Fesselung
Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt in Karls­ruhe Bild: ComQuat/Wikimedia Commons

Ein Mann in Siche­rungs­ver­wah­rung hat vor dem Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt erfolg­reich gegen seine Fesse­lung während eines Kranken­haus­auf­ent­halts geklagt. Die nahezu ununter­bro­chen vier Tage dauernde Fesse­lung habe ihn in seinem allge­mei­nen Persön­lich­keits­recht verletzt, erklärte das Gericht in Karls­ruhe.

Der Kläger war nach zehn Jahren Haft im Februar 2020 zur Siche­rungs­ver­wah­rung in die nordrhein-westfä­li­sche Justiz­voll­zugs­an­stalt (JVA) Werl gekom­men.

Gut ein halbes Jahr später musste der erkranke Mann für eine Opera­tion ins Univer­si­täts­kli­ni­kum Dortmund. Dort war er mit Ausnahme der Zeit in Vollnar­kose 96 Stunden lang an den Händen oder an den Füßen gefes­selt – bei der Vorun­ter­su­chung, im OP-Vorraum, beim Aufwa­chen und bei Spazier­gän­gen mit zwei Bewaff­ne­ten.

Der Mann war dagegen gericht­lich vorge­gan­gen. Er habe wegen der Fesse­lung Schmer­zen gehabt und nicht richtig schla­fen können. Im Liegen habe er sich nicht drehen oder die Beine anwin­keln können, weil er mit einer Fußfes­sel an den Bettrah­men gefes­selt war.

Landge­richt: Fesse­lung war angemes­sen

Das Landge­richt Arnsberg hatte die Fesse­lung für verhält­nis­mä­ßig gehal­ten. Weil offen gewesen sei, wie lange die Siche­rungs­ver­wah­rung dauern würde, sei eine gewisse Flucht­mo­ti­va­tion anzuneh­men.

Die Situa­tion im Kranken­haus sei unvor­her­seh­bar gewesen, und die JVA habe noch keine Erfah­rung mit dem Mann bei Trans­por­ten gehabt. Ein Siche­rungs­ver­wahr­ter könnte laut JVA nur dann ohne Fesseln nach draußen, wenn er schon einige Male ohne Probleme gefes­selt unter­wegs gewesen ist.

Darauf­hin zog der Mann vor das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt, das nun anders entschied: Nach Auffas­sung der Verfas­sungs­rich­te­rin­nen und ‑richter hätte das Landge­richt darauf achten müssen, ob sämtli­che alter­na­tive Maßnah­men ausge­schöpft wurden.

Fall muss neu verhan­delt werden

So habe es hier nahe gelegen, die Zahl der JVA-Beamten zu erhöhen, um zumin­dest zeitweise auf die Fesseln verzich­ten zu können.

Und es hätte berück­sich­tigt werden müssen, dass das vorhe­rige Verhal­ten des Mannes keiner­lei Anlass für Beanstan­dun­gen gab und seine Erkran­kun­gen einen Flucht­ver­such erschwert hätten. Das Landge­richt muss nun neu über den Fall verhan­deln.

Hier geht es zum Urteil: (Az. 2 BvR 1719/21)

Quellen: BVG, tages­schau