Daniela Piossek, Leiterin des Referates Krankenversicherung beim BVMed, erläuterte zu Beginn des BVMed-Sozialrechtstages, der am 13. Juni in Berlin stattfand, die Bereiche, in denen es durch die Krankenkassen immer wieder zu Umsetzungs- und Auslegungsproblemen im Hilfsmittelbereich gekommen ist. „Der Phantasie einiger Kostenträger sind dabei keine Grenzen gesetzt. Aber zum Glück handelt es sich dabei nur um eine Minderzahl. Viele Kassen handeln durchaus korrekt“, war das Fazit der Hilfsmittel-Expertin. Piossek appellierte an die beteiligten Krankenkassen und Leistungserbringer, fair miteinander umzugehen.
Im Anschluss referierte Dr. Oliver Esch, Fachanwalt für öffentliches Wirtschafts- und Vergaberecht, über den aktuellen Stand bei Ausschreibungen nach § 127 Absatz 1 SGB V sowie über die geplanten europäischen Richtlinien zum Konzessions- und Vergaberecht. Laut Esch werde das neue Richtlinienpaket reine Dienstleistungen erfassen, keine Lieferaufträge. Was Dienstleistungen und was Lieferaufträge sind, definiert der wirtschaftliche Schwerpunkt. Zu den Inhalten und Auswirkungen der neuen Vergaberichtlinie führte er an: „Ich halte im Ergebnis nach wie vor die Risiken für gering, dass sich für Sie im gewohnten System etwas ändern wird.“
Esch setzte sich auch mit der sogenannten „Aufzahlung“ auseinander: Teilweise würden Leistungserbringer insgeheim und planmäßig Aufzahlungen für die Versicherten kalkulieren, um selbst günstiger wirtschaften zu können. Es werde aber nach seinem „Dafürhalten schwierig, ein Aufzahlungsverbot durchzusetzen.“
Mit der rechtsmissbräuchlichen Ausnutzung der Marktmacht von Krankenkassen setzte sich Peter Hartmann, Fachanwalt für Medizinrecht, auseinander. Er ging mit Beispielen auf einige in der Praxis vorkommende Missbräuche wie einseitige Vertrags- und Preisvorgaben durch Krankenkassen oder die bevorzugte Behandlung von Vertragspartnern ein und zeigte rechtliche Möglichkeiten auf, wie die Leistungserbringer damit umgehen können beziehungsweise sollten. So haben einige Kassen versucht, sich vom Vergaberecht zu lösen, indem sie „Open-House-Rabattverträge“ mit nicht verhandelbaren Konditionen und Preisen anbieten. Das OLG Düsseldorf beurteilte solche Verfahren als vergaberechtswidrig und als Verstoß gegen den Wettbewerbsgrundsatz.
Der Medizinrechtler Dr. Markus Plantholz erörterte die Rechtslage zu externen Hilfsmittelberatern und Gutachtern. Grundsätzlich gelten für Krankenkassen der Bewilligungsvorbehalt und das Wirtschaftlichkeitsgebot. Auf medizinischer Seite entscheidet der MDK, ob ein Hilfsmittel beispielsweise medizinisch notwendig oder technisch zweckmäßig ist. Für die Beauftragung eines externen Gutachters gibt es hingegen laut Plantholz keine gesetzliche Grundlage – auch dann nicht, wenn der Versicherte schriftlich zur Datenweitergabe an und medizinischen Überprüfung durch einen externen Gutachter eingewilligt hat.
Für Rechtsanwalt Jörg Hackstein habe der Arzt zwar die Therapiehoheit, jedoch werde diese durch Wirtschaftlichkeits- und Richtgrößenprüfungen sowie Genehmigungspflichten und Sonderverträge mit einzelnen Kassen beschränkt. GKV-Leistungen unterliegen dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Eine Wirtschaftlichkeitsprüfung des Arztes gibt es jedoch nur bei Arznei‑, Verband- und Heilmitteln, nicht aber bei Hilfsmitteln. Für diese gilt vielmehr verbindlich die Hilfsmittel-Richtlinie des G‑BA, die eine dem allgemein anerkannten Stand medizinischer Kenntnisse, ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung mit Hilfsmitteln gewährleisten soll.
