
So kann es nicht weitergehen: Diese Bilanz ziehen aktuell viele Menschen in Deutschland mit Blick auf das Gesundheitssystem. Über 90 Prozent der Befragten einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse sehen zumindest stellenweise Reformbedarf. Nur sechs Prozent finden, dass es keine Baustellen im System gibt.
Steigende Beiträge, schlechtere Versorgung?
Laut Umfrage hat sich die Unzufriedenheit seit dem Jahr 2021 verdreifacht. Aktuell ist fast jeder Dritte (30 Prozent) der Befragten mit dem deutschen Gesundheitssystem unzufrieden. Dabei ist die Zufriedenheit in den Jahren davor kontinuierlich gestiegen. Der Vorstandsvorsitzende der TK, Jens Baas, nennt die Entwicklung eine Trendwende, die allerdings nicht überraschend komme.
Seit Jahren steige die finanzielle Belastung der Versicherten, gleichzeitig klagen Menschen vermehrt über lange Wartezeiten für Arzttermine: „Viele haben gerade das Gefühl, dass dieses System, für das sie immer mehr zahlen, immer schlechter funktioniert“, erklärt Baas.
Diese Entwicklungen lassen sich auch in den Umfrageergebnissen erkennen. Gerade mit Blick auf Fachärzte ist die Stimmung schlecht: 38 Prozent der Befragten sind weniger zufrieden oder unzufrieden mit dem fachärztlichen Angebot in Deutschland. Vor allem die langen Wartezeiten auf Facharzttermine machen 62 Prozent der Befragten zu schaffen.
Abhilfe durch digitale Lösungen
Um der Trendwende entgegenzuwirken, schlägt TK-Chef Baas digitale Anwendungen vor, die eine Ersteinschätzung des medizinischen Bedarfs vornehmen können, noch bevor irgendein Arzt konsultiert wurde. Die Ergebnisse der Ersteinschätzung können den Patienten dann eine Orientierungshilfe sein, um die nächsten Schritte im Behandlungspfad zu gehen und sich an die richtigen Stellen zu wenden.
„Wir müssen Patientinnen und Patienten mehr Orientierung im Gesundheitssystem bieten, damit sie in die Arztpraxen kommen, in denen sie gut versorgt werden können. Eine zielgenauere Versorgung entlastet auch die Ärztinnen und Ärzte“, so Baas.
Dass die Menschen bereit für digitale Veränderungen sind, zeigt auch die Umfrage. 81 Prozent der Befragten haben schon einmal einen Arzttermin online gebucht oder wollen das zukünftig tun. 68 Prozent haben zudem bereits eine Videosprechstunde mit einem Arzt genutzt oder haben dies vor.
Doch nicht nur digital soll sich nach dem Wunsch der Befragten etwas tun. 89 Prozent finden es sehr gut oder gut, wenn Pflegekräfte mehr ärztliche Aufgaben übernehmen. Auch die geplante Krankenhausreform kommt gut an: 72 Prozent befürworten die Spezialisierung der Kliniklandschaft.
„Gesundheitssystem ist tragende Säule des Sozialstaates“
Der Wunsch nach Veränderung kommt nicht von ungefähr: Vor allem die steigende finanzielle Belastung sorgt bei den Befragten für Unmut. 94 Prozent rechnen sogar mit weiteren Beitragssteigerungen. Hier sei auch die Politik gefragt, wenn es nach Baas geht: „Die neue Bundesregierung muss die Beitragsspirale stoppen. Die Beiträge sind bereits über 17 Prozent gestiegen, und Ende des Jahrzehnts werden sie bei 20 Prozent sein, wenn nichts passiert.“
Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder sieht im Gesundheitssystem eine Priorität für die Politik: „Ein funktionierendes Gesundheitssystem ist eine tragende Säule unseres Sozialstaates und damit enorm wichtig für das Vertrauen in die Demokratie“. Wer die Warnsignale nicht beachtet und Missstände im Gesundheitswesen zu lange ignoriert, spiele dem Populismus in die Hände.
Quelle: PM