Erbe
Ein Handschrift­li­ches Testa­ment (Symbol­bild) Bild: © Oliskr | Dreamstime.com

Frau war verwit­wet und kinder­los

Eine Frau hat vor ihrem Tod verschie­dene handschrift­li­che Testa­mente errich­tet, in dem sie auch ihren Hausarzt für ihr Erbe vorge­se­hen hatte. Sie selbst war verwit­wet und kinder­los. Ihre einzige Schwes­ter verstarb im Novem­ber 2016.

Um das Erbe strei­ten zwei Cousins der Erblas­se­rin, die Ehefrau eines Cousins, der Hausarzt der Erblas­se­rin, ein Nachbar, dessen Tochter (sie kümmerte sich pflege­risch um die Frau) und eine Freun­din (auch sie kümmerte sich).

Hausarzt erhält Vollmacht und segnet Testa­ment selbst ab

Das aktuellste Testa­ment vom 20.09.2021, das Gegen­stand vor Gericht war, hatte die Cousins, den Hausarzt, den Nachbarn und die Freun­din zu Erben in Höhe von jeweils 20 Prozent vorge­se­hen. Der Nachbar hatte noch vor dem Tod der Erblas­se­rin auf sein Erbe verzich­tet, zuguns­ten seiner Tochter, die die Frau pflegte.

Der Hausarzt hatte selbst bestä­tigt, dass die Erblas­se­rin im Vollbe­sitz ihrer geisti­gen Kräfte war, als sie das Testa­ment aufsetzte. Zudem hatte die Erblas­se­rin dem Hausarzt als Betreuer am 16.07.2018 eine Vollmacht über ihr Barver­mö­gen erteilt. Hierbei wurden Anord­nun­gen getrof­fen, die die Vertei­lung des Geldes nach ihrem Tod vorsa­hen. Darauf wurde in dem Testa­ment vom 20.09.2021 ebenfalls Bezug genom­men.

Cousin zweifelt an Einschät­zung des Hausarz­tes

Mit dem Erbe im finalen Testa­ment vom 20.09.2021 zeigte ein Cousin nicht einver­stan­den. Der Cousin hatte Zweifel an der Einschät­zung des Arztes, dass die Frau testier­fä­hig gewesen sei. Sie war pflege­be­dürf­tig und herzkrank und war nach Auffas­sung des Cousins zuneh­mend verwirrt, habe sich bestoh­len gefühlt und hatte Angst, vergif­tet zu werden.

Außer­dem liege ein Verstoß gegen § 32 der Berufs­ord­nung der hessi­schen Ärzte­kam­mer (BO‑Ä) vor, wonach der Arzt die Zuwen­dung überhaupt nicht anneh­men dürfe. Er stellte einen Antrag für einen gemein­schaft­li­chen Erbschein auf Grund­lage eines voran­ge­gan­ge­nen Testa­ments.

Der betei­ligte Hausarzt, der Nachbar und die Freun­din der Erblas­se­rin beantrag­ten einen gemein­schaft­li­chen Erbschein auf Grund­lage des Testa­ments vom 20.09.2021.

Kein Hinweis darauf, dass die Frau nicht testier­fä­hig war

Vor dem Nachlass­ge­richt wurden zunächst beide Erbschein­an­träge zurück­ge­wie­sen. Die Beschwerde des Hausarz­tes vor dem Oberlan­des­ge­richt Frank­furt hatte schließ­lich erfolg.

Es konnte kein konkre­ter Anhalts­punkt für eine Testier­un­fä­hig­keit der Erblas­se­rin festge­stellt werden. Nicht testier­fä­hig ist eine Person gemäß § 2229 Absatz 4 BGB dann, wenn sie nicht in der Lage ist, die Bedeu­tung einer von ihr abgege­be­nen Willens­er­klä­rung einzu­se­hen und nach dieser Einsicht zu handeln.

Das kann im Zuge einer krank­haf­ten Störung der Geistes­tä­tig­keit, wegen Geistes­schwä­che oder wegen Bewusst­seins­stö­run­gen der Fall sein. Das konnte bei der Frau nicht festge­stellt werden.

