Frau erwähnt Schwangerschaft bei Bewerbung nicht
Eine Frau bewirbt sich auf die Stelle als Pflegeassistentin. Der Arbeitsvertrag ist befristet und die Frau gibt an für den Zeitraum uneingeschränkt Leistungsfähig zu sein. Was sie nicht erwähnt, ist, dass sie zu dem Zeitpunkt schwanger ist.
Der Arbeitsvertrag enthält sogar eine Klausel, in der
„der Arbeitnehmer erklärt, dass er an keiner ansteckenden Krankheit leidet und keine körperlichen oder gesundheitlichen Defizite aufweist, die die Eignung für die durchzuführende Tätigkeit entfallen lassen. Der Arbeitnehmer versichert, für die durch diesen Vertrag beschriebene Tätigkeit uneingeschränkt leistungsfähig zu sein. Er versichert, nicht an einer Krankheit zu leiden und/oder nicht (schwer) behindert u sein, mit der Folge, dass er seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nicht nachkommen kann. Im Übrigen wird der von dem Arbeitnehmer unterschriebene Personalfragebogen Bestandteil des Vertrages.“
Schon einen Monat bevor die Frau den Arbeitsvertrag unterschreibt stellt ihre Frauenärztin eine Schwangerschaft fest. Zu diesem Zeitpunkt ist allerdings noch nicht klar, ob es sich um eine intakte Schwangerschaft handelt oder um eine Eileiterschwangerschaft. Letztere wurde schon einmal bei der Frau festgestellt.
Erst einige Tage nach dem sie den Arbeitsvertrag unterschrieben hatte, kann die Frauenärztin mit Sicherheit bestätigen, dass es sich um eine intakte Schwangerschaft handelt. Die Frau bekommt daraufhin ihren Mutterschaftspass mit dem voraussichtlichen Entbindungstermin.
Arbeitgeber fechtet Arbeitsvertrag an
Drei Tage später erscheint die Frau zu ihrem ersten Arbeitstag als Pflegeassistentin. Sie teilt dem Arbeitgeber mit, dass sie schwanger ist. Dieser spricht sogleich ein generelles betriebliches Beschäftigungsverbot aus, da durch die Arbeit ein erhebliches Risiko besteht mit Ausscheidungen, Blut und anderer Körperflüssigkeiten in Kontakt zu kommen. Außerdem besteht zu diesem Zeitpunkt ein erhebliches Infektionsrisiko mit dem Coronavirus COVID-19.
Zudem fechtet der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung an. Die Frau habe mit dem Wissen um ihren Gesundheitszustand trotzdem ihre uneingeschränkte Leistungsfähigkeit zugesichert.
Vor Gericht wehrt sich die Pflegeassistentin gegen den Vorwurf. Sie hätte keine Offenbarungspflicht über ihre Schwangerschaft gehabt. Außerdem wusste sie nicht, ob sie tatsächlich schwanger war, als sie den Arbeitsvertrag unterschrieben hatte. Dessen ungeachtet hätte sie der Arbeit nachgehen können, zumindest bis zum Zeitpunkt der mutterschutzrechtlichen Schutzfristen. Auch danach hätte sie die Arbeit wieder aufnehmen können.
Keine Offenbarungspflicht
Das Arbeitsgericht in Gera gibt der Pflegeassistentin schließlich recht. Sie hat ihren Arbeitgeber nicht arglistig getäuscht im Sinne des § 123 Absatz 1 BGB. Wie die Frau richtig angegeben hatte, musste sie auch nicht offenbaren, dass sie schwanger ist und die damit einhergehenden Leistungsunfähigkeit.
Nach § 7 AGG ist es nicht erlaubt, dass Beschäftigte wegen ihres Geschlechts benachteiligt werden. Dass der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis wegen einer möglichen Schwangerschaft ablehnt, würde allerdings ausschließlich Frauen betreffen. Entsprechend ist eine solche Verweigerung nicht rechtens, sondern stellt eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts dar.
Damit wird die Richtlinie 2002/73/EG des Europäische Parlaments umgesetzt. Die Richtlinie sieht die Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zu Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen vor.
Die Entlassung der Frau, weil sie einen erheblichen Teil des Beschäftigungszeitraums nicht arbeiten kann, würde nicht im Einklang mit dieser Vorschrift stehen. Auch dann nicht, wenn sie ihre Schwangerschaft bei Vertragsschluss nicht erwähnt.
Eine arglistige Täuschung ist auch deshalb nicht gegeben, weil die Frau nicht wusste, ob sie tatsächlich schwanger ist. Die Anamnese „Zustand nach Eileiterschwangerschaft“ erlaubte keine gesicherte Kenntnis darüber, ob eine intakte Schwangerschaft im Uterus vorlag.
Gericht stellt Arbeitsvertrag infrage
Sie konnte also noch nicht davon ausgehen, dass sie den Job als Pflegeassistentin wegen eines Beschäftigungsverbots für Schwangere nicht hätte ausüben können. Fraglich bleibt die Wirksamkeit der oben genannten Klausel.
Das Gericht stellt diesbezüglich die Frage, inwieweit eine Arbeitnehmerin die im Vertrag formulierte Erklärung überhaupt abgeben kann. Wie im vorliegenden Fall, aber auch bei Krankheiten, die nicht festgestellt wurden, kann keine gesicherte Auskunft der Betroffenen gemacht werden.
Quelle: ArbG Gera 24.01.2023 – 3 Ca 1074/22