Etliche Patiententode durch Fixierung
Freiheitsentziehende Maßnahmen werden im Gesundheitswesen aus verschiedenen Gründen angewendet. In Psychiatrien werden Fixierungen vor allem eingesetzt, um Selbstverletzungen und Suizidversuche abzuwenden. In anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens – gerade in der Altenpflege – werden sie genutzt, um Stürze zu vermeiden, Gefahren für das Personal abzuwenden oder die medizinische Versorgung sicherzustellen.
Egal welche Gründe es für eine Fixierung geben mag, in jedem Fall unterliegt sie strengen Regulierungen. Denn wer eine Fixierung nicht fachgerecht durchführt, riskiert mitunter das Leben der Patienten.
Wie häufig sich Todesfälle im Rahmen von Fixierungen ereignen, ist statistisch nicht erfasst, da es keine einheitliche Meldepflicht gibt. Nachvollziehen lassen sich entsprechende Ereignisse hauptsächlich aus Medienberichten und der rechtsmedizinischen Literatur. Vereinzelt wurden Studien durchgeführt, die Zusammenhänge von Fixierungen und möglichen Schäden zum Gegenstand hatten.
Demnach ist bei Fixierungen das Risiko erhöht, eine Thrombose oder Lungenembolie zu erleiden. Häufig sind auch Strangulationstode dokumentiert, die ihre Ursache in der fehlerhaften Anbringung der Vorrichtung und in mangelnder Aufsicht der Patienten haben[1]. Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass die Schäden durch 1‑Punkt‑, 5‑Punkt- und 7‑Punkt-Fixierungen gemeinsam erfasst werden und nicht klar differenziert werden kann, welches Fixiersystem genau welche Schäden verursacht. Als wesentliche Todesursachen können somit Kopftieflage, Brustkorbkompression und Strangulation festgehalten werden [2].
Tödliche Fixierungen machen immer mal wieder Schlagzeilen. So etwa im Mai 2019. Damals war ein 33-jähriger Mann, der unter Drogeneinfluss stand, nach aggressivem Verhalten fixiert worden, wobei ein Sicherheitsdienstmitarbeiter laut Staatsanwaltschaft seinen Kopf mit einem Kissen so zur Seite drückte, dass seine Atmung behindert wurde, was später zu seinem Tod führte. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen des Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge gegen mehrere Beteiligte, darunter Polizeibeamte, Krankenhauspersonal und Sicherheitsdienstmitarbeiter.
Medial sorgte auch im Jahr 2024 ein Fall aus Pforzheim für Aufsehen. Hier war ein fixierter Patient bei einem Klinikbrand ums Leben gekommen. Der Mann war alkoholisiert und zeigte aggressives Verhalten, was wohl der Grund für die Fixierung war. Nach einem Jahr Ermittlungszeit hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen sieben Ärzte und Pfleger erhoben. Der Vorwurf: Freiheitsberaubung mit Todesfolge. Dreien der Angeklagten wird zudem fahrlässige Tötung vorgeworfen. Die Fixierung war nach Ansicht der Staatsanwaltschaft weder durch das Betreuungsgericht genehmigt, noch adäquat durchgeführt worden. Bei ausreichender Überwachung hätte der Patient wohl gerettet werden können, so die Staatsanwaltschaft.
Damit sich solche Todesfälle nicht wiederholen und die Fixierenden keine haftungsrechtlichen Konsequenzen zu befürchten haben, gibt es einige rechtliche Vorgaben, die eingehalten werden müssen.
Wann ist eine Fixierung gerechtfertigt?
Grundsätzlich greift eine Fixierung – sollte sie willenswidrig erfolgen – die Freiheitsrechte eines jeden Patienten an. Ohne einen Rechtfertigungsgrund ist somit der Tatbestand der Freiheitsberaubung gemäß § 239 StGB erfüllt und die Fixierenden müssten strafrechtliche Konsequenzen befürchten.
