Nutzen und Schaden der Vakuumversiegelungstherapie (VSS) für Wunden sind heute nach wie vor unklar. Zwar liegen mittlerweile über 100 klinische Vergleiche mit mehreren tausend Patienten vor, allerdings wurden die Ergebnisse nur teilweise öffentlich zugänglich gemacht. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in einem Vorbericht und übt scharfe Kritik an Herstellern der verwendeten Medizinprodukte sowie an Wissenschaftlern, die jeweils die Daten unter Verschluss halten. Sie verstoßen damit gegen ethische und wissenschaftliche Standards der Wissenschaft. Dadurch hätte es zu einem „hochgradig verzerrten Ergebnis“ bezüglich der Nutzen- und Schadensbewertung der Therapie kommen können, rügt das Institut.
Studienlage 2006 und heute
Im Jahr 2006 hat das Institut zuletzt eine Nutzenbewertung der Therapie vorgenommen. Bereits damals waren Nutzen und Schaden der Therapie unklar, da eine Vielzahl von Studien noch nicht abgeschlossen waren. Daher wurde seitens Wissenschaftlern empfohlen, die Methode erneut zu gegebener Zeit zu bewerten. Auch ein Jahr später musste das Institut allerdings feststellen, dass die Datenlage noch nicht ausreicht, um eine Anwendung der Therapie rechtfertigen zu können.
Wie aus dem aktuellen Vorbericht hervorgeht liegen inzwischen eine Vielzahl von randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) vor, die abgeschlossen worden sind und bei denen die Therapie mit der Standardbehandlung verglichen worden ist. Insgesamt können über 100 Studien gezählt werden, bei denen mehrere Tausend Patienten teilgenommen haben. Eigentlich wäre diese Studienlage eine gute Ausgangsbasis für eine Nutzenbewertung, erklärt das Institut.
Allerdings ist es notwendig, die Ergebnisse aller Studien in die Bewertung einzubeziehen. Wenn lediglich die publizierten Daten verwendet und so die positiven Ergebnisse überschätzt würden, kann es zu einer Verzerrung und Schieflage der Datenlage kommen – Experten sprechen dann von einer „Publikations-Bias“.
Institut hat mehrfach um Auskunft gebeten
Zwar waren eine Vielzahl der Studien durchaus relevant, wenn es beispielsweise um Daten zu Sterblichkeit, Wundverschluss, Schmerzen oder Komplikationen bei der Therapie ging. Hingegen ist man ebenso auf viele Studien gestoßen, deren Ergebnisse nicht verfügbar waren. Das Institut hatte die Studienverantwortlichen mehrfach um Auskunft gebeten.
Ein Anbieter von Medizinprodukten hat das Institut dabei besonders hervorgehoben. Es handelt sich dabei um KCI Medizinprodukte (Acelity) – das Unternehmen lieferte „trotz mehrfacher Nachfragen weder eine komplette Übersicht noch vollständige Studienberichte zu sämtlichen Studien, für die das Unternehmen verantwortlich ist“, berichtet das IQWiG. Demnach liegen für die Hälfte aller Teilnehmer (842 von 1.681) nicht alle Daten vor.
Doch auch auf Forscherseite gibt es Lücken: Für mindestens 1.703 von insgesamt 4.251 Teilnehmern von Studien, die beispielsweise von an Hochschulen tätigen Forschern initiiert wurden, fehlen verwertbare Ergebnisse. Sowohl die KCI-Studien als auch die Hochschul-Studien blieben daher bei der Nutzenbewertung des Instituts komplett unberücksichtigt, um keine falschen Schlüsse zu ziehen.
Mögliche Beweggründe: Abhängigkeiten und eigene Forschungsinteressen
Zu den Beweggründen der Forscher sei nichts bekannt, Abhängigkeiten oder eigene Forschungsinteressen könnten vermutet werden, so das Institut. Hersteller können als Stipendiengeber fungiert oder beim Datenauswerten Unterstützung geboten haben.
Stefan Sauerland, Leiter des Ressorts Nichtmedikamentöse Verfahren, muss frustriert feststellen, dass eine fundierte und gesicherte Nutzenbewertung der Therapie nicht möglich ist: „Bei unseren ersten Bewertungen war die Studienlage dürftig. Nun gibt es zwar Studien mit mehreren Tausend Patientinnen und Patienten, wir können aber immer noch nicht sagen, ob die Vakuumtherapie besser, gleichwertig oder womöglich sogar schlechter ist als die herkömmliche Wundbehandlung.“
Ursache ist, dass sowohl Unternehmen als auch Forscher Daten unter Verschluss halten. „Damit verstoßen sie gegen ethische und wissenschaftliche Standards“, so Stefan Sauerland. „Und sie schaden damit Patienten und Ärzten ebenso wie der Versichertengemeinschaft – für mich als Arzt und Wissenschaftler ist das ein bestürzender Befund“, so Sauerland weiter.
Forderung des Instituts
Für das Institut zeige sich anhand der Vakuumtherapie exemplarisch, dass es auch für Studien zu nichtmedikamentösen Verfahren und Medizinprodukten weitergehende gesetzliche Regelungen notwendig sind. Bezüglich des jetzt veröffentlichten Vorberichts des IQWiG fordert das Institut Stellungnahmen bis zum 25.September. Beauftragt wurden alle Bewertungen der Vakuumtherapie vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G‑BA).
Einsatz der Vakuumversiegelungstherapie: Unterdruck soll Durchblutung erhöhen
Bei der Vakuumtherapie wird die Wunde luftdicht mit einem Verband abgedeckt. An diesem ist eine Pumpe über einen dünnen Schlauch angeschlossen, wodurch ständig Wundflüssigkeit abgesaugt wird. Auf diese Weise entsteht im Wundbereich ein Unterdruck. Er soll die Durchblutung der Wunde erhöhen, außerdem bleibt die Wunde feucht, wodurch die Heilung gefördert werden soll.
Einsatz findet die Therapie vor allem bei schwer heilenden oder großflächigen Wunden, wie sie etwa bei Patienten mit einem Dekubitus oder nach einer Operation gegeben sind. Der Vorbericht des Instituts bezüglich der Studienlage zu dieser Therapie bezieht sich konkret auf die Vakuumtherapie bei intendierter sekundärer Wundheilung. Dabei handelt es sich um eine Wundheilung, bei der sich Gewebe neu bilden, die Wunde kontrahieren oder Haut transplantiert werden muss.
Quelle: IQWiG