Tätowierungen
Schwer in Mode: Eulen auf dem Arm nach Athen tragen Bild: Alexan­der Meyer-Köring

Nicht nur ein Blick auf die Oberarme oder Beine von Fußball-Bundes­li­ga­pro­fis oder Musikern zeigt es, sondern auch der Eindruck aus einer x‑beliebigen Pflege­sta­tion in Deutsch­land: Tätowie­run­gen sind längst keine Spezia­li­tät von Seefah­rern oder (ehema­li­gen) Häftlin­gen mehr, sondern sind im breiten Mainstream angekom­men. Laut einer Studie des Statis­tik­por­tals Statista von 2021 tragen 24 Prozent der Deutschen mindes­tens ein Tattoo auf der Haut, 14 Prozent sogar mehrere. Je jünger, desto ausge­präg­ter ist dabei die Vorliebe zur Tattoo-Kunst.

Auch Piercings – das Durch­ste­chen der Haut für Schmuck­stü­cke wie Metall­ringe oder Anhän­ger – ist demnach gang und gäbe, auch jenseits des „klassi­schen“ und weithin akzep­tier­ten Ohrrings oder ‑anhän­gers.

So tragen 33 Prozent der Deutschen zwei oder mehr Piercings am Körper. Als Piercing-Stellen beliebt sind Augen­brauen oder die Nase, auch der Bauch­na­bel oder (selte­ner) die Brust­war­zen. Bei den Tattoos ist der / die Oberarm(e) belieb­teste Lage für das indivi­du­elle Motiv – doch auch Hände, Hals, Beine und (selte­ner) das Gesicht sind mögli­che Stellen.

Nicht mehr so gefragt ist das Steiß­bein als Tätowier­stelle – hier ist das sogenannte „A…-Geweih“, das um die Jahrtau­send­wende schwer angesagt war, seit mindes­tens einem Jahrzehnt mega-out und Gegen­stand von Spott.

Hygiene-Frage: Besser Vorsicht als Nachsicht, vor allem bei Piercings

Doch vor allem, wenn sich die Piercings häufen, oder sich Tattoos deutlich sicht­bar auf dem nicht typischer­weise von Kleidung bedeck­ten Körper­tei­len erstre­cken – Gesicht, Hals, Unter­arme, Hände – stellt sich für manche Arbeit­ge­ber die Frage, ob das Erschei­nungs­bild Patien­ten und Besuchern noch „zumut­bar“ ist. Gerade im Fall von Piercings gibt es auch ein hygie­ni­sches Problem, denn die Körper­öff­nun­gen können ein Aus- oder Einfalls­tor für Keime sein, oder die Ringe könnten sich während einer Tätig­keit verhed­dern. Eine gewisse Vorsicht vor dem Gang zum Tattoo- oder Piercings-Studio ist für Pflege­kräfte also geboten.

Hinsicht­lich des hygie­ni­schen Risikos gibt das Robert Koch-Insti­tut (RKI) eine Teilentwar­nung: „Von einem reizlo­sen Piercing oder Tattoo gehen im Stati­ons- oder Praxis­all­tag keine beson­de­ren Infek­ti­ons­ge­fah­ren aus“, schreibt die oberste Gesund­heits­be­hörde des Bundes. Aller­dings ist das Tragen von Piercings an Händen oder Unter­ar­men genau wie das Tragen von Ringen, Armbän­dern und Schmuck verbo­ten, da sie einer korrek­ten Hände­hy­giene entge­gen stehen. Große Piercings können demnach auch eine Eigen­ge­fähr­dung darstel­len können, da diese von (beispiels­weise panischen oder verwirr­ten) Patien­ten oder Bewoh­nern ergrif­fen und abgeris­sen werden könnten.

