Herausforderungen bei der Übertragung von Heilkunde auf die Pflege
Eine Übertragung heilkundlicher Tätigkeiten an Pflegefachkräfte ist bereits seit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz (PfWG) aus dem Jahr 2008 Thema. Auch mit der Einführung der generalistischen Ausbildung konnte bisher in diesem Bereich kein Fortschritt erzielt werden. Dies mag vor allem auch daran liegen, dass die erforderlichen Module durch die Fachkommission nach § 53 PflBG erst weit nach dem Start der generalistischen Ausbildung veröffentlicht wurden.
Darüber hinaus betrachtet, ob Aus- oder Weiterbildung, sind mehrere Hundert Stunden je Modul der Fachkommission einfach in der Praxis nicht realisierbar. Zudem gibt es bisher keine Regelungen zur Anerkennung von bereits erworbenen Qualifikationen.
Jedoch sind genau hierunter Pflegefachpersonen mit enormer Expertise in ihrem Bereich, werden sich vermutlich jedoch nicht einer erneuten, zeitintensiven Weiterbildung im gleichen Bereich unterziehen.
Zudem ist dies auch für Arbeitgeber mit dem vergebenen Stundensatz nur schwer darstellbar. Hier müssen die Pflegekammern zeitnah Anerkennungsmöglichkeiten für bestehende Aus- und Weiterbildungen schaffen. Auch eine Anrechnung von Berufsjahren sollte mit Bedacht werden.[1]
Mangelnde Anerkennung bestehender Qualifikation und Weiterbildung
Der Deutsche Pflegerat schlägt in einer Stellungnahme an dieser Stelle Ergänzungsprüfungen für fachweitergebildete Pflegefachpersonen vor.[2]
Der Gesetzgeber versucht aktuell im Rahmen des Pflegestudiumsstärkungsgesetzes (PflStudStG) sowie dem noch im Entwurf befindlichen Pflegekompetenzgesetz in diesem Bereich nachzusteuern und die Übernahme heilkundlicher Tätigkeiten zügig voranzutreiben. Jedoch müssen auch einige Schritte hier kritisch betrachtet werden. Mit der aktuellen Gesetzesauslegung wäre eine Qualifizierung zum ausüben von Heilkunde, anders als gewollt, nur über den akademischen Weg möglich.
Dies gründet darin, dass die Inhalte hierzu im Studium im Bereich der Themen „chronische Wunden“, „diabetische Stoffwechsellage“ sowie „Demenz“ verankert sein müssen. In der klassischen Ausbildung Bedarf es hierfür die Vereinbarung eines Modellvorhabens. Jedoch sind diese Aufgrund der großen Hürden in Vereinbarung und Qualifizierung der Mitarbeiter zu unattraktiv.
Sollte durch die generalistische Ausbildung 2020 ein einheitliches Berufsbild geschaffen werden besteht nun die Gefahr, durch die zwei möglichen Bildungswege einen Bildungsabschluss mit unterschiedlichen Kompetenzen zu schaffen. Etwas dem mit dem neuen Pflegeberufegesetz 2020 entgegengewirkt werden sollte.
Gesetzliche Anpassung und akademische Wege zur Pflegekompetenz
Erklärtes Ziel muss es zudem sein, die Ausbildung auf alle acht Module aus dem Curriculum der Fachkommission zu erweitern.
Klärungsbedarf gibt es zudem im Bereich der Verordnungskompetenz. Anders als im Eckpunktepapier zum Pflegekompetenzgesetz beschrieben sollte es nicht nur eine Verordnungsempfehlung geben. Pflegefachpersonen sollten in den vorgesehenen Bereichen mit einer eigenständigen Verordnungskompetenz ausgestattet werden, inklusive der Übertragung des Budgets.
Denn in der aktuellen Fassung könnte die Frage gestellt werden, ob es sich aktuell nicht eher um eine erweiterte Delegation anstatt einer substituierenden Übernahme Tätigkeiten der Heilkunde handelt. Ziel sollte jedoch sein, Pflegefachpersonen entsprechend ihrer Kompetenzen Handlungsfelder in die Gesamtverantwortung, im Sinne einer Substitution, zu Übertragen.
Notwendige Schritte zur Verbesserung der Verordnungskompetenz und praktischen Usetzung
Realistisch ist erst 2029 flächendeckend mit heilkundlichen Arbeitenden der Heilkunde akademisierten Pflegefachpersonen zu rechnen.[3] Daher ist es jetzt umso wichtiger für eine zeitnahe praktische Umsetzung, Lösungen im Bereich der Anerkennung von bereits vorhandenen Qualifikationen zu etablieren.
Beispiel könnte hier der Rettungsdienst sein mit den Ergänzungsprüfungen der Rettungsassistenten. Durch solche Ergänzungsprüfungen könnte diese Zeit auf unter ein Jahr verkürzt werden, ab Beginn einer solchen Regelung.
FAQ
Welche Heausforderungen gibt es bei der Übertragung von heilkundlichen Tätigkeiten auf Pflegefachpersonen?
Die Herausforderungen im Bezug auf aktuelle Weiterbildungsmöglichkeiten ist der enorme zeitliche Aufwand von mehreren Hundert Stunden. In der Praxis werden viele durch den Zeitaufeand daran gehindert sich weiterzubilden. Außerdem bestehen aktuell fehlende Regelungen zur Anerkennung bereits bestehender Qualifikationen.
Welche gesetzlichen Anpassungen sind erforderlich, um die Übertragung heilkundlicher Tätigkeiten an Pflegefachkräfte ermöglichen?
Das Pflegestudiumstärkungsgesetz könnte das Thema über den akademischen Weg lösen. Darüberhinaus sind praxisorientierte Lösungen nötig. Erforderlich sind Anpassungen, die eine Qualifizierung zur Ausübung von Heilkunde nicht ausschließlich über den akademischen Weg ermöglichen. Außerdem sollte eine eigenständige Verordnungskompetenz für betroffene Bereiche geschaffen werden.
Wann ist es realistisch mit heilkundlich arbeitenden, akademisierten Pflegefachpersonen zu rechnen?
Realistisch ist erst ab 2029 flächendeckend mit heilkundlichen arbeitenden, akademisierten Pflegefachpersonen zu rechnen. Daher ist es jetzt besonders wichtig, zeitnahe Lösungen zur Anerkennung bereits vorhandener Qualifikationen zu etablieren, um die Umsetzung zu beschleunigen.
Von Peter Hasenberg
Quellen:
- Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) [Hrsg.]: Standardisierte Module zum Erwerb erweiterter Kompetenzen zur Ausübung heilkundlicher Aufgaben. Reihe: Schriften der Fachkommission nach § 53 PflBG. Bonn 2022
- Bundesgesetzblatt (BGBl) Teil 1, Nr. 359: Gesetz zur Stärkung der hochschulischen Pflegeausbildung, zu Erleichterungen bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse in der Pflege und zur Änderung weiterer Vorschriften. Berlin 2023
- Deutscher Pflegerat e.V. (DPR) [Hrsg.]: Anmerkungen des Deutschen Pflegerates e.V. (DPR) zu den „Vorläufigen Eckpunkten Pflegekompetenzgesetz“. Berlin 2024