Leiharbeit
Wird die Leihar­beit in der Pflege endgül­tig ausge­bremst? Bild: © Fabri­zio Argonauta | Dreamstime.com

Kosten­be­gren­zung zur Eindäm­mung der Leihar­beit

Die Eindäm­mung der Leihar­beit soll laut RND über eine Kosten­grenze gelöst werden. Im Geset­zes­ent­wurf sei vorge­se­hen, dass bei der Weiter­gabe von Kosten an die Pflege­kas­sen die branchen­üb­li­chen Tarif­löhne als Obergrenze gelten sollen. Pflege­ein­rich­tun­gen könnten also die Mehrkos­ten, die durch den Einsatz von Leihar­bei­tern entste­hen, nicht mehr an die Kassen weiter­ge­ben. Auch die Vermitt­lungs­ge­büh­ren, die Zeitar­beits­fir­men erheben, dürften nicht mehr weiter­be­rech­net werden.

Mit dieser Änderung soll vermie­den werden, dass „wirtschaft­li­che Anreize für das Verlei­hen von Pflege- und Betreuungs­personal auf Kosten der Solidar­gemeinschaft bezie­hungs­weise der Pflege­bedürftigen und ihrer Familien bestehen“, zitiert das RND aus dem Entwurf. Zusätz­lich sollten Einrich­tun­gen durch wirtschaft­li­che Ansätze motiviert werden, ihre Stamm­be­leg­schaft in der Einrich­tung zu halten sowie Arbeits­be­din­gun­gen und Lohnmo­delle, die zulas­ten der Stamm­be­leg­schaft gehen, zu beschrän­ken.

Ziel der Geset­zes­än­de­rung sei es, „dass Leihar­beit und vergleich­bare Maßnah­men nur zusätz­li­che Instru­mente bleiben, um bei kurzfris­ti­gen Personal­ausfällen und nicht besetz­ba­ren Stellen die vertrag­lich verein­barte Personal­ausstattung vorüber­ge­hend sicher­zu­stel­len“.

DKG will Leihar­beit notfalls verbie­ten

Die Diskus­sio­nen um ein Verbot der Leihar­beit hatten in den letzten Monaten zugenom­men. In einem Positi­ons­pa­pier hatte die Deutsche Kranken­haus­ge­sell­schaft (DKG) das Verbot „als Ultima Ratio“ zur Regulie­rung der Leihar­beit gefor­dert, sollten andere Maßnah­men nicht greifen. Mittler­weile habe sich Leihar­beit im Kranken­haus von der Ausnahme zum Regel­fall entwi­ckelt, begrün­dete DKG-Vorstands­vor­sit­zen­der Gerald Gaß den Vorstoß.

Die Kranken­häu­ser arbei­te­ten hart daran, Gehäl­ter und Arbeits­be­din­gun­gen zu verbes­sern. Unter diesen Bedin­gun­gen könnten sie aller­dings das Rennen um die besten Arbeits­be­din­gun­gen und Gehäl­ter nur verlie­ren.

Die DKG forderte, Leihar­beit auf ihren ursprüng­li­chen Zweck, Belas­tungs­spit­zen auszu­glei­chen, zu beschrän­ken. Auch der Stunden­satz in der Leihar­beit einschließ­lich aller Kosten solle auf das 1,5‑fache der üblichen Vergü­tung fest angestell­ten Pflege­per­so­nals begrenzt werden. Die Kosten für Leihar­beit müssten vollstän­dig in den Pflege­bud­gets abgebil­det werden.

Leihar­beit seit Jahren auf dem Vormarsch

In einer Reaktion auf das Positi­ons­pa­pier hatte Dr. Markus Mai, Präsi­dent der Landes­pfle­ge­kam­mer Rhein­land-Pfalz, den Verbots­an­satz kriti­siert: „Die Leihar­beit in der beruf­li­chen Pflege ist sicher sehr proble­ma­tisch. Aller­dings sollte man hier seitens der Einrich­tun­gen klar Verant­wor­tung überneh­men. Denn wer keine Leihar­beit möchte, der sollte diese auch nicht nutzen. Die Leihar­beits­pro­ble­ma­tik wurde von den Einrich­tun­gen selbst generiert, deshalb stehen diese nun auch in der Verant­wor­tung.“

Seit Jahren steigt die Anzahl der Leihar­bei­ter in der Kranken- und Alten­pflege. Nach Angaben der Bundes­agen­tur für Arbeit waren 2014 etwa 12.000 Leihar­bei­ter in der Kranken­pflege beschäf­tigt, im Jahr 2018 waren es bereits 22.000. In der Alten­pflege sieht es ähnlich aus: In demsel­ben Zeitraum stieg die Anzahl der Leihar­bei­ter von 8.000 auf 12.000 erhöht.