Eine Rechtsgrundlage bieten die Landesgesetze nur in Bezug auf Unterbringungen in psychiatrischen Einrichtungen im Rahmen der sogenannten Psychisch-Kranken-Gesetze (PsychKG). Im PsychKG von Nordrhein-Westfalen heißt es etwa, dass Fixierungen als besondere Sicherungsmaßnahmen zur Abwendung einer Selbstgefährdung oder einer Gefährdung Dritter eingesetzt werden dürfen – sofern es kein milderes Mittel gibt.
Eine gleichwertige Regelung neben dem PsychKG, die auch für andere Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen gilt, gibt es auf landesrechtlicher Ebene nicht – eine solche wäre allerdings durchaus hilfreich mit Blick auf die Tatsache, dass in somatischen Krankenhäusern häufiger fixiert wird als in Psychiatrien [3].
In der Praxis führt das dazu, dass die Beteiligten einen Umweg über das Betreuungsrecht gehen müssen, um eine Fixierung zu erwirken [4]. Grundlage hierfür bietet § 1831 BGB:
§ 1831 Freiheitsentziehende Unterbringung und freiheitsentziehende Maßnahmen
(1) Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, ist nur zulässig, solange sie erforderlich ist, weil
1. aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt, oder
2. zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, die Maßnahme ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann und der Betreute aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann.
Wenn diese Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind, ist die Maßnahme umgehend zu lösen.
Alternativ kann auch aus dem rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB) heraus gehandelt werden. Dann kann eine Fixierung zunächst auch ohne richterliche Genehmigung durchgesetzt werden. Das Betreuungsgericht ist in einem solchen Fall allerdings unverzüglich zu informieren und eine Genehmigung nachzuholen – dazu gleich mehr.
Der praktische Umgang mit Fixierungen – so muss sie ablaufen!
Wegweisend für den praktischen Umgang mit Fixierungen ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Juli 2018 [5]. In dem Urteil ging es um freiheitsentziehende Maßnahmen in zwei Fällen, wo in zwei unterschiedlichen psychiatrischen Einrichtungen jeweils eine 5‑Punkt- und eine 7‑Punkt-Fixierung eingesetzt wurde. Die Vorgaben des Urteils gelten auch außerhalb von psychiatrischen Einrichtungen.
Kann ein Patient – aus welchen Gründen auch immer – nicht selbst einwilligen, dann muss die Zustimmung des Betreuers oder Vorsorgebevollmächtigten eingeholt werden. Die Anordnung für eine Fixierung kann hierbei nur von einem Arzt kommen. Ist dieser nicht zugegen, wenn ein Patient akut eine Gefahr für sich selbst oder andere darstellt, dann kann zunächst im Rahmen des rechtfertigenden Notstands eine Fixierung durch das Pflegepersonal vorgenommen werden.
Diese Notstandfixierung muss dann möglichst schnell von einem Arzt beurteilt werden, der dann entscheidet, ob die Maßnahme weitergeführt wird oder nicht. Diese besondere Situation umgeht die rechtliche Vorgabe, dass eine Freiheitsentziehung grundsätzlich immer eine vorherige richterliche Anordnung erfordert.
Eine solche ist allerdings – wie bereits angemerkt – unverzüglich nachzuholen, wenn davon ausgegangen werden kann, dass die Fixierung über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig erfolgen muss. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat hierbei konkretisiert, dass von einer kurzfristigen Maßnahme in der Regel auszugehen ist, wenn sie absehbar die Dauer von ungefähr einer halben Stunde unterschreitet – alles darüber gilt als längerfristig.
Das bedeutet nicht, dass innerhalb dieser halben Stunde, eine richterliche Genehmigung vorliegen muss, sondern dass erst bei einer Fixierung, die länger als eine halbe Stunde dauert, eine richterliche Genehmigung rechtlich erfordert wird. Dennoch sollten sich die Fixierenden nicht erst nach Ablauf der halben Stunde um eine richterliche Genehmigung kümmern. Unverzüglich ist nach Bundesverfassungsgericht dahingehend auszulegen, dass eine richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung erfolgen muss – sofern sich diese nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt. So könnten nachvollziehbare Verzögerungen durch die Länge des Weges, Schwierigkeiten beim Transport, die notwendige Registrierung und Protokollierung oder ein renitentes Verhalten des Betroffenen auftreten.
