Rassismus
Glanz verlo­ren: philip­pi­ni­sche Pflege­kräfte wollen nicht mehr nach Deutsch­land kommen Bild: Desiree Gorges

Rassis­mus im Fokus: Es war einmal ein edler Prinz, der eilte herbei, um arme Prinzes­sin­nen aus der Not zu retten und ihnen eine glorrei­che Zukunft zu bieten. Im Gegen­zug schenk­ten die Prinzes­sin­nen dem Prinzen ihre Fürsorge, denn der Prinz war schon etwas in die Jahre gekom­men und auf tatkräf­tige Unter­stüt­zung dringend angewie­sen. Sie wurden zusam­men glück­lich und wenn sie nicht gestor­ben sind…dann würde das Märchen an dieser Stelle ein gutes Ende nehmen.

Es ist aber kein Märchen. Der alternde Prinz, von dem hier die Rede ist, trägt in Wirklich­keit den Namen Deutsch­land. Die armen Prinzes­sin­nen sind vietna­me­si­sche, philip­pi­ni­sche oder mexika­ni­sche Pflege­kräfte. Um den Weg in die glorrei­che Zukunft antre­ten zu können, müssen sie erst unter Beweis stellen, was sie können.

Anspruch an auslän­di­sche Pflege­kräfte

Damit sie als Pflege­kraft in Deutsch­land arbei­ten dürfen, müssen sie Deutsch auf B‑Niveau beherr­schen, Zusatz­qua­li­fi­ka­tio­nen erwer­ben und Durch­hal­te­ver­mö­gen bei der Anerken­nung ihrer beruf­li­chen Quali­fi­ka­tion bewei­sen.

Die Anerken­nung auslän­di­scher Berufs­aus­bil­dun­gen ist ein langwie­ri­ges Proze­dere, zudem unter­schei­den sich Art und Level der Abschlüsse von Land zu Land. So zum Beispiel kommen Pflege­kräfte von den Philip­pi­nen mit einem Bache­lor-Abschluss, Pflege­kräfte aus Vietnam dagegen mit einer Vorer­fah­rung, die sie zu einer deutschen Pflege­aus­bil­dung befähigt.

Bis die Pflege­kräfte zum vollen Einsatz mit vollem Gehalt kommen, ist es insge­samt also ein beschwer­li­cher, mitun­ter degra­die­ren­der Weg. Am Ende winken (verhält­nis­mä­ßig) bessere Arbeits­be­din­gun­gen mit weniger Arbeits­zeit und (verhält­nis­mä­ßig) mehr Gehalt. Von diesem Gehalt soll natür­lich auch die Familie in der fernen Heimat profi­tie­ren.

„Triple Win“ für Land und Pflege­kraft

Dass die Pflege­kräfte Geld nach Hause schicken, ist ein zentra­ler Gedanke des staat­li­chen Programms „Triple Win“ zur Gewin­nung von Pflege­kräf­ten aus Ländern wie Vietnam, den Philip­pi­nen, Brasi­lien, Mexico oder Bosnien und Herze­go­wina.

Das Programm existiert schon seit 2013 und steht nament­lich für den Gewinn, der sich für die drei Betei­lig­ten daraus ergibt:

  • Für das Aufnah­me­land Deutsch­land, welches mit der geziel­ten Anwer­bung von Pflege­kräf­ten aus Ländern mit expli­zi­tem Fachkräf­te­über­schuss dem eigenen Fachkräf­te­man­gel entge­gen­wir­ken will
  • Für die Pflege­kraft selbst durch eine lukra­tive beruf­li­che Perspek­tive
  • Für das Heimat­land der Pflege­kraft durch Geldsen­dun­gen, die auf das Brutto­in­lands­pro­dukt einzah­len und durch die Entlas­tung auf dem Arbeits­markt

Wie sich die Anwer­bung der auslän­di­schen Pflege­kräfte auf staat­li­cher Ebene gestal­tet, zeigte erst vor wenigen Wochen die Fachkräf­te­ver­ein­ba­rung mit Vietnam, die Bundes­ar­beits­mi­nis­ter Huber­tus Heil im Rahmen eines Staats­be­suchs verhan­delt hat. Neben dem Abbau bürokra­ti­scher Hürden wird darin auch ein fairer Umgang mit den Pflege­kräf­ten zugesi­chert.

