Bundesurlaubsgesetz als Kernvorschrift
§ 7 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) ist die zentrale Vorschrift im Urlaubsrecht. In dessen Absatz 3 Satz 1 bis 3 wird bestimmt:
„Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden.“
§ 7 Absatz 3 BUlG sieht also ein grundsätzliches Übertragungsverbot vor, indem festgeschrieben wird, dass der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss.
Doch wann immer im juristischen Kontext das Wort „grundsätzlich“ verwendet wird, heißt das: Es gibt auch eine Ausnahme von der Regel.
Und die eröffnet sich durch den zweiten Satz: Denn hiernach kann die Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr durchaus statthaft sein, sofern dies „dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe“ rechtfertigen.
Keine Regel ohne Ausnahme
So können „dringende betriebliche Gründe“ beispielsweise dann angenommen werden, wenn in dem Unternehmen ein Arbeitsmehranfall aufgrund erheblicher personeller Engpässe (zum Beispiel infolge einer Krankheitswelle) zu verzeichnen war.
Gleichfalls von der Ausnahmeregelung des § 7 Absatz 3 Satz 2 BUrlG erfasst sind jene Fälle, in welchen der Arbeitnehmer aufgrund von Krankheit daran gehindert ist, seinen Urlaub aufzunehmen. Hier ergibt sich die Statthaftigkeit der Urlaubsübertragung aus „in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen“.
Für beide Konstellationen gilt: Im Übertragungsfall kann der Arbeitnehmer den Verfall des Resturlaubs dadurch verhindern, dass er ihn bis zum 31. März nimmt.
Auf Verfall des Urlaubsanspruchs muss hingewiesen werden
Diesen Grundsatz hat die Rechtsprechung modifiziert. Ausgehend von einer Entscheidung der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2018 ist es für das Erlöschen des Urlaubsanspruchs zum Ende des Kalenderjahres erforderlich, dass der Arbeitgeber seine Mitarbeiter rechtzeitig, konkret und in völliger Transparenz – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, ihren Urlaub zu nehmen.[1]
Des Weiteren muss der Arbeitgeber klar mitteilen, dass der Urlaub, wenn er nicht genommen wird, am Ende des Bezugs- oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfallen wird.
Weitere Konkretisierung durch das BAG
Kommt der Arbeitgeber dieser Hinweis- und Warnpflicht nach und wird der Urlaub gleichwohl vom Arbeitnehmer nicht angetreten, verfallen die Urlaubsansprüche zum 31.12. des jeweiligen Kalenderjahres.
Das Bundesarbeitsgericht hat diese Grundsätze in der Folgezeit näher konkretisiert. Es verlangt vom Arbeitgeber, dass er seinen Arbeitnehmer in die Lage versetzt, in Kenntnis aller relevanten Umstände frei darüber zu entscheiden, seinen Urlaub rechtzeitig zu beantragen, sodass er innerhalb des laufenden Urlaubsjahres genommen werden kann, und ihn über die Konsequenzen belehrt, die eintreten, wenn er dies unterlässt.[2]
Hinweispflicht und Übernahmerecht kann auch per Vertrag erfolgen
Das Erlöschen des Urlaubsanspruchs zum Jahresende kommt also erst dann zum Tragen, wenn der Arbeitgeber seiner Hinweisobliegenheit mit einschlägiger Begründung ordentlich nachgekommen ist.
In Abweichung von dem persönlichen Hinweis an den Arbeitnehmer kann sich das Recht auf Übernahme des Resturlaubs in das Folgejahr auch aus Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag ergeben.
Dabei gilt: Die zwischen den Vertragspartnern in den Einzel- oder Kollektivverträgen festgehaltenen Bestimmungen dürfen den vom Bundesurlaubsgesetz festgelegten Mindestrahmen nicht unterlaufen (zum Beispiel die „Verfallsgrenze“ von drei Monate auf zwei Monate reduzieren). Eine über den gesetzlichen Mindestrahmen hinausgehende Besserstellung des Arbeitnehmers ist hingegen erlaubt.
Mit Material von Michael Schanz
Quellen:
- EuGH vom 6.11.2018 – C‑684/16
- BAG vom 7.9.2021 – 9 AZR 3/21 (A)