Lange Zeit war der Trend zur Leihar­beit nicht zum Vorteil der Pflegen­den. Im Frühjahr 2011 setzte die damalige Arbeits­mi­nis­te­rin Ursula von der Leyen (CDU) ein Gesetz gegen den Missbrauch von Leihar­beit durch. Vertre­ter der Gewerk­schaft Verdi hatten damals schwere Vorwürfe gegen den priva­ten Klinik-Konzern Askle­pios erhoben: Dieser umgehe die in der Pflege gülti­gen Tarife mit unter­neh­mens­ei­ge­nen Zeitar­beits­fir­men, die nur etwa ein Drittel bis die Hälfte der Tarif­löhne zahlen würden.

Fachver­bände fordern seit langem bessere Arbeits­be­din­gun­gen

Der Bochu­mer Bund hatte sich im Januar bereits klar gegen ein Verbot der Leihar­beit ausge­spro­chen. Dieses bekämpfe ledig­lich ein Symptom, nicht aber die Ursachen. Bundes- und Landes­re­gie­run­gen schau­ten seit Jahrzehn­ten zu, wie die Lohnent­wick­lung in der Pflege weit hinter dem zurück­bleibe, was angemes­sen und auch notwen­dig gewesen sei.

Das Einstiegs­ge­halt einer Pflege­fach­per­son müsse aktuell bei rund 4.500 Euro liegen. Doch davon sei man weit entfernt, selbst in den besten Tarif­ver­trä­gen, schreibt die Gewerk­schaft in einer Presse­mit­tei­lung.

Diese Not würden sich nun Firmen zunutze machen, die das System des fortwäh­ren­den Mangels ausnutz­ten, um den Pflegen­den endlich gerechte Gehäl­ter und eine gute Work-Life-Balance anbie­ten. Der Lösungs­weg könne nach Auffas­sung der Gewerk­schaft nur über gerechte Entloh­nung für Stamm­be­leg­schaf­ten und die Begren­zung des Aufschlags von Leasing­fir­men gehen.

Den Mitar­bei­ten­den, die sich auf Zeitar­beit einlie­ßen, könne nur durch attrak­tive Bedin­gun­gen ein Rückkehr­an­ge­bot gemacht werden. „Wenn die Politiker:innen aber glauben, sie können Pflegende, die aus gutem Grund in Leasing­fir­men abgewan­dert sind, einfach durch Verbote zurück­ge­win­nen, sind sie auf dem Holzweg,“ glaubt der Bund. Das führe nur zu noch weniger verfüg­ba­ren Pflege­kräf­ten, denn: „Verbote ohne Angebote werden keine nachhal­ti­gen Lösun­gen sein.“

Auch der Deutsche Pflege­rat (DPR) will die Leihar­beit überflüs­sig machen, statt sie zu verbie­ten. DPR-Präsi­den­tin Chris­tine Vogler sagte: „Der enorme Anstieg der Leihar­beit ist ein Symptom für die Krise in der Pflege. Sie hat ihren Ursprung in den unzurei­chen­den Arbeits­be­din­gun­gen und im Perso­nal­man­gel, die eine Kompen­sa­tion bei einem Ausfall des Stamm­per­so­nals nicht erlau­ben.“

Zeitman­gel, das Fehlen einer verläss­li­chen Dienst­pla­nung und unattrak­tive Arbeits­zei­ten, die sowohl die Verein­bar­keit von Familie und Beruf als auch die Work-Life-Balance enorm erschwer­ten, führten zu einem Anstieg der Zeitar­beit. Weitere Gründe seien das Gehalt und teilweise auch fehlende Führungs­kom­pe­ten­zen.

Kommen­tar: Wie man es nieman­dem recht macht

Natür­lich ist der Geset­zes­ent­wurf kein Verbot der Leihar­beit. Trotz­dem setzt er auf eine Verbots­me­cha­nik: Die Einrich­tun­gen dürfen zwar weiter­hin Leihar­bei­ter einset­zen, aber die Mehrkos­ten nicht weiter­ge­ben. Das könnte tatsäch­lich dazu führen, dass weniger Leihar­bei­ter gebucht werden. So haben die Festan­ge­stell­ten keine Ausweich­mög­lich­keit mehr, wenn der geliebte Beruf zu viele Nerven kostet und zu wenig Geld bringt.

Damit schafft man es, alle Parteien in der Debatte um Leihar­beit in der Pflege gleicher­ma­ßen wenig zufrie­den­zu­stel­len: Die Pflegen­den bekom­men weder mehr Gehalt noch bessere Arbeits­be­din­gun­gen, die Einrich­tun­gen bekom­men keine Re-Finan­zie­rung.

Natür­lich ist es richtig, Profite „auf Kosten der Solidar­gemeinschaft bezie­hungs­weise der Pflege­bedürftigen und ihrer Familien“ vermei­den zu wollen. Aber damit dieje­ni­gen, die aktuell in die Leihar­beit abwan­dern, im Beruf bleiben, brauchen sie trotz­dem finan­zi­elle Anreize und bessere Arbeits­be­din­gun­gen. Und die lassen sich nicht zum Nullta­rif schaf­fen.