Fixierung
Todes­fälle bei Fixie­run­gen kommen immer wieder vor. Bild: © Miklos Polgar | Dreamstime.com

Etliche Patien­ten­tode durch Fixie­rung

Freiheits­ent­zie­hende Maßnah­men werden im Gesund­heits­we­sen aus verschie­de­nen Gründen angewen­det. In Psych­ia­trien werden Fixie­run­gen vor allem einge­setzt, um Selbst­ver­let­zun­gen und Suizid­ver­su­che abzuwen­den. In anderen Einrich­tun­gen des Gesund­heits­we­sens – gerade in der Alten­pflege – werden sie genutzt, um Stürze zu vermei­den, Gefah­ren für das Perso­nal abzuwen­den oder die medizi­ni­sche Versor­gung sicher­zu­stel­len.

Egal welche Gründe es für eine Fixie­rung geben mag, in jedem Fall unter­liegt sie stren­gen Regulie­run­gen. Denn wer eine Fixie­rung nicht fachge­recht durch­führt, riskiert mitun­ter das Leben der Patien­ten.

Wie häufig sich Todes­fälle im Rahmen von Fixie­run­gen ereig­nen, ist statis­tisch nicht erfasst, da es keine einheit­li­che Melde­pflicht gibt. Nachvoll­zie­hen lassen sich entspre­chende Ereig­nisse haupt­säch­lich aus Medien­be­rich­ten und der rechts­me­di­zi­ni­schen Litera­tur. Verein­zelt wurden Studien durch­ge­führt, die Zusam­men­hänge von Fixie­run­gen und mögli­chen Schäden zum Gegen­stand hatten.

Demnach ist bei Fixie­run­gen das Risiko erhöht, eine Throm­bose oder Lungen­em­bo­lie zu erlei­den. Häufig sind auch Stran­gu­la­ti­ons­tode dokumen­tiert, die ihre Ursache in der fehler­haf­ten Anbrin­gung der Vorrich­tung und in mangeln­der Aufsicht der Patien­ten haben[1]. Wichtig ist in diesem Zusam­men­hang zu erwäh­nen, dass die Schäden durch 1‑Punkt‑, 5‑Punkt- und 7‑Punkt-Fixie­run­gen gemein­sam erfasst werden und nicht klar diffe­ren­ziert werden kann, welches Fixier­sys­tem genau welche Schäden verur­sacht. Als wesent­li­che Todes­ur­sa­chen können somit Kopftief­lage, Brust­korb­kom­pres­sion und Stran­gu­la­tion festge­hal­ten werden [2].

Tödli­che Fixie­run­gen machen immer mal wieder Schlag­zei­len. So etwa im Mai 2019. Damals war ein 33-jähri­ger Mann, der unter Drogen­ein­fluss stand, nach aggres­si­vem Verhal­ten fixiert worden, wobei ein Sicher­heits­dienst­mit­ar­bei­ter laut Staats­an­walt­schaft seinen Kopf mit einem Kissen so zur Seite drückte, dass seine Atmung behin­dert wurde, was später zu seinem Tod führte. Die Staats­an­walt­schaft erhob Anklage wegen des Verdachts der Körper­ver­let­zung mit Todes­folge gegen mehrere Betei­ligte, darun­ter Polizei­be­amte, Kranken­haus­per­so­nal und Sicher­heits­dienst­mit­ar­bei­ter.

Medial sorgte auch im Jahr 2024 ein Fall aus Pforz­heim für Aufse­hen. Hier war ein fixier­ter Patient bei einem Klinik­brand ums Leben gekom­men. Der Mann war alkoho­li­siert und zeigte aggres­si­ves Verhal­ten, was wohl der Grund für die Fixie­rung war. Nach einem Jahr Ermitt­lungs­zeit hat die Staats­an­walt­schaft Anklage gegen sieben Ärzte und Pfleger erhoben. Der Vorwurf: Freiheits­be­rau­bung mit Todes­folge. Dreien der Angeklag­ten wird zudem fahrläs­sige Tötung vorge­wor­fen. Die Fixie­rung war nach Ansicht der Staats­an­walt­schaft weder durch das Betreu­ungs­ge­richt geneh­migt, noch adäquat durch­ge­führt worden. Bei ausrei­chen­der Überwa­chung hätte der Patient wohl geret­tet werden können, so die Staats­an­walt­schaft.