Richtige Aufsicht rettet Leben
Wie der Fall aus Pforzheim zeigt, hätte das zuständige Krankenhauspersonal bei einer fachlich korrekt durchgeführten Fixierung nicht nur ein Menschenleben retten, sondern sich auch vor rechtlichen Konsequenzen schützen können.
In Bezug auf die richtige Durchführung stellt das Bundesverfassungsgericht eine Sache klar: Die Fixierung wird grundsätzlich begleitet von einer Eins-zu-Eins-Betreuung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal. Das Gericht führt hierzu aus:
BVG vom 24. Juli 2018
„Auch bei sachgemäßer Durchführung könnten sich Patienten im Rahmen einer Fixierung oder einer Isolierung erheblich verletzen oder andere gesundheitliche Folgen wie eine Venenthrombose oder Lungenembolie durch die längerdauernde Immobilisation erleiden. Bei der Fixierung werde es als erforderlich angesehen, dass eine kontinuierliche Eins-zu-eins-Überwachung mit persönlichem Kontakt für die Dauer der Maßnahme gewährleistet sei.“
Eine dauerhafte Eins-zu-Eins-Aufsicht des fixierten Patienten ist also unabdingbar, um dessen gesundheitliches Wohlergehen dauerhaft sicherzustellen. Eine solche Betreuung ist in jedem Fall sicherzustellen, Personalmangel kann hierbei nicht als Ausrede gelten. Zusätzlich muss die Maßnahme auch immer wieder ärztlich überwacht werden.
Ein Blick in die Psychisch-Kranken-Gesetze der Länder konkretisiert gegebenenfalls die Ausgestaltung der Eins-zu-Eins-Betreuung. Im PsychKG NRW heißt es, dass „eine Beobachtung durch den Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen sowie zum Abhören und Aufzeichnen des gesprochenen Wortes“ verboten ist.
Tatsächlich ist die leibliche, persönliche Aufsicht während der gesamten Fixierung notwendig, auch um kontinuierlich die Vitalfunktionen des Patienten überwachen zu können. Was vom Krankenhauspersonal in der Praxis häufig als immenser Arbeitsaufwand aufgefasst wird, soll letztlich dazu dienen, Menschenleben zu retten.
Wie Berzlanovich et al. schon in ihrer Studie von 2012 schlussfolgerten, ist die beste Möglichkeit um Todesfälle bei Fixierungen zu vermeiden, allerdings nicht die richtige Anbringung der Fixierungsvorrichtung und die adäquate Aufsicht des Patienten, sondern die Ausschöpfung aller Alternativen von freiheitsentziehenden Maßnahmen.
Quellen:
- Kersting, Xenia A. K. (2018): Schäden und Todesfälle im Rahmen von Zwangsmaßnahmen bei psychiatrischen Patienten – ein systematisches Review. Universitätsklinikum Ulm, Dissertation.
- Berzlanovich, Andrea M., Schöpfer, Jutta & Keil, Wolfgang (2012): Todesfälle bei Gurtfixierungen. Deutsches Ärzteblatt, 109(3), S. 27–32.
- Steinert, T. & Ketelsen, R (2014): Fixierungen im somatischen Krankenhaus häufiger als in der Psychiatrie? Psychiatr Prax 41, S. 52–53.
- Mazur, Szymon (2019) in GuP, 121.
- BVerG vom 24. Juli 2028 – 2 BvR 309/15, 2 BvR 502/16
welche Qualifikation muss bei eins-zu-eins-Betreuung die „Aufsicht“ mindestens haben? Kann es z.B. eine ungelernte Kraft z.B. Aushilfe, sein oder sollte es eine dreijährig Examinierte Mitarbeitende sein?