Dass in vielen Pflegeeinrichtungen Personalmangel vorherrscht, ist seit langem kein Geheimnis mehr. Die Arbeit wird deswegen jedoch nicht weniger – und bleibt zumeist an denen hängen, die gerade im Dienst sind. In der Folge türmen sich Berge von Mehrarbeit und Überstunden vor den Augen der Mitarbeiter auf. Besteht hier eine Möglichkeit, sich gegen ein Übermaß an Überstunden zur Wehr zu setzen?
Pflicht zur Mehrarbeit nur durch Arbeitsvertrag
Grundsätzlich gilt: Ohne gesonderte Vereinbarung sind Arbeitnehmer grundsätzlich nicht zur Leistung von Überstunden verpflichtet. Der Arbeitnehmer hat lediglich im Rahmen der gesetzlichen, tariflichen, vertraglichen oder betrieblichen Arbeitszeit dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Dieser ist nicht allein aufgrund seines Weisungsrechts (§ 106 GewO) berechtigt, Überstunden anzuordnen. Regelmäßig ergibt sich für die Angehörigen der Gesundheitsberufe die Pflicht zur Ableistung von Überstunden jedoch aus den üblichen arbeitsrechtlichen Grundlagen (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung).
Arbeitgeber muss Versorgung durch Dienstplan sicherstellen
Besteht eine solche juristische Grundlage zur überobligatorischen Leistungserbringung, rechtfertigt dies per se nicht die Annahme einer generellen Überstundenanordnung, mit der strukturelle Personaldefizite ausgeglichen werden sollen. Vielmehr muss der Arbeitgeber durch seine Dienstplangestaltung die Versorgungssituation in seiner Einrichtung prinzipiell gewährleisten. Gelingt dies nicht in der regelmäßigen Arbeitszeit und erfordert es das Wohl der Pflegebedürftigen, ist ausnahmsweise anerkannt, dass die Beschäftigten in den Gesundheitsberufen auch über ihre reguläre Dienstzeit hinaus verpflichtet sein können, die Versorgung der Patienten beziehungsweise Pflegebedürftigen sicherzustellen.
In den Arbeitsbereichen Medizin und Pflege fallen mitunter unaufschiebbare Tätigkeiten an, die im Sinne des Gesundheitsschutzes ohne Rücksicht auf die festgesetzte reguläre Dienstzeit erledigt werden müssen. Werden im Rahmen einer dringenden medizinischen Behandlungssituation bestimmte pflegerische Leistungen fällig, dürfen diese nicht verweigert werden.
Der absolute Grenzwert wird durch das Arbeitszeitgesetz festgelegt: Gemäß § 3 Satz 2 ArbZG ist die Höchstgrenze auf maximal 10 Arbeitsstunden festgesetzt. Anordnungen von Überstunden, die hierüber hinausgehen, verstoßen gegen ein gesetzliches Verbot und können somit sanktionslos verweigert werden. Daneben gilt: Wird das betriebliche Arbeitszeitvolumen nachhaltig und belegbar durch Überstundenkontingente erfüllt, vermag dies einen prozessualen Unterlassungsanspruch der betroffenen Arbeitnehmer zu begründen.
Hinweis: Arbeitszeitrechtliche Abweichungen hiervon können durch Notfälle und andere außergewöhnliche Fälle gerechtfertigt sein (siehe: Überstunden und Urlaub während der epidemischen Sondersituation). So wurden im Zuge der Coronapandemie arbeitszeitrechtliche Lockerungen für systemrelevante Berufe per Verordnung in Kraft gesetzt, sodass unter anderem eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit auf 12 Stunden ermöglicht wurde.
Redaktionstipp: Grundsätzlich sind auch Teilzeitkräfte nur durch vertragliche Vereinbarung zur Leistung von Überstunden angehalten. Hier ergeben sich jedoch anderweitige Besonderheiten, die man als Arbeitskraft auf Teilzeit kennen sollte. Mehr dazu finden Sie hier.