Jeder hat das Recht, selbstbestimmt die Entscheidung zu treffen, sein Leben eigenhändig bewusst und gewollt zu beenden. Dies wird, wie das Bundesverfassungsgericht durch Urteil vom 26. Februar 2020 (Az.: 2 BvR 2347/15 u.a.) bestätigt hat, durch Artikel 2 Absatz 1 GG in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 GG gewährleistet.
Dieses Recht wollten auch zwei Männer aus Rheinland-Pfalz und Niedersachsen für sich in Anspruch nehmen:
- Der erste Kläger (*1970) leidet seit 1997 an Multiple Sklerose mit einem Schweregrad (EDSS-Level) von 8,5 von 10 Punkten. Er ist fast vollständig gelähmt. Der Kläger benötigt eine umfassende Hilfestellung bei der Körperpflege und allen Alltagsaktivitäten rund um die Uhr (Pflegegrad 5).
- Der zweite Kläger (*1944) leidet seit Jahren unter anderem unter der koronaren Herzkrankheit (3‑Gefäß-KHK). 2015 wurde ein Burkitt-Lymphom im Stadium IV diagnostiziert, das unter anderem das Knochenmark infiltriert hatte. Die darauf hin eingeleitete Chemotherapie ging mit einer Vielzahl an schweren Nebenwirkungen einher.
Natrium-Pentobarbital zur Suizidhilfe
Um ihr Leben möglichst würdevoll beenden zu können, hatten die Kläger beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) jeweils ein Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb von 15g des Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung gestellt.
Bei Natrium-Pentobarbital handelt es sich um ein starkes Beruhigungs- und Schlafmittel, dass auch bei der Behandlung von Krampfanfällen eingesetzt wird.
Das Bundesinstitut lehnte die Anträge der Kläger ab. Die dagegen gerichteten Klagen hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.
Berufungsgericht: Antrag widerspricht Gesetzeszweck
So kam das Oberverwaltungsgericht Münster in dem Berufungsverfahren vom 2. Februar 2022 (Az.: OVG 9 A 146/21, OVG 9 A 148/21) zu dem Schluss, dass die beantragte Erlaubnis gemäß § 5 Absatz 1 Nummer 6 BtMG zu versagen ist.
Der Erwerb von Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung ist grundsätzlich nicht mit dem Zweck des Gesetzes vereinbar, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.
Denn medizinische Versorgung im Sinne der Vorschrift meint die Anwendung eines Betäubungsmittels zur Heilung oder Linderung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden. Eine solche therapeutische Zielrichtung hat die Beendigung des eigenen Lebens grundsätzlich nicht.
„Es gibt andere zumutbare Möglichkeiten“
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat die Revisionen der Kläger zurückgewiesen. Es hat damit die Rechtsauffassung der Berufungsinstanz bestätigt.
Zwar räume die Verfassung dem Einzelnen die Freiheit ein, selbstbestimmt zu entscheiden, ob, wann und wie er sein Leben beenden möchte. Zutreffend sei auch, so die obersten Verwaltungsrichter, dass die hier in Rede stehenden betäubungsmittelrechtlichen Regelungen einen Eingriff in dieses Grundrecht darstellen.
Der Grundrechtseingriff sei aber gerechtfertigt, so das Bundesverwaltungsgericht: Das Betäubungsmittelgesetz verfolge mit dem generellen Verbot, Betäubungsmittel zum Zweck der Selbsttötung zu erwerben, unter anderem das legitime Ziel, Miss- und Fehlgebrauch von tödlich wirkenden Betäubungsmitteln zu verhindern. Dieser Zweck stehe nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Grundrechtseingriffs.
Begründet wird dies seitens der Richter insbesondere mit den Alternativen, die den Betroffenen zur Verfügung stünden. „Für Menschen, die selbstbestimmt entschieden haben, ihr Leben beenden zu wollen, gibt es andere zumutbare Möglichkeiten zur Verwirklichung ihres Sterbewunsches“, so die Vorsitzende Richterin Renate Philipp. Damit verweist sie vor allem auf die Möglichkeit, sich die Suizidmedikamente ärztlich verschreiben zu lassen.
Nach Ansicht des BVerwG keine Notlage
Das Gericht erkennt auch keinen Widerspruch mit der eigenen Rechtsprechung. So hat das Bundesverwaltungsgericht noch in seiner Entscheidung vom 2. März 2017 (Az.: 3 C 19.15) festgestellt, dass Sterbewillige, die sich in einer extremen Notlage befinden, ausnahmsweise einen Anspruch auf die beantragte Erwerbserlaubnis von Natrium-Pentobarbital haben.
Die Voraussetzungen einer solchen Notlage lägen bei den Klägern schon deshalb nicht vor, weil eine zumutbare Alternative zur Selbsttötung mit Natrium-Pentobarbital bestünde, so das Bundesverwaltungsgericht.