Generalistische Pflegeausbildung
Eine Pflege­kraft in der häusli­chen Pflege. Bild: Ginasan­ders | Dreamstime.com

Vor der aktuel­len Debatte

Der Caritas­ver­band für das Bistum Essen initi­iert 1994 das Modell­pro­jekt einer „Gemein­sa­men (Grund-)Ausbildung in der Alten‑, Kranken- und Kinder­kran­ken­pflege“. Das „Essener Modell“ wird zwischen 1997 und 2000 von Uta Oelke und Marion Menke durch­ge­führt und im Anschluss evalu­iert. Im Herbst 2002 erfolgt die Veröf­fent­li­chung des Abschluss­be­rich­tes.

2000 gibt die Robert Bosch Stiftung die vielbe­ach­te­tet Denkschrift „Pflege neu denken“ (Auszug) heraus. In dieser wird eine modula­ri­sierte, genera­lis­ti­sche Pflege­aus­bil­dung mit unter­schied­li­chen Quali­fi­ka­ti­ons­stu­fen, die auch unter­schied­li­che Eingangs­vor­aus­set­zun­gen (z.B. Haupt­schul­ab­schluss, Fachhoch­schul­reife) berück­sich­tigt, vorge­stellt.

Zwischen 2004 und 2008 wird in dem breit angeleg­ten, vierjäh­ri­gen Modell­vor­ha­ben „Pflege in Bewegung“ erprobt, wie eine gemein­same Weiter­ent­wick­lung der verschie­de­nen Pflege­aus­bil­dun­gen ausse­hen kann: In acht Modell­pro­jekte an insge­samt 15 Pflege­schu­len in acht Bundes­län­dern werden die Ausbil­dun­gen in unter­schied­li­cher Weise zusam­men­ge­führt (Abschluss­be­richt).

Nach Auswer­tung von 42 Model­len spricht sich das Insti­tut für Public Health und Pflege­for­schung der Univer­si­tät Bremen für die Aufhe­bung der Trennung zwischen Alten‑, Gesund­heits- und Kranken­pflege sowie Gesund­heits- und Kinder­kran­ken­pflege aus (2008/2009).

Januar 2015

Anläss­lich der in Berlin vorge­stell­ten Studie „Was man in den Pflege­be­ru­fen in Deutsch­land verdient“ kriti­siert Staats­se­kre­tär Karl-Josef Laumann, Pflege­be­voll­mäch­tig­ter der Bundes­re­gie­rung, die erheb­li­chen Lohnun­ter­schiede inner­halb der Pflege­be­rufe. Als einen Weg aus der Ungleich­be­hand­lung sieht Laumann in der Einfüh­rung der genera­lis­ti­schen Pflege­aus­bil­dung.

März 2015

Der Präsi­dent des Arbeit­ge­ber­ver­ban­des Pflege, Thomas Greiner, stellt in einem State­ment die Behaup­tung auf, dass „die Politik mit falschen Zahlen zum hochum­strit­te­nen Thema der geplan­ten genera­lis­ti­schen Pflege­aus­bil­dung“ operiere und bittet – zwecks Unter­su­chung der Wahrneh­mungs­fä­hig­keit – „Gröhe und Laumann zum Arzt“. Laumann kontert auf einer Presse­kon­fe­renz anläss­lich des Deutschen Pflege­ta­ges, dass die Gegner der genera­lis­ti­schen Ausbil­dung in der Pflege dort säßen, wo keine Tarif­löhne gezahlt würden.

Juli 2015

Die Kultus­mi­nis­ter­kon­fe­renz veröf­fent­licht eine Stellung­nahme zum vorläu­fi­gen Arbeits­ent­wurf des Geset­zes. Darin werden die Genera­li­sie­rung der Pflege­be­rufe und die Schaf­fung hochschu­li­scher Quali­fi­ka­ti­ons­wege ausdrück­lich begrüßt. Vorbe­halte gibt es hinsicht­lich der Finazie­rung.

