Ein Auszubildender (Azubi) eines Krankenhauses wurde gekündigt, weil er im Testzentrum des Hauses seinen Mundschutz unter die Nase zog und auch nach Aufforderung der Geschäftsführung, die Maske richtig aufzusetzen, nicht sofort reagierte. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2021 kündigte das Krankenhaus das Arbeitsverhältnis mit dem Azubi fristlos. Hiergegen erhob er Klage und forderte die Anerkennung der Unwirksamkeit der Kündigung sowie Annahmeverzugslohn für den Zeitraum ab Dezember 2021 bis April 2022.
Volles Gehalt trotz Kündigung?
Annahmeverzugslohn(anspruch) nennt man den nach § 615 Satz 1 BGB geltenden Vergütungsanspruch, den Arbeitnehmende haben, sollte die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug kommen. Er durchbricht den Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ aus § 614 Satz 1 BGB. Für die Arbeitnehmenden besteht somit die Möglichkeit die Zahlung für die nicht geleisteten Dienste trotzdem zu fordern, ohne dafür eine Nachleistung erbringen zu müssen. Für den hier diskutierten Fall bedeutet das folgende Situation: Der Auszubildende hat seine Dienste angeboten, das Krankenhaus hat diese jedoch zurückgewiesen.
Der Azubi verfügte zudem über keinen gültigen Impf- oder Genesenenausweis nach § 20a Absatz 2 Satz 1 IfSG. Ab dem 15. März 2022 trat die einrichtungsbezogene Impfpflicht in ambulanten und (teil-)stationären Einrichtungen/Unternehmen des Gesundheitswesens in Kraft. Diese verpflichtete bereits in den Einrichtungen/Unternehmen tätige Personen dazu, eben jenen Nachweis zu erbringen. Kann der Kläger ohne Nachweis – auch für den Zeitraum nach dem 15. März – die Zahlung des vollen Gehalts verlangen?
Klage stattgegeben: Krankenhaus muss zahlen
Seine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger in dem Krankenhaus begann bereits im Oktober 2019 also deutlich vor Beginn der einrichtungsbezogenen Impfpflicht.
Das Arbeitsgericht Bonn hat entschieden, dass die fristlose Kündigung unwirksam ist, da das Krankenhaus den Auszubildenden zuvor nicht abgemahnt hat. Darüber hinaus hat das Gericht der Forderung nach Annahmeverzugslohn für den gesamten Zeitraum stattgegeben – trotz der geltenden einrichtungsbezogenen Impfpflicht und dem Fehlen eines Impf- oder Genesenennachweis des Auszubildenden.
Das Gericht befand nach §§ 17 Absatz 1, 10 Absatz 2 BBiG in Verbindung mit § 615 Satz 1 BGB, 293 ff. BGB, dass dem Azubi grundsätzlich nach Ausspruch einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung ein Annahmeverzug zusteht. Dass der Azubi trotz geltender einrichtungsbezogenen Impfpflicht nicht über einen Impf- oder Genesenennachweis verfügt, ändert in diesem Fall daran nichts.
Azubi hatte kein Beschäftigungsverbot
Die gesetzliche Regelung nach § 20a Absatz 2 und Absatz 3 IfSG unterscheidet nämlich zwischen Arbeitnehmenden, die vor dem 15. März 2022 beschäftigt waren und jenen, die erst ab dem 16. März angestellt wurden. Nur für Zweitere gelte nach § 20a Absatz 3 Satz 4 IfSG ein ausdrücklich geregeltes Beschäftigungsverbot. Für Erstere gelte nur die Pflicht, den fehlenden Nachweis dem Gesundheitsamt zu melden.
Das Gesundheitsamt wiederum könne dann im Einzelfall entscheiden, ob es ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot ausspricht. Hiervon war der Azubi allerdings nicht betroffen. Zudem habe sein Arbeitsverhältnis deutlich vor dem 15. März begonnen. Dementsprechend muss das beklagte Krankenhaus für den vollen Zeitraum den Annahmeverzugslohn zahlen.
ArbG Bonn vom 18.5.2022 – 2 Ca 2082/21