Außer­dem liege kein Verstoß gegen § 32 BO‑Ä vor. Der Paragraf regelt in Bezug auf unerlaubte Zuwen­dun­gen Folgen­des:

§ 32 BO‑Ä Unerlaubte Zuwen­dun­gen

(1) Ärztin­nen und Ärzten ist es nicht gestat­tet, von Patien­tin­nen und Patien­ten oder anderen Geschenke oder andere Vorteile für sich oder Dritte zu fordern oder sich oder Dritte verspre­chen zu lassen oder anzuneh­men, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhän­gig­keit der ärztli­chen Entschei­dung beein­flusst wird. Eine Beein­flus­sung liegt dann nicht vor, wenn der Wert des Geschen­kes oder des anderen Vorteils gering­fü­gig ist.

[…]

Bei dieser Regelung handelt es sich im Sinne des § 134 BGB um ein Verbots­ge­setz. Das heißt, ein Rechts­ge­schäft – in diesem Fall das Testa­ment – wäre nichtig, wenn es gegen ein gesetz­li­ches Verbot – die Regelun­gen zu „Unerlaub­ten Zuwen­dun­gen“ – versto­ßen würde, solange nichts anderes geregelt ist.

Warum ist nun das Testa­ment trotz­dem wirksam? Das liegt daran, dass es eine im Grund­ge­setz geschützte Testier­frei­heit (Artikel 14 Absatz 1 GG) gibt. „Das Eigen­tum und das Erbrecht werden gewähr­leis­tet. Inhalt und Schran­ken werden durch die Gesetze bestimmt“, heißt es da.

Frau darf Erbe für Hausarzt vorse­hen

Betrach­tet man nun noch mal die Regelung zu „Unerlaub­ten Zuwen­dun­gen“, fällt auf, dass aus ihr kein Testier­ver­bot ausge­legt werden kann. Es kann zwar dem Hausarzt verbo­ten werden gewisse Zuwen­dun­gen anzuneh­men, es kann der Erblas­se­rin aber nicht verbo­ten werden ihr Testa­ment so zu gestal­ten, wie sie das möchte.

Selbst wenn also dem Hausarzt ein Verstoß gegen § 32 BO‑Ä vorzu­wer­fen wäre, würde das nichts an der Wirksam­keit des Testa­ments ändern, weil die Erblas­se­rin frei in der Gestal­tung ihres Testa­ments ist.

Anders sieht das bei vergleich­ba­ren Regelun­gen im Bereich der Pflege­heime aus. Hier stellt das heutige § 6 HBPG (früher § 14 HeimG) ebenfalls ein Verbots­ge­setz gemäß § 134 BGB dar. Im Unter­schied zu § 32 BO‑Ä kann hier ein Verstoß bei verfas­sungs­kon­for­mer Ausle­gung eben doch zur Nichtig­keit des Testa­ments führen.

Der Schutz­zweck des § 14 HeimG (alte Fassung) berührt nämlich die Testier­frei­heit selbst und setzt ihr Schran­ken. Die Regelung nach § 32 BO‑Ä richtet sich hinge­gen an den Arzt und soll dessen Beein­flus­sung durch den Patien­ten – oder Dritte – ausschlie­ßen und gewähr­leis­ten, dass der Arzt sich bei seinen Entschei­dun­gen von medizi­ni­schen und nicht von finan­zi­el­len Erwägun­gen leiten lässt. Deshalb zielt sie in erster Linie auf das Verbot der Annahme durch den Arzt ab.

Die Entschei­dung ist anfecht­bar. Das Oberlan­des­ge­richt hat die Rechts­be­schwerde zum Bundes­ge­richts­hof zugelas­sen.

Eine ausführ­li­che Darstel­lung des Urteils gibt es in der aktuel­len Ausgabe der „Rechts­de­pe­sche für das Gesund­heits­we­sen“ vom März/April 2024.

Quelle: OLG Frank­furt vom 21.12.2023 – 21 W 91/23