Septem­ber 2015

Im Rahmen des Jahres­tref­fens der Deutschen Gesell­schaft für Kinder- und Jugend­me­di­zin übt dessen Präsi­dent, Prof. Dr. Ertan Mayatepek, scharfe Kritik an den Plänen für eine genera­lis­ti­sche Pflege­aus­bil­dung. Er befürch­tet den fachli­chen Verlust im Bereich der Kinder- und Jugend­pflege.

Demge­gen­über unter­mau­ert die Präsi­den­tin des Deutschen Berufs­ver­bands für Pflege­be­rufe (DBfK), Chris­tel Bienst­ein, die Forde­rung an die Politik, die Einfüh­rung der genera­lis­ti­schen Pflege­aus­bil­dung endlich voran­zu­trei­ben. Das Deutsche Insti­tut für angewandte Pflege­for­schung (dip) warnt vor Hyste­rie und ruft zu einer sachli­chen Umset­zungs­po­li­tik in Deutsch­land auf.

Oktober 2015

Der pflege­po­li­ti­sche Sprecher der CDU, Erwin Rüddel, stellt die genera­lis­ti­sche Pflege­aus­bil­dung in Frage und fordert einen Neustart der Debatte. Seine Äußerun­gen stoßen auf erheb­li­che Kritik, selbst aus den eigenen Reihen.

Dezem­ber 2015

Der Direk­tor des Deutschen Insti­tuts für angewandte Pflege­for­schung (dip), Prof. Dr. Frank Weidner, begrüßt den Referen­ten­ent­wurf des Pflege­be­rufs­ge­set­zes und weist auf die histo­ri­schen Chancen hin, die mit einer Genera­li­sie­rung verbun­den sind. Weidner: „Mit der Genera­li­sie­rung sind nun auch der gesetz­li­che Einstieg in die grund­stän­dige Akade­mi­sie­rung und erstmals vorbe­hal­tene Aufga­ben für die Pflege vorge­se­hen. Das sind heraus­ra­gende Schritte zur Moder­ni­sie­rung der Pflege, die seit Jahren von den Berufs­grup­pen einge­for­dert werden!“

Januar 2016

Das Bundes­ka­bi­nett beschließt den vom Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­rium und vom Bundes­fa­mi­li­en­mi­nis­te­rium gemein­sam vorge­leg­ten Gesetz­ent­wurf zur Reform der Pflege­be­rufe.

Februar 2016

Die pflege­po­li­ti­sche Spreche­rin der Bundes­tags­frak­tion von Bündnis 90/Die Grünen, Elisa­beth Schar­fen­berg, fordert die Unter­bre­chung des laufen­den Gesetz­ge­bungs­ver­fah­rens mittels eines Morato­ri­ums. Zur Begrün­dung wird die Notwen­dig­keit einer fundier­ten und umfas­sen­den Risiko­fol­gen­ab­schät­zung für die geplante Reform genannt. Unter­stüt­zung erfährt Schar­fen­berg von Partei­kol­le­gin und NRW-Gesund­heits­mi­nis­te­rin Barbara Steffens.

Der Deutschen Pflege­rat lehnt ein solches Morato­rium ab und unter­stützt statt­des­sen den vom Pflege­be­voll­mäch­tig­ten der Bundes­re­gie­rung, Staats­se­kre­tär Karl-Josef Laumann, gestar­te­ten Aufruf „Genera­lis­tik jetzt!“.

März 2016

Das Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­rium legt erste Eckpunkte für eine neue Ausbil­dungs- und Prüfungs­ver­ord­nung vor. Das Minis­te­rium geht damit auf die Kriti­ker zu, die bislang das Fehlen von Infor­ma­tio­nen zu den zukünf­ti­gen Lernin­hal­ten der genera­lis­ti­schen Ausbil­dung monier­ten.

In seiner 162. Sitzung berät der Bundes­tag in erster Lesung über den Entwurf des neuen Pflege­be­rufs­ge­set­zes.

April 2016

Der Petiti­ons­aus­schuss des Bundes­ta­ges verhan­delt über die Eingabe einer Kinder­kran­ken­schwes­ter aus Marburg. In dieser spricht sie sich für den Erhalt ihres Berufs­bil­des aus. Rund 147.000 Perso­nen zeich­ne­ten die Petition mit.

