Kostenbegrenzung zur Eindämmung der Leiharbeit
Die Eindämmung der Leiharbeit soll laut RND über eine Kostengrenze gelöst werden. Im Gesetzesentwurf sei vorgesehen, dass bei der Weitergabe von Kosten an die Pflegekassen die branchenüblichen Tariflöhne als Obergrenze gelten sollen. Pflegeeinrichtungen könnten also die Mehrkosten, die durch den Einsatz von Leiharbeitern entstehen, nicht mehr an die Kassen weitergeben. Auch die Vermittlungsgebühren, die Zeitarbeitsfirmen erheben, dürften nicht mehr weiterberechnet werden.
Mit dieser Änderung soll vermieden werden, dass „wirtschaftliche Anreize für das Verleihen von Pflege- und Betreuungspersonal auf Kosten der Solidargemeinschaft beziehungsweise der Pflegebedürftigen und ihrer Familien bestehen“, zitiert das RND aus dem Entwurf. Zusätzlich sollten Einrichtungen durch wirtschaftliche Ansätze motiviert werden, ihre Stammbelegschaft in der Einrichtung zu halten sowie Arbeitsbedingungen und Lohnmodelle, die zulasten der Stammbelegschaft gehen, zu beschränken.
Ziel der Gesetzesänderung sei es, „dass Leiharbeit und vergleichbare Maßnahmen nur zusätzliche Instrumente bleiben, um bei kurzfristigen Personalausfällen und nicht besetzbaren Stellen die vertraglich vereinbarte Personalausstattung vorübergehend sicherzustellen“.
DKG will Leiharbeit notfalls verbieten
Die Diskussionen um ein Verbot der Leiharbeit hatten in den letzten Monaten zugenommen. In einem Positionspapier hatte die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) das Verbot „als Ultima Ratio“ zur Regulierung der Leiharbeit gefordert, sollten andere Maßnahmen nicht greifen. Mittlerweile habe sich Leiharbeit im Krankenhaus von der Ausnahme zum Regelfall entwickelt, begründete DKG-Vorstandsvorsitzender Gerald Gaß den Vorstoß.
Die Krankenhäuser arbeiteten hart daran, Gehälter und Arbeitsbedingungen zu verbessern. Unter diesen Bedingungen könnten sie allerdings das Rennen um die besten Arbeitsbedingungen und Gehälter nur verlieren.
Die DKG forderte, Leiharbeit auf ihren ursprünglichen Zweck, Belastungsspitzen auszugleichen, zu beschränken. Auch der Stundensatz in der Leiharbeit einschließlich aller Kosten solle auf das 1,5‑fache der üblichen Vergütung fest angestellten Pflegepersonals begrenzt werden. Die Kosten für Leiharbeit müssten vollständig in den Pflegebudgets abgebildet werden.
Leiharbeit seit Jahren auf dem Vormarsch
In einer Reaktion auf das Positionspapier hatte Dr. Markus Mai, Präsident der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz, den Verbotsansatz kritisiert: „Die Leiharbeit in der beruflichen Pflege ist sicher sehr problematisch. Allerdings sollte man hier seitens der Einrichtungen klar Verantwortung übernehmen. Denn wer keine Leiharbeit möchte, der sollte diese auch nicht nutzen. Die Leiharbeitsproblematik wurde von den Einrichtungen selbst generiert, deshalb stehen diese nun auch in der Verantwortung.“
Seit Jahren steigt die Anzahl der Leiharbeiter in der Kranken- und Altenpflege. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren 2014 etwa 12.000 Leiharbeiter in der Krankenpflege beschäftigt, im Jahr 2018 waren es bereits 22.000. In der Altenpflege sieht es ähnlich aus: In demselben Zeitraum stieg die Anzahl der Leiharbeiter von 8.000 auf 12.000 erhöht.
Lange Zeit war der Trend zur Leiharbeit nicht zum Vorteil der Pflegenden. Im Frühjahr 2011 setzte die damalige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ein Gesetz gegen den Missbrauch von Leiharbeit durch. Vertreter der Gewerkschaft Verdi hatten damals schwere Vorwürfe gegen den privaten Klinik-Konzern Asklepios erhoben: Dieser umgehe die in der Pflege gültigen Tarife mit unternehmenseigenen Zeitarbeitsfirmen, die nur etwa ein Drittel bis die Hälfte der Tariflöhne zahlen würden.