Damit sich solche Todes­fälle nicht wieder­ho­len und die Fixie­ren­den keine haftungs­recht­li­chen Konse­quen­zen zu befürch­ten haben, gibt es einige recht­li­che Vorga­ben, die einge­hal­ten werden müssen.

Wann ist eine Fixie­rung gerecht­fer­tigt?

Grund­sätz­lich greift eine Fixie­rung – sollte sie willens­wid­rig erfol­gen – die Freiheits­rechte eines jeden Patien­ten an. Ohne einen Recht­fer­ti­gungs­grund ist somit der Tatbe­stand der Freiheits­be­rau­bung gemäß § 239 StGB erfüllt und die Fixie­ren­den müssten straf­recht­li­che Konse­quen­zen befürch­ten.

Eine Rechts­grund­lage bieten die Landes­ge­setze nur in Bezug auf Unter­brin­gun­gen in psych­ia­tri­schen Einrich­tun­gen im Rahmen der sogenann­ten Psychisch-Kranken-Gesetze (PsychKG). Im PsychKG von Nordrhein-Westfa­len heißt es etwa, dass Fixie­run­gen als beson­dere Siche­rungs­maß­nah­men zur Abwen­dung einer Selbst­ge­fähr­dung oder einer Gefähr­dung Dritter einge­setzt werden dürfen – sofern es kein milde­res Mittel gibt.

Eine gleich­wer­tige Regelung neben dem PsychKG, die auch für andere Kranken­häu­ser und Pflege­ein­rich­tun­gen gilt, gibt es auf landes­recht­li­cher Ebene nicht – eine solche wäre aller­dings durch­aus hilfreich mit Blick auf die Tatsa­che, dass in somati­schen Kranken­häu­sern häufi­ger fixiert wird als in Psych­ia­trien [3].

In der Praxis führt das dazu, dass die Betei­lig­ten einen Umweg über das Betreu­ungs­recht gehen müssen, um eine Fixie­rung zu erwir­ken [4]. Grund­lage hierfür bietet § 1831 BGB:

§ 1831 Freiheits­ent­zie­hende Unter­brin­gung und freiheits­ent­zie­hende Maßnah­men

(1) Eine Unter­brin­gung des Betreu­ten durch den Betreuer, die mit Freiheits­ent­zie­hung verbun­den ist, ist nur zuläs­sig, solange sie erfor­der­lich ist, weil

1. aufgrund einer psychi­schen Krank­heit oder geisti­gen oder seeli­schen Behin­de­rung des Betreu­ten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheb­li­chen gesund­heit­li­chen Schaden zufügt, oder

2. zur Abwen­dung eines drohen­den erheb­li­chen gesund­heit­li­chen Schadens eine Unter­su­chung des Gesund­heits­zu­stands, eine Heilbe­hand­lung oder ein ärztli­cher Eingriff notwen­dig ist, die Maßnahme ohne die Unter­brin­gung des Betreu­ten nicht durch­ge­führt werden kann und der Betreute aufgrund einer psychi­schen Krank­heit oder geisti­gen oder seeli­schen Behin­de­rung die Notwen­dig­keit der Unter­brin­gung nicht erken­nen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann.

Wenn diese Voraus­set­zun­gen nicht mehr gegeben sind, ist die Maßnahme umgehend zu lösen.

