zum Einsatz kommen, so der Gewerkschaftssekretär Jan von Hagen. Dadurch würde der ohnehin schon niedrige Personalschlüssel noch weiter sinken.
„Wenn sich die Zunahme der COVID-Patienten mit schwerem Verlauf so fortsetzt, werden perspektivisch wieder die Reduzierung verschiebbarer Operationen und ähnliche Maßnahmen notwendig sein, um das Personal zu schützen und die Versorgung sicherzustellen“, sagte von Hagen. Diese Einschätzung beruhe allein auf Berichten von Personal- und Betriebsräten sowie auf Schilderungen der Kolleginnen und Kollegen vor Ort, so Verdi in einer Stellungnahme auf Anfrage der Rechtsdepesche.
Personal: Mangel wird sich auf Patientenversorgung auswirken
Auch Prof. Jochen A. Werner, Vorstandsvorsitzender der Essener Universitätsklinik, geht von weiter steigenden Zahlen aus. Werner: „Wenn die stationär zu behandelten COVID-19-Erkrankten stärker zunehmen, ist eine Auswirkung auf die Versorgung von Patienten mit allen anderen Krankenheitsbildern nicht mehr lange auszuschließen“.
Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, widerspricht: Wegen der Pandemie planbare Operationen zu verschieben, sei in der Vergangenheit eine vollkommen überzogene Entscheidung gewesen. „Das nenne ich organisierten Alarmismus“, sagte Brysch.
Hilmar Riemenschneider, der Sprecher der Krankenhausgesellschaft NRW, sagt dazu auf Anfrage der Rechtsdepesche: „Wir kennen die zugrunde liegenden Zahlen und Erhebungen nicht, deshalb können wir sie auch nicht bewerten.“
Jochen Brink, Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW, erklärt gegenüber der Rechtsdepesche: „Wie schon bei den früheren Wellen der Coronapandemie spüren die Krankenhäuser die steigende Inzidenz zeitverzögert in der Zahl schwerer COVID-19-Erkrankungen, die stationär behandelt werden müssen. Binnen eines Monats hat diese sich auf 1.414 vervierfacht.
Krankenhausgesellschaft empfielt Impfung
Mit einer zum Glück noch etwas geringeren Dynamik steigt auch die Zahl der Patientinnen und Patienten, die eine intensivmedizinische Behandlung oder sogar eine Beatmung brauchen. Auch wenn die jetzigen Fallzahlen nur einen Bruchteil des dramatischen Höhepunktes der dritten Welle in April und Mai darstellen und die Kapazitäten von einer Überlastung weit entfernt sind, beobachten die Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen die Entwicklung mit großer Sorge.“
Die Tatsache, dass die meisten stationär wegen COVID-19 behandelten Patientinnen und Patienten sich und ihre Mitmenschen mit einer Impfung vor diesem schweren Verlauf hätten schützen können, sei kaum vermittelbar, so Brink weiter. Die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen unterstütze deshalb nachdrücklich alle Initiativen, um noch ungeimpfte Bürgerinnen und Bürger zur Corona-Schutzimpfung zu motivieren.
Rund 200.000 Pflegefachkräfte arbeiten im Bundesland Nordhein-Westfalen, so Schätzungen der Pflegekammer NRW, die sich gerade in der Gründungsphase befindet. Mehr zur Pflegekammer NRW hier demnächst in einem ausführlichen Interview.
Quelle: Verdi, dpa, Krankenhausgesellschaft NRW