Ermittlung gegen neun Beschäftigte
Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen Beschäftigte des Helios Klinikum in Pforzheim eingeleitet. Sie hatten einen Patienten fixiert, der daraufhin bei einem Klinik-Brand gestorben ist. Wie sich nun herausstellte, sei die Fixierung wohl rechtswidrig gewesen.
„Nach den bisherigen Ermittlungen besteht der Verdacht, dass die Fixierung des Verstorbenen nicht richterlich genehmigt worden und daher rechtswidrig war“, erklärte die Staatsanwaltschaft gemeinsam mit der Polizei Pforzheim in einer Pressemitteilung. Außerdem sei der Patient – während er fixiert war – nicht ausreichend überwacht worden.
Die Staatsanwaltschaft ermittle nun gegen neun Beschäftigte wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung – betroffen sind sowohl Pflegekräfte als auch Ärzte. Inwieweit sie Schuld am Tod des Patienten haben, sei Gegenstand der laufenden Ermittlungen.
Auf Anfrage der Rechtsdepesche teilte der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft mit, dass darüber hinaus keine weiteren Informationen veröffentlicht werden können: „Jede Auskunft, kann die Ermittlungen beeinflussen“, hieß es. Inwieweit sich die neun Personen jeweils an der Fixierung beteiligt haben, müsse jetzt geprüft werden, so der Sprecher.
Patient soll Klinik-Brand selbst verursacht haben
Der 58-jährige Patient soll am Abend des 2. Mai 2023 von den Beschäftigten in der Notaufnahme der Klinik an einem Bett fixiert worden sein, weil er stark alkoholisiert und aggressiv gewesen sein soll. Das Personal hatte angegeben am Abend niemanden für eine richterliche Genehmigung erreicht zu haben.
Wenig später soll dann auch in der Notaufnahme das Feuer ausgebrochen sein, durch das der Mann laut Obduktion gestorben ist. Nach aktuellem Erkenntnisstand soll auch er es selbst gewesen sein, der den Brand verursacht hat – trotz Fixierung.
Fixierung: Ein komplexes Rechtsthema
„In den ersten Minuten von Schutzfixierungen geht es immer um die Abwägung: Freiheitsentziehung aber andererseits ein wesentlich höheres Rechtsgut – inbesondere sein Leben schützen“, sagt Rechtsanwalt und Experte für Medizinrecht Hubert Klein. Doch auch mit akuter Gefährdung durch aggressive und alkoholisierte Patienten wie im Fall in Pforzheim müssen bei einer Fixierung viele weitere Dinge berücksichtigt werden, damit alles rechtlich einwandfrei abläuft.
Grundsätzlich kann eine Fixierung nur mit ärztlicher Anordnung umgesetzt werden. Doch oft dauert es einige Minuten, bis die Ärztin oder der Arzt am Ort des Geschehens eintrifft. In dieser Zeit müssen Pflegefachkräfte den Patienten eventuell schon festhalten oder gar fixieren. Rechtlich zulässig ist so ein Handeln durch den „rechtfertigenden Notstand“, erklärt Klein. „Für die ersten Minuten müssen die Pflegekräfte die Gefahr selbst abschätzen, bis der Arzt kommt. Dann übernimmt er die Verantwortung für die Fixierung“.
Sobald der Arzt die Gefährdung bestätigt und die Fixierung offiziell fachlich weiter geführt sehen will, soll diese alsbald aus der Nostandsfixierung (§ 34 StGB) herausgeführt werden.
Es muss nach einem berechtigten Stellvertreter gesucht werden (Betreuer, Bevollmächtigter, neuerdings Ehegatte, oder Notdienstbeamter vom Ordnungsamt). Dieser Vertreter muss nun rechtlich als Stellvertreter der Fixierung abwägen und einwilligen. Diese Einwilligung muss dann alsbald vom Betreuungsgericht genehmigt werden.
Eine Richterbeteiligung ist allerdings nur bei länger andauernden Fixierungen vorausgesetzt. Was genau mit „längerer Dauer“ gemeint ist, bleibt in der Rechtsprechung unscharf. Für Gurtfixierungen muss aber seit einem Urteil des BVerfG aus 2018 ab 30 Minuten von einer längeren Fixierung ausgegangen werden.
Richterlicher Beschluss bei längerer Fixierung
„Wenn der Arzt nach zehn Minuten merkt, die Fixierung geht länger als eine halbe Stunde, dann sollte der Richter angerufen werden“, sagt Klein. Für diese Fälle gibt es einen richterlichen Bereitschaftsdienst. Der ist sieben Tage die Woche von 6 Uhr bis 21 Uhr erreichbar. Doch was passiert, wenn eine Fixierung nach 21 Uhr – wie beim Fall in Pforzheim – nötig ist.
„Dann muss das Ordnungsamt kontaktiert werden“, so Klein. Dieses könne eine Fixierung einstweilig verfügen, bis dann am nächsten Tag die richterliche Anordnung nachträglich erfolgt.
Entscheidender für den Fall Pforzheim, sei aber der Umstand, dass der Patient während der Fixierung nicht ausreichend überwacht wurde, glaubt Klein: „Den Richter oder das Ordnungsamt nicht anzurufen ist natürlich formal falsch. Es handelt sich dann hierbei um eine unerlaubte Freiheitsentziehung und damit um eine Freiheitsberaubung (§ 239 StGB).
Sollte das aber zum ersten Mal passiert sein, dann wäre das Verfahren vermutlich wegen geringer Schuld eingestellt worden. Aber hier kommt hinzu, dass der Patient während der Fixierung verstorben ist. Damit stellt sich die Frage ob hier nicht nur formal unrichtig, sondern auch fachlich unsorgfältig gehandelt worden war.
Nach den Vorgaben des BVerfG aus 2018 ist eine adäquate Überwachung bei Gurtfixierungen hierbei eine 1:1‑Betreuung während der gesamten Dauer der Fixierung. Das bedeutet eine Dauersitzwache pro Bett. Zudem muss zwischenzeitlich auch der Arzt immer mal wieder eine Kontrolle durchführen – Häufigkeit je nach Grad der Gefährdung.
Inwieweit diese Maßnahmen im Helios Klinikum umgesetzt wurden, ist aktuell noch Gegenstand der Ermittlungen.
Helios Klinikum stellt Mitarbeiter frei
Indes hat sich das Helios Klinikum Pforzheim mit einem Statement an die Öffentlichkeit gewandt. „Wir bedauern den Tod des Patienten, der bei einem Brand in unserer Notaufnahme ums Leben gekommen ist, sehr“, heißt es in der Erklärung.
Das habe man auch der Familie mitgeteilt und ihr umfassende psychologische Unterstützung angeboten. Zudem hat die Klinik ihre „uneingeschränkte“ Unterstützung für die Ermittlungsbehörden angeboten. Die von den Ermittlungen betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habe die Klinik bis auf Weiteres von der Arbeit freigestellt.