Alter­na­tiv kann auch aus dem recht­fer­ti­gen­den Notstand (§ 34 StGB) heraus gehan­delt werden. Dann kann eine Fixie­rung zunächst auch ohne richter­li­che Geneh­mi­gung durch­ge­setzt werden. Das Betreu­ungs­ge­richt ist in einem solchen Fall aller­dings unver­züg­lich zu infor­mie­ren und eine Geneh­mi­gung nachzu­ho­len – dazu gleich mehr.

Der prakti­sche Umgang mit Fixie­run­gen – so muss sie ablau­fen!

Wegwei­send für den prakti­schen Umgang mit Fixie­run­gen ist ein Urteil des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts aus dem Juli 2018 [5]. In dem Urteil ging es um freiheits­ent­zie­hende Maßnah­men in zwei Fällen, wo in zwei unter­schied­li­chen psych­ia­tri­schen Einrich­tun­gen jeweils eine 5‑Punkt- und eine 7‑Punkt-Fixie­rung einge­setzt wurde. Die Vorga­ben des Urteils gelten auch außer­halb von psych­ia­tri­schen Einrich­tun­gen.

Kann ein Patient – aus welchen Gründen auch immer – nicht selbst einwil­li­gen, dann muss die Zustim­mung des Betreu­ers oder Vorsor­ge­be­voll­mäch­tig­ten einge­holt werden. Die Anord­nung für eine Fixie­rung kann hierbei nur von einem Arzt kommen. Ist dieser nicht zugegen, wenn ein Patient akut eine Gefahr für sich selbst oder andere darstellt, dann kann zunächst im Rahmen des recht­fer­ti­gen­den Notstands eine Fixie­rung durch das Pflege­per­so­nal vorge­nom­men werden.

Diese Notstand­fi­xie­rung muss dann möglichst schnell von einem Arzt beurteilt werden, der dann entschei­det, ob die Maßnahme weiter­ge­führt wird oder nicht. Diese beson­dere Situa­tion umgeht die recht­li­che Vorgabe, dass eine Freiheits­ent­zie­hung grund­sätz­lich immer eine vorhe­rige richter­li­che Anord­nung erfor­dert.

Eine solche ist aller­dings – wie bereits angemerkt – unver­züg­lich nachzu­ho­len, wenn davon ausge­gan­gen werden kann, dass die Fixie­rung über einen länge­ren Zeitraum oder regel­mä­ßig erfol­gen muss. Das Urteil des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hat hierbei konkre­ti­siert, dass von einer kurzfris­ti­gen Maßnahme in der Regel auszu­ge­hen ist, wenn sie abseh­bar die Dauer von ungefähr einer halben Stunde unter­schrei­tet – alles darüber gilt als länger­fris­tig.

Das bedeu­tet nicht, dass inner­halb dieser halben Stunde, eine richter­li­che Geneh­mi­gung vorlie­gen muss, sondern dass erst bei einer Fixie­rung, die länger als eine halbe Stunde dauert, eine richter­li­che Geneh­mi­gung recht­lich erfor­dert wird. Dennoch sollten sich die Fixie­ren­den nicht erst nach Ablauf der halben Stunde um eine richter­li­che Geneh­mi­gung kümmern. Unver­züg­lich ist nach Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt dahin­ge­hend auszu­le­gen, dass eine richter­li­che Entschei­dung ohne jede Verzö­ge­rung erfol­gen muss – sofern sich diese nicht aus sachli­chen Gründen recht­fer­ti­gen lässt. So könnten nachvoll­zieh­bare Verzö­ge­run­gen durch die Länge des Weges, Schwie­rig­kei­ten beim Trans­port, die notwen­dige Regis­trie­rung und Proto­kol­lie­rung oder ein reniten­tes Verhal­ten des Betrof­fe­nen auftre­ten.

Richtige Aufsicht rettet Leben

Wie der Fall aus Pforz­heim zeigt, hätte das zustän­dige Kranken­haus­per­so­nal bei einer fachlich korrekt durch­ge­führ­ten Fixie­rung nicht nur ein Menschen­le­ben retten, sondern sich auch vor recht­li­chen Konse­quen­zen schüt­zen können.

