Schwangerschaft
Droht die Kündi­gung, wenn eine werdende Mutter erst kurz nach der Unter­zeich­nung des Arbeits­ver­tra­ges die Schwan­ger­schaft bekannt gibt? Bild: Marjon Besteman/Pixabay

Frau erwähnt Schwan­ger­schaft bei Bewer­bung nicht

Eine Frau bewirbt sich auf die Stelle als Pflege­as­sis­ten­tin. Der Arbeits­ver­trag ist befris­tet und die Frau gibt an für den Zeitraum unein­ge­schränkt Leistungs­fä­hig zu sein. Was sie nicht erwähnt, ist, dass sie zu dem Zeitpunkt schwan­ger ist.

Der Arbeits­ver­trag enthält sogar eine Klausel, in der

„der Arbeit­neh­mer erklärt, dass er an keiner anste­cken­den Krank­heit leidet und keine körper­li­chen oder gesund­heit­li­chen Defizite aufweist, die die Eignung für die durch­zu­füh­rende Tätig­keit entfal­len lassen. Der Arbeit­neh­mer versi­chert, für die durch diesen Vertrag beschrie­bene Tätig­keit unein­ge­schränkt leistungs­fä­hig zu sein. Er versi­chert, nicht an einer Krank­heit zu leiden und/oder nicht (schwer) behin­dert u sein, mit der Folge, dass er seinen arbeits­ver­trag­li­chen Pflich­ten nicht nachkom­men kann. Im Übrigen wird der von dem Arbeit­neh­mer unter­schrie­bene Perso­nal­fra­ge­bo­gen Bestand­teil des Vertra­ges.“

Schon einen Monat bevor die Frau den Arbeits­ver­trag unter­schreibt stellt ihre Frauen­ärz­tin eine Schwan­ger­schaft fest. Zu diesem Zeitpunkt ist aller­dings noch nicht klar, ob es sich um eine intakte Schwan­ger­schaft handelt oder um eine Eilei­ter­schwan­ger­schaft. Letztere wurde schon einmal bei der Frau festge­stellt.

Erst einige Tage nach dem sie den Arbeits­ver­trag unter­schrie­ben hatte, kann die Frauen­ärz­tin mit Sicher­heit bestä­ti­gen, dass es sich um eine intakte Schwan­ger­schaft handelt. Die Frau bekommt darauf­hin ihren Mutter­schafts­pass mit dem voraus­sicht­li­chen Entbin­dungs­ter­min.

Arbeit­ge­ber fechtet Arbeits­ver­trag an

Drei Tage später erscheint die Frau zu ihrem ersten Arbeits­tag als Pflege­as­sis­ten­tin. Sie teilt dem Arbeit­ge­ber mit, dass sie schwan­ger ist. Dieser spricht sogleich ein generel­les betrieb­li­ches Beschäf­ti­gungs­ver­bot aus, da durch die Arbeit ein erheb­li­ches Risiko besteht mit Ausschei­dun­gen, Blut und anderer Körper­flüs­sig­kei­ten in Kontakt zu kommen. Außer­dem besteht zu diesem Zeitpunkt ein erheb­li­ches Infek­ti­ons­ri­siko mit dem Corona­vi­rus COVID-19.

Zudem fechtet der Arbeit­ge­ber den Arbeits­ver­trag wegen arglis­ti­ger Täuschung an. Die Frau habe mit dem Wissen um ihren Gesund­heits­zu­stand trotz­dem ihre unein­ge­schränkte Leistungs­fä­hig­keit zugesi­chert.

Vor Gericht wehrt sich die Pflege­as­sis­ten­tin gegen den Vorwurf. Sie hätte keine Offen­ba­rungs­pflicht über ihre Schwan­ger­schaft gehabt. Außer­dem wusste sie nicht, ob sie tatsäch­lich schwan­ger war, als sie den Arbeits­ver­trag unter­schrie­ben hatte. Dessen ungeach­tet hätte sie der Arbeit nachge­hen können, zumin­dest bis zum Zeitpunkt der mutter­schutz­recht­li­chen Schutz­fris­ten. Auch danach hätte sie die Arbeit wieder aufneh­men können.

Keine Offen­ba­rungs­pflicht

Das Arbeits­ge­richt in Gera gibt der Pflege­as­sis­ten­tin schließ­lich recht. Sie hat ihren Arbeit­ge­ber nicht arglis­tig getäuscht im Sinne des § 123 Absatz 1 BGB. Wie die Frau richtig angege­ben hatte, musste sie auch nicht offen­ba­ren, dass sie schwan­ger ist und die damit einher­ge­hen­den Leistungs­un­fä­hig­keit.

Nach § 7 AGG ist es nicht erlaubt, dass Beschäf­tigte wegen ihres Geschlechts benach­tei­ligt werden. Dass der Arbeit­ge­ber ein Arbeits­ver­hält­nis wegen einer mögli­chen Schwan­ger­schaft ablehnt, würde aller­dings ausschließ­lich Frauen betref­fen. Entspre­chend ist eine solche Verwei­ge­rung nicht rechtens, sondern stellt eine unmit­tel­bare Diskri­mi­nie­rung wegen des Geschlechts dar.

Damit wird die Richt­li­nie 2002/73/EG des Europäi­sche Parla­ments umgesetzt. Die Richt­li­nie sieht die Gleich­be­hand­lung von Männern und Frauen hinsicht­lich des Zugangs zu Beschäf­ti­gung, zur Berufs­bil­dung und zum beruf­li­chen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeits­be­din­gun­gen vor.

Die Entlas­sung der Frau, weil sie einen erheb­li­chen Teil des Beschäf­ti­gungs­zeit­raums nicht arbei­ten kann, würde nicht im Einklang mit dieser Vorschrift stehen. Auch dann nicht, wenn sie ihre Schwan­ger­schaft bei Vertrags­schluss nicht erwähnt.

Eine arglis­tige Täuschung ist auch deshalb nicht gegeben, weil die Frau nicht wusste, ob sie tatsäch­lich schwan­ger ist. Die Anamnese „Zustand nach Eilei­ter­schwan­ger­schaft“ erlaubte keine gesicherte Kennt­nis darüber, ob eine intakte Schwan­ger­schaft im Uterus vorlag.

Gericht stellt Arbeits­ver­trag infrage

Sie konnte also noch nicht davon ausge­hen, dass sie den Job als Pflege­as­sis­ten­tin wegen eines Beschäf­ti­gungs­ver­bots für Schwan­gere nicht hätte ausüben können. Fraglich bleibt die Wirksam­keit der oben genann­ten Klausel.

Das Gericht stellt diesbe­züg­lich die Frage, inwie­weit eine Arbeit­neh­me­rin die im Vertrag formu­lierte Erklä­rung überhaupt abgeben kann. Wie im vorlie­gen­den Fall, aber auch bei Krank­hei­ten, die nicht festge­stellt wurden, kann keine gesicherte Auskunft der Betrof­fe­nen gemacht werden.

Quelle: ArbG Gera 24.01.2023 – 3 Ca 1074/22