Klaus Huth fragt: Zur bequemen Überwindung der verschiedenen Stockwerke unserer stationären Pflegeeinrichtung ist ein Treppenlifter installiert worden, der von den mobilen Bewohnern mit einem Schlüssel bedient werden kann. Obwohl ein bestimmter Bewohner nach der Herausgabe des Schlüssels verlangt, wird ihm dies durch die Heimleitung verweigert. Zur Begründung wird auf das individuelle Sturzrisiko hingewiesen. In meiner Eigenschaft als Pflegedienstleiter teile ich diese Risikoeinschätzung nicht.
Antwort der Redaktion: Die Frage wirft Probleme aus verschiedenen Bereichen auf. Das erste Problemfeld betrifft das Verhältnis zwischen Pflegedienstleitung und Heimleitung. Der Pflegedienstleitung ist die oberste fachliche Kompetenz in allen pflegerischen Fragen einer Einrichtung zugeschrieben. Dementsprechend ist sie anordnungsbefugt gegenüber dem nachgeordneten pflegerischen Arbeitsbereich.
Bei einem pflegefachlichen Interessenskonflikt mit der Heimleitung besteht jedoch das Problem, dass der Heimleitung gegenüber der Pflegedienstleitung ein Weisungsrecht zusteht. Dies resultiert im Wesentlichen aus den Regelungen des Arbeitsrechts, hier aber auch dem Hausrecht. In der angefragten Fallgestaltung kann die Heimleitung daher trotz gegenteiliger (eventuell sogar richtiger) Risikoeinschätzung des Pflegedienstleiters diesem gegenüber verbindliche anders gerichtete Weisungen erteilen.
Eine andere Problematik zeichnet sich aus dem Verhältnis des Bewohners zur Einrichtung und damit gegenüber der Heimleitung ab. Hier bestehen wechselseitige Rechtspflichten aus dem Heimrecht und dem allgemeinen Haftungsrecht. Sofern der Heimvertrag kein originäres Nutzungsrecht des Treppenlifts gewährt, stellt sich die Frage, ob die Bereitstellung der vorhandenen Hilfsmittel nach dem Wunsch der Heimbewohner eine vertragliche Nebenpflicht begründet.
Beiden Vertragsparteien wird (auch außerhalb des geschriebenen Vertragstextes) in der Abwicklung eines Vertrags gegenseitige Rücksichtnahme sowie wechselseitige Schutz- und Fürsorgepflichten in der Vertragsabwicklung abverlangt. In einen Heimvertrag müssen als Schutz- und Fürsorgepflichten vor allem die Vorgaben des Heimrechts einbezogen werden. Einige Bestimmungen des Heimrechts sind sogar zwingendes Recht.
Im vorliegenden Fall können Nebenpflichten aus den Schutz- und Fürsorgevorgaben des §§ 2 Absatz 1 und 11 HeimG entwickelt werden. Hiernach sind die Einrichtungen unter anderem gehalten, die Würde, Selbständigeit und Eingliederung behinderter Bewohner (§ 11 Absatz 1 Nummer 4 HeimG) zu fördern. Eine vertragliche Nebenpflicht zur Gewährung der vorhandenen Hilfsmittel kann für die Einrichtung aber höchstens so weit bestehen, dass der Bewohner bei deren Benutzung keinen Gefahren ausgesetzt wird.
Bei der Frage, ob ein Bewohner sich die Gewährung eines vorhandenen Hilfsmittels erzwingen kann, kommt es damit letztlich auf die konkrete Gefahr (hier: Sturz) an, die sich für ihn aus der eigenständigen Nutzung des Hilfsmittels ergeben könnte. In Fällen, in denen die sichere Beherrschbarkeit des Lifters nicht eindeutig zu bejahen ist, sollte dies durch einen Arzt geklärt und attestiert werden. Bei allen Nutzern muss die „Liftetauglichkeit“ regelmäßig hinterfragt werden. Kommt es dann dennoch zu einem Sturz, dessen Ursache auf die Konstitution des Bewohners zurückgeht, hat die Einrichtung die Sorgfaltsanforderungen gewahrt und ist keiner Haftung ausgesetzt.