In Bezug auf die richtige Durch­füh­rung stellt das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt eine Sache klar: Die Fixie­rung wird grund­sätz­lich beglei­tet von einer Eins-zu-Eins-Betreu­ung durch thera­peu­ti­sches oder pflege­ri­sches Perso­nal. Das Gericht führt hierzu aus:

BVG vom 24. Juli 2018

„Auch bei sachge­mä­ßer Durch­füh­rung könnten sich Patien­ten im Rahmen einer Fixie­rung oder einer Isolie­rung erheb­lich verlet­zen oder andere gesund­heit­li­che Folgen wie eine Venen­throm­bose oder Lungen­em­bo­lie durch die länger­dau­ernde Immobi­li­sa­tion erlei­den. Bei der Fixie­rung werde es als erfor­der­lich angese­hen, dass eine konti­nu­ier­li­che Eins-zu-eins-Überwa­chung mit persön­li­chem Kontakt für die Dauer der Maßnahme gewähr­leis­tet sei.“

Eine dauer­hafte Eins-zu-Eins-Aufsicht des fixier­ten Patien­ten ist also unabding­bar, um dessen gesund­heit­li­ches Wohlerge­hen dauer­haft sicher­zu­stel­len. Eine solche Betreu­ung ist in jedem Fall sicher­zu­stel­len, Perso­nal­man­gel kann hierbei nicht als Ausrede gelten. Zusätz­lich muss die Maßnahme auch immer wieder ärztlich überwacht werden.

Ein Blick in die Psychisch-Kranken-Gesetze der Länder konkre­ti­siert gegebe­nen­falls die Ausge­stal­tung der Eins-zu-Eins-Betreu­ung. Im PsychKG NRW heißt es, dass „eine Beobach­tung durch den Einsatz techni­scher Mittel zur Anfer­ti­gung von Bildauf­nah­men und Bildauf­zeich­nun­gen sowie zum Abhören und Aufzeich­nen des gespro­che­nen Wortes“ verbo­ten ist.

Tatsäch­lich ist die leibli­che, persön­li­che Aufsicht während der gesam­ten Fixie­rung notwen­dig, auch um konti­nu­ier­lich die Vital­funk­tio­nen des Patien­ten überwa­chen zu können. Was vom Kranken­haus­per­so­nal in der Praxis häufig als immenser Arbeits­auf­wand aufge­fasst wird, soll letzt­lich dazu dienen, Menschen­le­ben zu retten.

Wie Berzla­no­vich et al. schon in ihrer Studie von 2012 schluss­fol­ger­ten, ist die beste Möglich­keit um Todes­fälle bei Fixie­run­gen zu vermei­den, aller­dings nicht die richtige Anbrin­gung der Fixie­rungs­vor­rich­tung und die adäquate Aufsicht des Patien­ten, sondern die Ausschöp­fung aller Alter­na­ti­ven von freiheits­ent­zie­hen­den Maßnah­men.

Quellen:

  1. Kerst­ing, Xenia A. K. (2018): Schäden und Todes­fälle im Rahmen von Zwangs­maß­nah­men bei psych­ia­tri­schen Patien­ten – ein syste­ma­ti­sches Review. Univer­si­täts­kli­ni­kum Ulm, Disser­ta­tion.
  2. Berzla­no­vich, Andrea M., Schöp­fer, Jutta & Keil, Wolfgang (2012): Todes­fälle bei Gurtfi­xie­run­gen. Deutsches Ärzte­blatt, 109(3), S. 27–32.
  3. Steinert, T. & Ketel­sen, R (2014): Fixie­run­gen im somati­schen Kranken­haus häufi­ger als in der Psych­ia­trie? Psych­iatr Prax 41, S. 52–53.
  4. Mazur, Szymon (2019) in GuP, 121.
  5. BVerG vom 24. Juli 2028 – 2 BvR 309/15, 2 BvR 502/16