Sachverhalt
Bei sogenannten Neulandmethoden handelt es sich um Verfahren, bei denen noch keine belastbaren Informationen über alle potenziellen Risiken vorliegen. Eine solche neue operative Methode wurde auch bei der heute 62-jährigen Klägerin aus dem Lahn-Dill-Kreis angewandt, nachdem sie sich wegen einer Belastungsharninkontinenz im Jahr 2008 in ein Krankenhaus in Siegen begab. Ihr wurde die neue operative Methode vorgeschlagen, welcher sie nach einem Aufklärungsgespräch zustimmte. Nach der Operation litt die Patientin an einer Dyspareunie (sexuelle Funktionsstörung) sowie an einer restlichen Harninkontinenz. Weitere fünf Operationen folgten, bei denen viel Netzgewebe entfernt werden musste, was fortdauernde Schmerzempfindungen mit sich trug.
Die Patientin hat gegen den Träger des Krankenhauses Klage erhoben und ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro verlangt. Sie sei nicht ausreichend über alternative Behandlungsmethoden aufgeklärt worden, ebenso wenig wie über Risiken der Neulandmethode.
Entscheidung
Bereits in erster Instanz hatte das Landgericht Siegen (Az.: 2 O 1/15) der Klägerin ein Schmerzensgeld von 35.000 Euro zugesprochen, woraufhin der Träger des Krankenhauses Berufung vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm einlegte. Der 26. Zivilsenat hat unter Einbezug eines gynäkologischen Sachverständigen dem Urteil der ersten Instanz Recht gegeben, da die Klägerin tatsächlich nicht ausführlich über die Neulandmethode aufgeklärt worden ist. Zwar galt das Verfahren als erfolgversprechender als die bisherige Behandlungsmethode, dennoch waren alle potenziellen Risiken zu diesem Zeitpunkt noch nicht hinreichend bekannt, da die klinische Erprobungsphase noch nicht abgeschlossen war. Beispielsweise hatte man über schwere gesundheitliche Folgen durch das Einsetzen eines Netzes im Beckenbodenbereich noch keine Informationen.
Der Patientin hätte ausdrücklich gesagt werden müssen, dass es sich um eine Neulandmethode handelt und dass bisher unbekannte Risiken auftreten können. Nur so hätte gewährleistet werden können, dass die Patientin sorgfältig zwischen den Behandlungsoptionen abwägen kann. Da dies nicht hinreichend erfolgt ist, hat das OLG Hamm im Urteil vom 23.1.2018 dem erstinstanzlichen Urteil zugestimmt.
Quelle: OLG Hamm