Mai 2016

Ende Mai findet im Bundes­tag eine Anhörung zum Pflege­be­rufs­ge­setz statt. Der Gesetz­ent­wurf stößt aufsei­ten des Deutschen Berufs­ver­ban­des für Alten­pflege (DBVA) auf Ableh­nung.

Auch der bpa lehnt die Genera­lis­tik ab, sieht aber in einer integrier­ten Ausbil­dung einen gangba­ren Weg.

Novem­ber 2016

Ein Versuch, zwischen der CDU-Fraktion und Bundes­ge­sund­heit­mi­nis­ter Gröhe zu vermit­teln, schei­tert: Ein in diesem Rahmen vorge­tra­ge­ner Kompro­miss, der eine integrierte Ausbil­dung vorsieht, wird von Gröhe abgelehnt.

In einem offen Brief und einer Stellung­nahme haben sich vier Pflege­ex­per­tin­nen an Bundes­kanz­le­rin Merkel gewandt: Ingrid Darmann-Finck, Barbara Knigge-Demal, Gertrud Hunde­n­born und Sabine Muths fordern dazu auf, die geplante Ausbil­dungs­re­form nicht im Sand verlau­fen zu lassen.

Januar 2017

Der Januar ist zunächst gekenn­zeich­net durch eine Reihe von Kompro­miss­vor­schlä­gen: So spricht sich die Bundes­tags­ab­ge­ord­nete Bettina Müller (SPD) für den Einbe­zug einer 10jährigen Übergangs­frist aus. Erwin Rüddel (CDU) äußert hinge­gen den Vorschlag, das Konzept des derzei­ti­gen Gesetz­ent­wurfs zunächst in einem Bundes­land zu erpro­ben.

Letzt­lich kann sich die Koali­tion nicht auf Einzel­hei­ten der geplan­ten Reform einigen. Laut des stell­ver­tre­ten­den Frakti­ons­vor­sit­zen­den Georg Nüßlein schei­terte ein mögli­cher Kompro­miss am Wider­stand von Famili­en­mi­nis­te­rin Manuela Schwe­sig. Diese hat der Union zuvor eine Blocka­de­hal­tung vorge­wor­fen. In einem offenen Brief plädiert Elisa­beth Schar­fen­berg (Bündnis 90/Die Grünen) für die Umset­zung einer integra­tiv-gestu­fen Ausbil­dung.

Februar 2017

Der Bundes­rat drängt die Bundes­re­gie­rung und den Deutschen Bundes­tag in einer Entschlie­ßung das Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren zu einem Abschluss zu bringen.

März 2017

Die NRW-Gesund­heits­mi­nis­te­rin Barbara Steffens erneu­ert ihre Kritik an der geplan­ten Berufs­re­form. Unter anderem geht Steffens davon aus, dass die Aussicht auf eine genera­lis­ti­sche Ausbil­dung bei poten­zi­el­len Berufs­ein­stei­gern eher abschre­ckend wahrge­nom­men wird und verweist hierzu auf eine Schüler­be­fra­gung des BIBB.

Demge­gen­über drängt das dip den Koali­ti­ons­aus­schuss die Pflege­be­ru­fe­re­form endlich auf den Weg bringen. Gleiches fordert auch der Deutsche Pflege­rat.

Ende März wird zwischen den Koali­ti­ons-Fraktio­nen ein Kompro­miss­vor­schlag ausge­han­delt: Dieser sieht eine zunächst zweijäh­rige genera­lis­ti­sche Pflege­aus­bil­dung mit anschlie­ßen­der Spezia­li­sie­rung vor. Ein hierzu anberaum­ter Presse­ter­min wird vonsei­ten der SPD-Bundes­tags­frak­tion boykot­tiert; der Kompro­miss­vor­schlag scheint geschei­tert.

April 2017

Die SPD-Bundes­tags­frak­tion teilt ihre Zustim­mung zu einem Kompro­miss mit, der im Wesent­lich auf den zuletzt ausge­han­del­ten Vorschlag basie­ren soll. Danach sollen die Auszu­bil­den­den nach zwei Jahren selbst darüber entschei­den, ob sie weiter genera­lis­tisch ausge­bil­det werden wollen oder ob sich spezia­li­sie­ren.

Aktua­li­siert am 7.4.2017