Schätzungen zufolge könnte man durch adäquate Hygienevorkehrungen bis zu einem Drittel dieser Infektionen vorbeugen. „200.000 vermeidbare Infektionen jährlich sind zu viel!“ proklamiert dementsprechend Dr. Ernst Tabori, Ärztlicher Direktor des Deutschen Beratungszentrums für Hygiene (BZH) in Freiburg.
Das BZH – ein vom „Hygienepapst“ Prof. Daschner gegründetes und im Jahr 1999 aus dem Freiburger Uniklinikum ausgegründetes Institut – lud nun zu seinem 22. Infektiologie- und Hygienekongress in das Konzerthaus der badischen Universitätsstadt. Zwei Tage lang (15. und 16. März 2012) referierten und diskutierten unter der Moderation von Prof. Dr. Markus Dettenkofer, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des BZH, namhafte Hygiene-Experten aus dem gesamten Bundesgebiet und der Schweiz – darunter etwa Dr. Christiane Cuny vom Robert Koch-Institut in Berlin, Oberarzt PD Dr. Roland Schulze-Röbbecke vom Universitätsklinikum Düsseldorf sowie Prof. Dr. Andreas Widmer vom Universitätsspital Basel – mit 450 Kongressteilnehmern. Entsprechend der wachsenden Bedeutung und Wahrnehmung des Themas Krankenhaushygiene ist die Besucherzahl in den vergangenen Jahren ständig gestiegen. Nach jedem der inhaltlichen Programmpunkte schloss sich eine etwa halbstündige umfangreiche und lebhafte Diskussion an.
Schwerpunkte der Tagung waren neben dem Management von MRSA- und ESBL-Keimen, der wissenschaftliche Stand zur hygienischen Bedeutung von Laminar-Airflow-Decken, die Risikokommunikation mit den Klinikmitarbeitern und das Vorbildverhalten in Hygienefragen. Denn was Vorbildfunktion, Kommunikation und eine effiziente Organisation in der Klinik-Infektionsprävention bewirken können, zeigten auch die auf dem Kongress veröffentlichten Ergebnisse einer Umfrage, die das BZH im vergangenen Jahr gestartet hatte: Demnach sehen Chef- und Oberärzte ihre eigene Rolle als Vorbild in Hygienefragen als eminent wichtig an. Im Klinikalltag erfüllen sie laut Eigenwahrnehmung die Hygieneanforderungen zwar zufriedenstellend, stellen ihrer eigenen Berufsgruppe in dieser Hinsicht aber insgesamt ein nur mäßiges Zeugnis aus. Als Gründe hierfür wurden häufig mangelnde Priorisierung, Zeitmangel und Überlastung sowie Unkenntnis genannt. Abhilfe schaffen könnten – so die Einschätzung der Umfrageteilnehmer – eher Motivation und persönlicher Kontakt zu den Mitarbeitern statt repressive Maßnahmen wie Kontrollen und arbeitsrechtliche Sanktionen.
Trotz der – absolut gesehen – hohen Infektionszahlen und der Befeuerung dieser Problematik in den Massenmedien plädiert Dr. Tabori für einen gelassenen Umgang mit dem Thema Hygiene und warnt vor Hysterie. „Es bedarf einer sachlichen Diskussion, keiner Panikmache“, so Tabori. „Das deutsche Gesundheitssystem zählt trotz der Probleme immer noch zu den besten der Welt.“ Immerhin verließen bei 500.000 Infektionsfällen unter 18 Mio. Behandelten rund 96,5 Prozent der Patienten die Klinik ohne Infektion.