Bereits im Juni berichteten wir über den bestehenden Gender Pay Gap zwischen Männern und Frauen: der Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen. Möglicherweise weniger bekannt ist aber der Gender Care Gap, ein Begriff, der darauf hinweist, dass Frauen immer noch den deutlichen Großteil der unbezahlten Sorgearbeit übernehmen.
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat im April 2021 zu diesem Thema ein Dossier veröffentlicht, unter dem Titel ‘Kinder, Haushalt, Pflege – wer kümmert sich?’.
Am Anfang des Dossiers erklärt Franziska Giffey, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dass Frauen im Durchschnitt 1,5 Stunden mehr unbezahlte Care Arbeit pro Tag leisten als Männer. Später im Bericht wird zudem gezeigt, dass der höchste Gender Care Gap (im Alter von 34 Jahren) sogar 110,6 Prozent beträgt. Des Weiteren ist zu beachten, dass der Gender Care Gap in Ostdeutschland mit 36,9 Prozent viel kleiner ist als in Westdeutschland (57,4 Prozent).
Im Bericht wird außerdem betont, dass Männer und Frauen in der Regel ähnlich viele Arbeitsstunden leisten. Der Unterschied ist, dass Männer für deutlich mehr von diesen Stunden bezahlt werden als Frauen.
Was ist mit ‘Care Arbeit’ gemeint und was gehört alles dazu?
Laut dem Dossier ‘Kinder, Haushalt, Pflege’, werden neben der Betreuung oder Pflege von Angehörigen und Kindern auch Haushaltsarbeit (wie zum Beispiel Gartenarbeit) oder auch informelle oder ehrenamtliche Arbeit für Personen aus anderen Haushalten als Care Arbeit eingeordnet.
Dabei wird unterschieden zwischen der Direkten Sorgearbeit – also die direkte Betreuung von Kindern oder Erwachsenen – und der Unterstützenden Sorgearbeit, die weitere Tätigkeiten wie zum Beispiel. Hausarbeit beinhaltet. Hierzu kommt auch der sogenannte Mental Load (auf Deutsch: ‚psychische Belastung‘). Dieser Begriff beschreibt „das gesamte Management der anstehenden Aufgaben und Tätigkeiten der unbezahlten Sorgearbeit, ob alltäglich, außeralltäglich, direkt oder unterstützend”.
Was sind die Ursachen des Gender Care Gaps?
Das Dossier identifiziert einige Ursachen des Gender Care Gaps. Zum Teil sind Geschlechterstereotypen Schuld, wodurch Frauen zum Beispiel als besser geeignet für Sorgearbeit dargestellt werden. Von Männern hingegen wird erwartet, dass sie ihre Familie finanziell unterstützen.
Zudem arbeiten Frauen weniger in Führungspositionen und werden oft schlechter bezahlt als Männer. Dies bedeutet wiederum, dass sie oft für unbezahlte Care Arbeit zuständig werden.
Ein großes Problem bleibt jedoch, dass die infrastrukturellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen weiterhin erhebliche Herausforderungen darstellen. Im Dossier wird klargemacht, dass selbst Paare, die sich theoretisch eine gleichberechtigte Verteilung der Care Arbeit wünschen würden, dies oft nicht verwirklichen können. Hierbei haben unter anderem die Struktur der Erwerbsarbeit, der Zugang zu Pflege- und Betreuungsdiensten und staatliche Systeme einen großen Einfluss.
Wie genau betrifft das die Pflege?
Erwerbstätige Pflege ist auch mit dem Gender Care Gap verbunden. Die Verfügbarkeit und Erreichbarkeit von Pflegediensten, ob stationär oder ambulant, kann die Menge der Sorgearbeit, die privat durchgeführt werden muss stark beeinflussen. Daher spielen Pflegedienste für unbezahlte Sorgearbeit eine große Rolle und müssen, laut dem Dossier, entsprechend unterstützt werden.
Es ist vor allem bemerkenswert, dass die Aufwertung der SAHGE-Berufe (Soziale Arbeit, Hauswirtschaft, Gesundheit und Erziehung) ausdrücklich im Dossier erwähnt wird, als mögliche Maßnahme zur Verbesserung des Gender Care Gaps. Die Begründung: die erhöhte Anerkennung von professioneller Sorgearbeit könnte auch bei der gerechteren Aufteilung von unbezahlter Sorgearbeit helfen. Ein ähnlicher Vorschlag zur Aufwertung der professionellen Sorgearbeit ist ebenfalls im Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung zu finden.
Die Unterwertschätzung der Pflege spielt nämlich auch eine wesentliche Rolle. Es wird zum Beispiel im Dossier unterstrichen, dass die häusliche Pflege oft besser angesehen wird als die stationäre Pflege, während ältere Menschen in Deutschland sich oft sogar wünschen, zu Hause von Angehörigen gepflegt zu werden. Da Frauen den deutlichen Großteil dieser häuslichen Pflege leisten, kommt Frauen durch diese Bewertung ein erheblicher Druck hinzu.
Breite Anerkennung der Pflegedienste ist daher Vorteilhaft, nicht nur für die Pflege selbst, sondern auch für die Gleichstellung von unbezahlter Sorgearbeit.
Was sind die möglichen Lösungen für den Gender Care Gap?
Klar ist also: die Lösungen zum Gender Care Gap müssen auch Verbesserungen für die Pflege beinhalten. Doch auch in anderen Bereichen muss sich einiges ändern.
Im Allgemeinen, müssen Sorgende Unterstützung bei der Erwerbsarbeit bekommen und Erwerbstätige müssen unterstützt werden, sodass auch sie mehr Sorgearbeit leisten können. Ein konkreter Vorschlag des Dossiers hierzu ist, Arbeitszeiten neu zu definieren damit Sorgearbeit einfacher durchzuführen ist, zum Beispiel mit einer Vollzeit-Woche von 30 bis 35 Stunden und generell flexibleren Arbeitszeiten.
Zusätzlich wird vorgeschlagen, dass mehr Menschen über die verschiedenen Möglichkeiten informiert werden müssen. Vor allem Väter sollten wissen was ihre Rechte sind und wie auch sie neben ihrer Erwerbsarbeit mehr leisten können.
Die ausführlichen empfohlenen Handlungsoptionen sind im Dossier des Bundesministeriums zu finden.
Quelle: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend