Dort, wo nah am Menschen gearbeitet wird, bleibt leider oftmals das Thema Gewalt nicht aus. Sie kommt sowohl seitens des Pflegepersonals gegenüber Patienten vor, als auch umgekehrt seitens der Patienten gegenüber dem Pflegepersonal. Hier soll es konkret aus rechtlicher Perspektive um die Frage gehen, inwieweit sich Pflegepersonal gegen körperliche Gewaltübergriffe durch Patienten zur Wehr setzen kann beziehungsweise darf.
Vorweg: Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen. Das heißt: Liegt ein gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff eines Patienten vor, hat das verteidigende Pflegepersonal die Möglichkeit sich mit jedem zur Verfügung stehenden Mittel zur Wehr zu setzen, solange kein krasses Missverhältnis zwischen dem beim Personal beeinträchtigten Rechtsgut und der Beeinträchtigung des Angreifers zu beobachten ist. Das Notwehrrecht des § 32 StGB berechtigt prinzipiell ohne die Abwägung von Verhältnismäßigkeiten Maßnahmen gegen aggressive Patienten zu ergreifen, die zur Abwehr erforderlich sind, auch wenn der angreifende Patient hierdurch verletzt werden würde. Relevant ist hierbei die Begrifflichkeit „gegenwärtig“. Notwehr meint also die unmittelbare Zurwehrsetzung gegen den gegenwärtigen Übergriff.
Eine Grenze der Notwehr liegt jedoch dann vor, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen dem vom Personal geschützten Rechtsgut und der Beeinträchtigung des Angreifers besteht. Bei sog. Bagatellangriffen wird dem Verteidiger die Berufung auf das Notwehrrecht verwehrt. Problematisch kann die Rechtfertigung der Verteidigungshandlung auch sein, wenn der Angreifer ohne Schuld im strafrechtlichen Sinne handelt: Das heißt die Steuerungsfähigkeit des Patienten ist zum Beispiel durch Alkohol- oder Drogenkonsum erheblich eingeschränkt.
In der juristischen Literatur[1] wird insoweit vertreten, dass eine aktive Gegenwehr zwar erlaubt sein soll, zu beachten sei in diesen Fällen aber der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Welche Grenzen hierbei im Einzelnen einzuhalten sind, richtet sich am jeweiligen Einzelfall aus.
Die Abwägung der Verhältnismäßigkeit ist auch dem parallel anwendbaren rechtfertigenden Notstand gemäß § 34 StGB immanent. Bei einem allgemeinen Notstand muss vor einer Aktion gegen den Aggressiven immer zuerst abgewogen werden, ob die Verteidigungsfolgen in einem angemessenen Verhältnis zur Beeinträchtigung durch den aggressiven Patienten stehen.
Abseits dessen sollten in den Notfallplänen der Gesundheitseinrichtungen auch das Vorgehen bei Patientenübergriffen geregelt sein. Ebenso kann zur Prävention, beziehungsweise Begegnung von Übergriffen an die Implementierung eines Sicherheitsdienstes, die Einrichtung von technischen Maßnahmen (zum Beispiel geschlossene Eingangstüren Alarmknöpfe, Überwachungskameras) gedacht werden. Auf der personellen Ebene ist im Schulungsbereich an Selbstverteidigungskurse und Deeskalationstrainings zu denken, damit sich das pflegerische Personal besser auf Patientenübergriffe vorbereiten kann.
Gewalt hat übrigens viele Gesichter. Sie ist nicht immer ausschließlich körperlicher Art: Auch Anschreien, Nichtbeachtung und Vernachlässigung oder Beschämen sind Formen der Gewalt. Erfahren Sie hier mehr zum Thema Gewalt und schauen sich diese Tipps zur Gewaltprävention an.
Fußnote:
- Schönke-Schröder-Perron/Eisele, § 32, Randnummer 52 mit weiteren Nachweisen.