Todespfleger
Verlegt vom Gerichts­saal in die Weser-Ems-Halle wegen des großen Publi­kums­in­ter­es­ses: der Prozess gegen Vorge­setzte von Niels Högel Bild: Dream­stime

Die Aufar­bei­tung der größten Mordse­rie in der Nachkriegs­ge­schichte Deutsch­lands nimmt in den nächs­ten Wochen und Monaten ihren letzten juris­ti­schen Akt: Sieben frühere Vorge­setzte des als „Todes­pfle­ger“ bekannt gewor­de­nen Niels Högel aus den Klini­ken Olden­burg und Delmen­horst stehen ab sofort vor dem Landge­richt Olden­burg. Es handelt sich hierbei um Ärzte, leitende Pflege­rin­nen und Pfleger sowie einen ehema­li­gen Klinik-Geschäfts­füh­rer. Ihnen wird die Staats­an­walt­schaft Totschlag bezie­hungs­weise Beihilfe zum Totschlag durch Unter­las­sen vor: Sie hätten Niels Högel aufgrund der Vielzahl und Auffäl­lig­keit seiner Taten auf die Schli­che kommen müssen. Statt­des­sen hätten sie nichts unter­nom­men, um die Mordse­rie an Patien­ten zu beenden.

Todes­pfle­ger sagt selbst als Zeuge aus

Der Prozess findet aufgrund des großen öffent­li­chen Inter­es­ses nicht im Gerichts­ge­bäude selbst, sondern in der Olden­bur­ger Weser-Ems-Halle statt. Für den Prozess sind 42 Verhand­lungs­tage angesetzt. Insge­samt 18 Rechts­an­wälte vertei­di­gen die sieben Angeklag­ten gegen die Vorwürfe. Diese wiesen in State­ments zum Prozess­auf­takt eine Mitver­ant­wor­tung ihrer Mandan­ten rigoros zurück. Der verur­teilte Kranken­pfle­ger selbst soll am dritten Verhand­lungs­tag, dem 1. März, vor Gericht aussa­gen.

Staats­an­walt­schaft: Mordse­rie wäre abwend­bar gewesen

Zum Auftakt des Prozes­ses fand die Staats­an­walt­schaft harsche Worte gegen die Angeklag­ten: Diese hätten die Mordse­rie laut Darstel­lung von Staats­an­wäl­tin Gesa Weiß mit „an Sicher­heit grenzen­der Wahrschein­lich­keit“ verhin­dern können. Allen Angeklag­ten hätte ab einer bestimm­ten Zeit an – wegen der Häufung der Todes­fälle und kriti­schen Patien­ten­zu­stände – klar sein müssen, dass von Högel eine Gefahr für die Patien­ten ausgehe.

Insbe­son­dere die Tatsa­che, dass Högel mit einem durch­aus wohlwol­len­den Arbeits­zeug­nis vom Klini­kum Olden­burg, wo er die ersten drei seiner Morde beging, zum Klini­kum Delmen­horst wechseln konnte, dürfte im Prozess eine große Rolle spielen. Des Weite­ren steht beim Prozess im Blick­punkt, zu ergrün­den, ob und in welcher Weise sich die ehema­li­gen Vorge­setz­ten schul­dig gemacht haben, weil sie Hinweise auf Niels Högels tödli­ches Treiben wahrnah­men, aber nicht weiter­ga­ben.

Größte Mordse­rie der deutschen Nachkriegs­ge­schichte

Ein kurzer Rückblick auf die Causa Niels Högel: Der frühere Kranken­pfle­ger hatte zwischen 2000 und 2005 in den Klini­ken Olden­burg und Delmen­horst eine große Zahl an Patien­ten durch bewusste Medika­men­ten-Überdo­sie­run­gen getötet. Sein eigent­li­ches Motiv war es, sie zunächst in einen lebens­ge­fähr­li­chen Zustand zu verset­zen, um sie wieder­be­le­ben zu können und sich anschlie­ßend als Retter feiern zu lassen.

Über 100 Fälle wurden ihm ursprüng­lich zur Last gelegt. In 85 Fällen sah das Landge­richt Olden­burg sein ursäch­li­ches Verschul­den am Tod von Patien­ten als zweifels­frei erwie­sen an. Im Juni 2019 wurde er wegen 85-fachen Mordes zu lebens­lan­ger Haft verur­teilt. Außer­dem wurde die beson­dere Schwere der Schuld festge­stellt, was seine Entlas­sung aus dem Gefäng­nis nach 15 Jahren ausschließt.