Brand
Die Feuer­wehr im Einsatz (Symbol­bild) Bild: Tobias Arhel­ger | Dreamstime.com

Ermitt­lung gegen neun Beschäf­tigte

Die Staats­an­walt­schaft hat Ermitt­lun­gen gegen Beschäf­tigte des Helios Klini­kum in Pforz­heim einge­lei­tet. Sie hatten einen Patien­ten fixiert, der darauf­hin bei einem Klinik-Brand gestor­ben ist. Wie sich nun heraus­stellte, sei die Fixie­rung wohl rechts­wid­rig gewesen.

„Nach den bishe­ri­gen Ermitt­lun­gen besteht der Verdacht, dass die Fixie­rung des Verstor­be­nen nicht richter­lich geneh­migt worden und daher rechts­wid­rig war“, erklärte die Staats­an­walt­schaft gemein­sam mit der Polizei Pforz­heim in einer Presse­mit­tei­lung. Außer­dem sei der Patient – während er fixiert war – nicht ausrei­chend überwacht worden.

Die Staats­an­walt­schaft ermittle nun gegen neun Beschäf­tigte wegen des Verdachts der Freiheits­be­rau­bung – betrof­fen sind sowohl Pflege­kräfte als auch Ärzte. Inwie­weit sie Schuld am Tod des Patien­ten haben, sei Gegen­stand der laufen­den Ermitt­lun­gen.

Auf Anfrage der Rechts­de­pe­sche teilte der Presse­spre­cher der Staats­an­walt­schaft mit, dass darüber hinaus keine weite­ren Infor­ma­tio­nen veröf­fent­licht werden können: „Jede Auskunft, kann die Ermitt­lun­gen beein­flus­sen“, hieß es. Inwie­weit sich die neun Perso­nen jeweils an der Fixie­rung betei­ligt haben, müsse jetzt geprüft werden, so der Sprecher.

Patient soll Klinik-Brand selbst verur­sacht haben

Der 58-jährige Patient soll am Abend des 2. Mai 2023 von den Beschäf­tig­ten in der Notauf­nahme der Klinik an einem Bett fixiert worden sein, weil er stark alkoho­li­siert und aggres­siv gewesen sein soll. Das Perso­nal hatte angege­ben am Abend nieman­den für eine richter­li­che Geneh­mi­gung erreicht zu haben.

Wenig später soll dann auch in der Notauf­nahme das Feuer ausge­bro­chen sein, durch das der Mann laut Obduk­tion gestor­ben ist. Nach aktuel­lem Erkennt­nis­stand soll auch er es selbst gewesen sein, der den Brand verur­sacht hat – trotz Fixie­rung.

Fixie­rung: Ein komple­xes Rechts­thema

„In den ersten Minuten von Schutz­fi­xie­run­gen geht es immer um die Abwägung: Freiheits­ent­zie­hung aber anderer­seits ein wesent­lich höheres Rechts­gut – inbeson­dere sein Leben schüt­zen“, sagt Rechts­an­walt und Experte für Medizin­recht Hubert Klein. Doch auch mit akuter Gefähr­dung durch aggres­sive und alkoho­li­sierte Patien­ten wie im Fall in Pforz­heim müssen bei einer Fixie­rung viele weitere Dinge berück­sich­tigt werden, damit alles recht­lich einwand­frei abläuft.

Grund­sätz­lich kann eine Fixie­rung nur mit ärztli­cher Anord­nung umgesetzt werden. Doch oft dauert es einige Minuten, bis die Ärztin oder der Arzt am Ort des Gesche­hens eintrifft. In dieser Zeit müssen Pflege­fach­kräfte den Patien­ten eventu­ell schon festhal­ten oder gar fixie­ren. Recht­lich zuläs­sig ist so ein Handeln durch den „recht­fer­ti­gen­den Notstand“, erklärt Klein. „Für die ersten Minuten müssen die Pflege­kräfte die Gefahr selbst abschät­zen, bis der Arzt kommt. Dann übernimmt er die Verant­wor­tung für die Fixie­rung“.

Sobald der Arzt die Gefähr­dung bestä­tigt und die Fixie­rung offizi­ell fachlich weiter geführt sehen will, soll diese alsbald aus der Nostands­fi­xie­rung (§ 34 StGB) heraus­ge­führt werden.