Fatale Signale: Diskri­mi­nie­rung und Rassis­mus

Gerade am fairen Umgang hapert es jedoch in Deutsch­land. Rassis­mus- und Diskri­mi­nie­rungs­er­fah­run­gen philip­pi­ni­scher Pflege­kräfte machten bereits im vergan­ge­nen Herbst Schlag­zei­len, nachdem eine Umfrage der inter­kul­tu­rel­len Berate­rin Grace Lugert-Jose ergeben hatte, dass die Mehrheit der 224 Befrag­ten die Arbeit in Deutsch­land befreun­de­ten Pflege­kräf­ten nicht empfeh­len würde.

Persön­li­che Erfah­rungs­be­richte stützen dieses Bild und zeigen, wie das Gefühl von Ableh­nung, Mobbing und Benach­tei­li­gung das Seelen­le­ben belas­ten kann und das Heimweh beför­dert. So berich­tet zum Beispiel der Filipino Romy Padilla im Deutsch­land­funk von Getuschel hinter seinem Rücken, abfäl­li­gen Bemer­kun­gen, Zweifeln an seiner Quali­fi­ka­tion und dem Verdacht der deutschen Kolle­gen, ihnen den Arbeits­platz zu stehlen.

Angesichts solcher Erfah­run­gen ist es nachvoll­zieh­bar, dass viele der angewor­be­nen Pflege­kräfte enttäuscht sind und Deutsch­land wieder verlas­sen wollen – oder gar nicht erst kommen wollen, wie es sich momen­tan auf den Philip­pi­nen abzeich­net. Befeu­ert wird dieser fatale Trend dort nicht bloß durch persön­li­che Erfah­rungs­be­richte und Umfra­gen.

Auch aktuelle politi­sche Entwick­lun­gen wie das Erstar­ken der AfD und die Demons­tra­tio­nen gegen Rechts infolge der kürzlich enthüll­ten Depor­ta­ti­ons­fan­ta­sien bei einem Geheim­tref­fen, machen den Rechts­ruck und die auslän­der­feind­li­che Stimmung in Deutsch­land auch inter­na­tio­nal sicht­bar und schre­cken ab.

Böses Erwachen oder Integra­tion

Zum Glück gibt es auch positive Beispiele, die zeigen, dass das Prinzip „Triple Win“ gelin­gen kann: Die Filipina Eowyn Galvez kam vor über zehn Jahren nach Deutsch­land, ist inzwi­schen stell­ver­tre­tende Bereichs­lei­te­rin und gibt Fachkurse für andere Pflege­kräfte, die über „Triple Win“ nach Deutsch­land kommen.

Auch die Erfah­run­gen der vielzi­tier­ten Berate­rin und inter­kul­tu­rel­len Exper­tin Grace Lugert-Jose bestä­ti­gen, dass der langfris­tige Schlüs­sel zum Erfolg in einer guten Integra­tion liegt. Die funktio­niert jedoch nicht automa­tisch, sondern erfor­dert Bemühun­gen und Verständ­nis auf beiden Seiten. Das kostet Zeit und Geld. Sprach­kennt­nisse und die Ausein­an­der­set­zung mit der Kultur können vieles leich­ter machen.

So legt Ngoc Dung Pham aus Vietnam inter­es­sier­ten Lands­leu­ten ans Herz „nicht nur die Sprache gut zu lernen, sondern sich auch mir der Kultur vertraut zu machen.“ In Vietnam sei man locke­rer, in Deutsch­land nähme man es genauer.

Im übertra­ge­nen Sinne lässt sich also sagen, dass der Märchen­prinz seinen Glanz noch nicht komplett verlo­ren hat…und wenn sie nicht gestor­ben sind, dann pflegt die philip­pi­ni­sche Prinzes­sin den altern­den Prinzen hoffent­lich auch in Zukunft weiter.