Leserfrage zu Kostenübernahme:
Immer wieder gibt es bei uns Streit um die Kostenübernahme für das Anziehen der Kompressionsstrümpfe. Die Krankenkassen behaupten, dass dies durch die Beschäftigten in unserer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe geleistet werden muss. Ist das rechtens?
Antwort der Redaktion:
>uss die Einrichtung kein medizinisch ausgebildetes Personal vorhalten, hat diese regelmäßig nur einfachste Maßnahmen der Krankenpflege zu erfüllen. Nur von medizinisch ausgebildetem Fachpersonal erfüllbare Leistungspflichten scheiden dann regelmäßig aus. Anders sieht es aus, wenn sich die Einrichtung nach ihrem Aufgabenprofil auf eine besondere Zielgruppe ausrichtet. Denn dabei werden ständig bestimmte behandlungspflegerische Maßnahmen erforderlich. Dann ist die Einrichtung entsprechend sächlich und personell auszustatten. Und sie hat diese behandlungspflegerischen Maßnahmen zu erbringen, weil ohne sie die Eingliederungsaufgabe im Hinblick auf ihre Zielgruppe nicht erreichbar ist.
Das Anlegen von ärztlich verordneten Kompressionsstrümpfen erfordert medizinisch ausgebildetes Fachpersonal. Kompressionsstrümpfe ab Klasse II sind nach der Leistungsbeschreibung Nummer 31 der HKP-Richtlinie bei verschiedenen Indikationen bei mobilen Patienten einzusetzen. Insbesondere zur Abheilung von Ulcera, zur Unterstützung des venösen Rückflusses und Lymphabflusses bei Varikose, Thromboembolie, chronischer Veneninsuffizienz, Ödemen, Narben/Verbrennungen. Je nach Gesundheitszustand des Versicherten kann es erforderlich sein, dass das Anziehen in einer Einrichtung durch medizinisch ausgebildetes Fachpersonal erfolgen muss. Denn anderenfalls wäre das Personal der Einrichtung mit einer solchen Behandlungspflege überfordert. Zudem könnte unsachgemäßes Anziehen der Kompressionsstrümpfe die gesundheitlichen Einschränkungen verschlimmern.
Einrichtungen der Behindertenhilfe können grundsätzlich ein geeigneter Ort für die Beanspruchung der Behandlungspflege im Rahmen der häuslichen Krankenpflege sein (§§ 27 Absatz 1, 37 Absatz 2 SGB V). Allerdings steht dem Versicherten im Einzelfall kein Anspruch gegen die Einrichtung auf Erbringung der Maßnahme zu. Gehört das Anpassen von Kompressionsstrümpfen nicht zum vertraglich geschuldeten Aufgabenspektrum einer Behinderteneinrichtung, kann diese Leistung vom Versicherten gegenüber der Krankenkasse gefordert werden.
Das Bundessozialgericht gab im vorliegenden Fall dem Revisionsanspruch der Klägerin statt und verwies den Fall zurück an das Berufungsgericht. Dieses müsse unter anderem die bislang rechtsfehlerhaft unterbliebene Beiladung des Trägers der Einrichtung nachholen.
Quelle: BSG vom 7.5.2020 – B 3 KR 4/19