Es muss nach einem berech­tig­ten Stell­ver­tre­ter gesucht werden (Betreuer, Bevoll­mäch­tig­ter, neuer­dings Ehegatte, oder Notdienst­be­am­ter vom Ordnungs­amt). Dieser Vertre­ter muss nun recht­lich als Stell­ver­tre­ter der Fixie­rung abwägen und einwil­li­gen. Diese Einwil­li­gung muss dann alsbald vom Betreu­ungs­ge­richt geneh­migt werden.

Eine Richter­be­tei­li­gung ist aller­dings nur bei länger andau­ern­den Fixie­run­gen voraus­ge­setzt. Was genau mit „länge­rer Dauer“ gemeint ist, bleibt in der Recht­spre­chung unscharf. Für Gurtfi­xie­run­gen muss aber seit einem Urteil des BVerfG aus 2018 ab 30 Minuten von einer länge­ren Fixie­rung ausge­gan­gen werden.

Richter­li­cher Beschluss bei länge­rer Fixie­rung

„Wenn der Arzt nach zehn Minuten merkt, die Fixie­rung geht länger als eine halbe Stunde, dann sollte der Richter angeru­fen werden“, sagt Klein. Für diese Fälle gibt es einen richter­li­chen Bereit­schafts­dienst. Der ist sieben Tage die Woche von 6 Uhr bis 21 Uhr erreich­bar. Doch was passiert, wenn eine Fixie­rung nach 21 Uhr – wie beim Fall in Pforz­heim – nötig ist.

„Dann muss das Ordnungs­amt kontak­tiert werden“, so Klein. Dieses könne eine Fixie­rung einst­wei­lig verfü­gen, bis dann am nächs­ten Tag die richter­li­che Anord­nung nachträg­lich erfolgt.

Entschei­den­der für den Fall Pforz­heim, sei aber der Umstand, dass der Patient während der Fixie­rung nicht ausrei­chend überwacht wurde, glaubt Klein: „Den Richter oder das Ordnungs­amt nicht anzuru­fen ist natür­lich formal falsch. Es handelt sich dann hierbei um eine unerlaubte Freiheits­ent­zie­hung und damit um eine Freiheits­be­rau­bung (§ 239 StGB).

Sollte das aber zum ersten Mal passiert sein, dann wäre das Verfah­ren vermut­lich wegen gerin­ger Schuld einge­stellt worden. Aber hier kommt hinzu, dass der Patient während der Fixie­rung verstor­ben ist. Damit stellt sich die Frage ob hier nicht nur formal unrich­tig, sondern auch fachlich unsorg­fäl­tig gehan­delt worden war.

Nach den Vorga­ben des BVerfG aus 2018 ist eine adäquate Überwa­chung bei Gurtfi­xie­run­gen hierbei eine 1:1‑Betreuung während der gesam­ten Dauer der Fixie­rung. Das bedeu­tet eine Dauer­sitz­wa­che pro Bett. Zudem muss zwischen­zeit­lich auch der Arzt immer mal wieder eine Kontrolle durch­füh­ren – Häufig­keit je nach Grad der Gefähr­dung.

Inwie­weit diese Maßnah­men im Helios Klini­kum umgesetzt wurden, ist aktuell noch Gegen­stand der Ermitt­lun­gen.

Helios Klini­kum stellt Mitar­bei­ter frei

Indes hat sich das Helios Klini­kum Pforz­heim mit einem State­ment an die Öffent­lich­keit gewandt. „Wir bedau­ern den Tod des Patien­ten, der bei einem Brand in unserer Notauf­nahme ums Leben gekom­men ist, sehr“, heißt es in der Erklä­rung.

Das habe man auch der Familie mitge­teilt und ihr umfas­sende psycho­lo­gi­sche Unter­stüt­zung angebo­ten. Zudem hat die Klinik ihre „unein­ge­schränkte“ Unter­stüt­zung für die Ermitt­lungs­be­hör­den angebo­ten. Die von den Ermitt­lun­gen betrof­fe­nen Mitar­bei­te­rin­nen und Mitar­bei­ter habe die Klinik bis auf Weite­res von der Arbeit freige­stellt.