Fachverbände fordern seit langem bessere Arbeitsbedingungen
Der Bochumer Bund hatte sich im Januar bereits klar gegen ein Verbot der Leiharbeit ausgesprochen. Dieses bekämpfe lediglich ein Symptom, nicht aber die Ursachen. Bundes- und Landesregierungen schauten seit Jahrzehnten zu, wie die Lohnentwicklung in der Pflege weit hinter dem zurückbleibe, was angemessen und auch notwendig gewesen sei.
Das Einstiegsgehalt einer Pflegefachperson müsse aktuell bei rund 4.500 Euro liegen. Doch davon sei man weit entfernt, selbst in den besten Tarifverträgen, schreibt die Gewerkschaft in einer Pressemitteilung.
Diese Not würden sich nun Firmen zunutze machen, die das System des fortwährenden Mangels ausnutzten, um den Pflegenden endlich gerechte Gehälter und eine gute Work-Life-Balance anbieten. Der Lösungsweg könne nach Auffassung der Gewerkschaft nur über gerechte Entlohnung für Stammbelegschaften und die Begrenzung des Aufschlags von Leasingfirmen gehen.
Den Mitarbeitenden, die sich auf Zeitarbeit einließen, könne nur durch attraktive Bedingungen ein Rückkehrangebot gemacht werden. „Wenn die Politiker:innen aber glauben, sie können Pflegende, die aus gutem Grund in Leasingfirmen abgewandert sind, einfach durch Verbote zurückgewinnen, sind sie auf dem Holzweg,“ glaubt der Bund. Das führe nur zu noch weniger verfügbaren Pflegekräften, denn: „Verbote ohne Angebote werden keine nachhaltigen Lösungen sein.“
Auch der Deutsche Pflegerat (DPR) will die Leiharbeit überflüssig machen, statt sie zu verbieten. DPR-Präsidentin Christine Vogler sagte: „Der enorme Anstieg der Leiharbeit ist ein Symptom für die Krise in der Pflege. Sie hat ihren Ursprung in den unzureichenden Arbeitsbedingungen und im Personalmangel, die eine Kompensation bei einem Ausfall des Stammpersonals nicht erlauben.“
Zeitmangel, das Fehlen einer verlässlichen Dienstplanung und unattraktive Arbeitszeiten, die sowohl die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als auch die Work-Life-Balance enorm erschwerten, führten zu einem Anstieg der Zeitarbeit. Weitere Gründe seien das Gehalt und teilweise auch fehlende Führungskompetenzen.
Kommentar: Wie man es niemandem recht macht
Natürlich ist der Gesetzesentwurf kein Verbot der Leiharbeit. Trotzdem setzt er auf eine Verbotsmechanik: Die Einrichtungen dürfen zwar weiterhin Leiharbeiter einsetzen, aber die Mehrkosten nicht weitergeben. Das könnte tatsächlich dazu führen, dass weniger Leiharbeiter gebucht werden. So haben die Festangestellten keine Ausweichmöglichkeit mehr, wenn der geliebte Beruf zu viele Nerven kostet und zu wenig Geld bringt.
Damit schafft man es, alle Parteien in der Debatte um Leiharbeit in der Pflege gleichermaßen wenig zufriedenzustellen: Die Pflegenden bekommen weder mehr Gehalt noch bessere Arbeitsbedingungen, die Einrichtungen bekommen keine Re-Finanzierung.
Natürlich ist es richtig, Profite „auf Kosten der Solidargemeinschaft beziehungsweise der Pflegebedürftigen und ihrer Familien“ vermeiden zu wollen. Aber damit diejenigen, die aktuell in die Leiharbeit abwandern, im Beruf bleiben, brauchen sie trotzdem finanzielle Anreize und bessere Arbeitsbedingungen. Und die lassen sich nicht zum Nulltarif schaffen.