Tätowierungen
Die Spatzen pfeifen es vom Dach: Tattoos sind weniger bedenk­lich als Piercings Bild: Alexan­der Meyer-Köring

Tätowie­run­gen weniger bedenk­lich

Weniger bedenk­lich schei­nen dagegen Tätowie­run­gen zu sein. Aller­dings können frisch gesto­chene, von der Hautober­flä­che her noch nicht verheilte Tattoos eine Infek­ti­ons­ge­fahr für sich selbst oder andere darstel­len. Beson­ders bei sicht­ba­ren, gegen­über der Umgebung exponier­ten Tätowie­run­gen sollte man sich daher an Vorge­setzte oder betriebs­ärzt­li­ches Perso­nal wenden, „damit geprüft werden kann, ob bzw. inwie­weit die Ausübung der Tätig­keit unter dem Aspekt der Patien­ten­si­cher­heit möglich ist“, so das RKI. Abseits von Piercings sollten auch lange Finger­nä­gel und Nagel­lack sowie Nagel­schmuck in der Pflege ein Tabu sein – ebenfalls wegen der drohen­den Gefahr durch Krank­heits­er­re­ger, die sich unter den Nägeln oder Schmuck­stü­cken sammeln und weiter­ge­ge­ben werden können.

Arbeits­recht­li­che Sicht: In der Regel kein Problem – aber es gibt Ausnah­men

Ähnlich wie bei der Hygiene sieht es in der arbeits­recht­li­chen Bewer­tung aus. Kann ein Tattoo ein Einstel­lungs­hin­der­nis oder gar ein Kündi­gungs­grund werden? In der Regel nicht, aber keine Regel ohne Ausnah­men. Die aller­meis­ten Pflege­heime oder Klini­ken haben, wie das Alltags­bild auf den Statio­nen zeigt, offen­sicht­lich kein Problem mit tätowier­ten Beschäf­tig­ten in der Pflege – und Vorschrif­ten oder gar „Dress­codes“ hinsicht­lich Tattoos oder Piercings sind die absolute Ausnahme. „In vielen Branchen sind Tätowie­run­gen ein Tabu. Nicht so in der Pflege“, schreibt die Landes­pfle­ge­kam­mer Rhein­land-Pfalz in einem Fachbei­trag.

Doch Vorsicht: Wer auf beson­ders große, zahlrei­che und auffäl­lige Tätowie­run­gen als Persön­lich­keits- und Erken­nungs­merk­mal setzt, könnte Probleme bekom­men. Man denke etwa an konser­va­tiv geprägte, kirch­li­che Einrich­tun­gen auf dem Land. Denn der Bereich des Körper­schmucks ist nicht im Anwen­dungs­be­reich des Allge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) angesie­delt, der Arbeit­ge­ber hat daher Vertrags-Abschluss­frei­heit.

Bei bestehen­den Beschäf­ti­gungs-Verhält­nis­sen gilt: Der Arbeit­ge­ber kann seinen Mitar­bei­te­rin­nen und Mitar­bei­tern Vorschrif­ten zum äußeren Erschei­nungs­bild machen – muss das aber mit einem berech­tig­ten Inter­esse begrün­den können. Je weiter höher die Tätig­keit angesie­delt ist und je mehr Kunden­kon­takt der Arbeits­platz innehat, desto eher könnte es Probleme geben.

Tätowie­run­gen sicht­bar oder nicht?

Wenn in der Pflege Tätowie­run­gen auch offener gegen­über­ge­tre­ten wird als beispiels­weise bei Banken oder der Polizei, und mitun­ter sogar als Coolness-Faktor gilt, ist nicht alles unbeschränkt möglich. Da nicht alle älteren Menschen Tattoos und Piercings so offen gegen­über­ste­hen wie die meisten Jünge­ren, sollte beson­de­res Finger­spit­zen­ge­fühl bei der Motiv-Auswahl herrschen, und ob die Tätowie­run­gen bei norma­ler Arbeits­klei­dung sicht­bar sind oder nicht.

Beson­ders bei den bereits angespro­che­nen kirch­li­chen Trägern – die zusätz­lich noch vom gesetz­lich zugebil­lig­ten Tendenz­schutz profi­tie­ren – könnten beispiels­weise „schwarze“ Gothic-Motive ein Problem darstel­len. Ansons­ten herrscht auf dem Pflege­markt Angebot und Nachfrage – und die Zahl der Arbeit­ge­ber, die Bewer­ber für die Pflege allein wegen ihres Äußeres zurück­wei­sen, dürfte hinsicht­lich der bekann­ten Perso­nal­lage deutlich überschau­bar sein.