Für den Arzt ist nicht allein die Diagnose ausschlaggebend; er muss eine Gesamtbetrachtung der Schädigungen und Beeinträchtigungen vornehmen und dabei die International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) beachten. Damit sollen unter anderem der Bedarf und das Versorgungsziel einer Hilfsmittelverordnung realistisch und am individuellen Alltag des Versicherten ermittelt werden. Hackstein äußerte hier sein Bedenken, „dass das Wort ‚Versorgungsziele‘ gerne übersehen wird“, obwohl dies „der Maßstab für die Verordnung“ sei.
Zulässige und unzulässige Formen der Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern und Vertragsärzten im Rahmen des § 128 SGB V erörterte Rechtsanwältin Maria Heil. Das Gesetz beinhaltet vier grundsätzliche Verbote:
- Das Depotverbot untersagt die Abgabe von Hilfsmitteln an Versicherte über Depots bei Vertragsärzten und in Krankenhäusern, nicht aber in Pflegeheimen und in der Notfall-Versorgung. Depots mit Verbrauchsmaterialien, Sprechstundenbedarf, Materialien der ärztlichen und stationären Behandlung sind zulässig.
- Nach dem Beteiligungsverbot dürfen Leistungserbringer Ärzte nicht gegen finanzielle oder sonstige wirtschaftliche Vorteile an der Hilfsmittelversorgung beteiligen.
- Das Zuwendungsverbot untersagt es Leistungserbringern, Ärzten in Verbindung mit der Hilfsmittelverordnung Zuwendungen zu gewähren. Unzulässig sind demnach zum Beispiel auch das unentgeltliche oder verbilligte Überlassen von Geräten und Material für Schulungen, das Bereitstellen oder eine Kostenbeteiligung an Räumen oder Personal sowie Einkünfte von Ärzten aus Unternehmensbeteiligungen von Leistungserbringern. Schulungen gegen Entgelt und solche nach medizinprodukterechtlichen Verpflichtungen sowie Schulungen von Patienten und Pflegepersonal sind unter Beachtung des Heilmittelwerbegesetzes jedoch weiterhin möglich. Das gilt auch für Rabatte auf Materialien und Sprechstundenbedarf, die nicht im Zusammenhang mit Hilfsmittelverordnungen stehen, gegebenenfalls aber an die GKV weitergegeben werden müssen.
- Das Verbot der Vergütung zusätzlicher privatärztlicher Leistungen untersagt es Leistungserbringern, solche Leistungen im Rahmen der Hilfsmittelversorgung zu vergüten. Der Leistungserbringer darf also zum Beispiel im Rahmen der Hilfsmittelversorgung keine Kosten für IGeL-Leistungen übernehmen.
Einkünfte aus Unternehmensbeteiligungen an Leistungserbringern sind Medizinern darüber hinaus ebenfalls untersagt, sofern der Arzt seine Einkünfte durch sein eigenes Verordnungs- und Zuweisungsverhalten beeinflussen kann. Grundsätzlich seien die Regelungen aber sehr spezifisch und vom Einzelfall abhängig. Nach Meinung Heils seien für die Praxis noch viele Fragen ungeklärt.
Für die praktische Umsetzung im Unternehmensalltag empfahl die Juristin vier Grundprinzipien zu beachten: Das Trennungs‑, Transparenz‑, Dokumentations- und Äquivalenzprinzip. So sollten Umsatzgeschäfte voneinander unabhängig sein, dienst- und berufsrechtliche Anforderungen stets eingehalten und Leistungsverhältnisse dokumentiert und transparent gemacht werden sowie Leistung und Gegenleistung bei Verträgen gleichwertig sein