
In der Pflege ist der Einsatz von Zeitarbeitskräften oft der einzige Weg, den Personalmangel in den Einrichtungen in den Griff zu bekommen. Das soll sich demnächst ändern: Seit einiger Zeit werden Forderungen der Kliniken laut, die Leiharbeit zu reglementieren oder zu verbieten. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hatte im Februar dieses Jahres einen entsprechenden Appell an die Politik gerichtet, da die Leiharbeit in den Krankenhäusern sich „von der Ausnahme zum Regelfall“ entwickelt habe, was die Belegschaft spalte. Auch seien die dadurch entstehenden höheren Kosten nicht mehr tragbar.
Das Institut der deutschen Wirtschaft hat nun eine Befragung von Zeitarbeitskräften im Pflegebereich veröffentlicht, die einige grundsätzliche Annahmen zum Thema Zeitarbeit in der Pflege widerlegt.
Pflegekräfte verlassen Einrichtungen aus eigenem Antrieb
In vielen Berichten über Leiharbeit in der Pflege entsteht der Eindruck, Zeitarbeitsfirmen würden Pflegekräfte gezielt aus den Einrichtungen abwerben. Das konnte die Studie nicht bestätigen: Mehr als ein Drittel aller Zeitarbeitskräfte, die zuvor in einer Einrichtung beschäftigt waren, nannten Hinweise von Bekannten als Grund für den Wechsel, für ein Fünftel war eine Stellenausschreibung das Motiv. Eine Abwerbung durch die Zeitarbeitsfirmen hat weniger als drei Prozent der Pflegekräfte zu einem Wechsel in die Leiharbeit motiviert. Allerdings erhielten über 50 Prozent der Leiharbeitskräfte schon einmal ein Übernahmeangebot einer Einrichtung, bei Leitungskräften sogar über 70 Prozent.
Faire Bezahlung und mehr Einfluss auf die Arbeitszeiten
Wenig überraschend: Der meistgenannte Grund für die Zeitarbeit ist die leistungsgerechte Vergütung. Auch mehr Einfluss auf den Dienstplan (63,5 Prozent) beziehungsweise die Verlässlichkeit der Dienstpläne (29,3 Prozent) spielen eine große Rolle. Darüber hinaus fühlen sich mehr als die Hälfte der Befragten in der Leiharbeit mehr wertgeschätzt.
Überraschend ist allerdings, dass immerhin 16,3 Prozent der Teilnehmer angaben, in der Zeitarbeit mehr Einfluss auf ihren Einsatzort zu haben – überraschend deshalb, weil Zeitarbeitskräfte selten über ihren Einsatzort entscheiden können. Der Wechsel in andere Einrichtungen – auch gegen den Willen der Mitarbeiter – scheint möglicherweise auch bei Festangestellten regelmäßig vorzukommen.
Verbot der Zeitarbeit in der Pflege bringt Fachkräfte nicht zurück
Befürworter eines Verbots – oder einer strengen Regulierung – der Zeitarbeit argumentieren oft, dass dadurch der Fachkräftemangel in der Pflege verstärkt werde. Wenn diese Arbeitsplätze wegfallen beziehungsweise die gleichen Arbeitsbedingungen bieten wie eine Festanstellung, würden die Pflegenden – so die Annahme – wieder in die Einrichtungen zurückkehren.
Diese Idee wird allerdings von der Studie widerlegt: Nur 18,2 Prozent der Befragten zieht diese Alternative in Erwägung. Über die Hälfte gab an, in diesem Fall in einen anderen Tätigkeitsbereich wechseln zu wollen. Immerhin 11,6 Prozent würden auch eine Aufgabe des Berufs in Erwägung ziehen. Natürlich kann es sein, dass diese Entscheidungen im Ernstfall etwas mehr im Sinne der Kliniken ausfallen würden. Aber eine massive Rückkehr der Fachkräfte lässt sich aus diesen Daten beim besten Willen nicht ableiten.
Kommentar: Schnelle Lösung nicht in Sicht
Zur Zeit scheint die Diskussion festgefahren: Laut einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland soll den Einrichtungen mit der Gesundheitsreform die Finanzierung für die Zeitarbeitskräfte teilweise entzogen werden: Pflegeeinrichtungen dürften die Mehrkosten für den Einsatz von Zeitarbeitskräften nicht den Pflegekassen in Rechnung stellen, sondern nur noch Kosten analog zu den in der Branche üblichen Tariflöhnen abrechnen. Vermittlungsgebühren für die Zeitarbeitsfirmen dürften ebenfalls nicht weitergereicht werden. So wird der Druck auf die Einrichtungen erhöht, auf Leiharbeit zu verzichten – was langfristig zu einem Wegfall von Arbeitsplätzen bei Zeitarbeitsfirmen führen könnte. Und so hätte man de facto eine Reduktion der Leiharbeit, ohne das so klar aussprechen zu müssen. Ob das allerdings den Patienten hilft, ist fraglich.
Erstaunlich ist generell, mit welcher Selbstverständlichkeit darüber diskutiert wird, Menschen unter Druck zu setzen, damit sie ihre Arbeit zu schlechteren Bedingungen machen. Eine Verbesserung der beruflichen Situation durch den Wechsel des Arbeitsplatzes ist für viele Menschen absolut selbstverständlich – soll aber für die Pflegenden durch gesetzliche Regelungen erschwert werden. Man darf sich nicht wundern, dass viele Pflegende über mangelnde Wertschätzung klagen.
Hintergrund: Für die Studie „Zeitarbeiterbefragung: Zeitarbeit in der Pflegebranche“ wurden von Mitte Januar bis Ende Februar 2023 rund 4.000 Zeitarbeitskräfte im Gesundheits- und Pflegebereich befragt. Die Studie entstand im Auftrag des Bundesarbeitgeberverbands der Personaldienstleister und des Interessenverbands Deutscher Zeitarbeitsunternehmen.