Streik
Streiks in NRW Bild: Pixabay

Seit langem beklagt die Pflege­bran­che einen starken Fachkräf­te­man­gel, der sich durch die Corona­pan­de­mie deutlich drama­ti­siert hat. Seit Jahren machen Pflegende, Berufs­ver­bände und Gewerk­schaf­ten auf die Ausbeu­tung der Angestell­ten und Auszu­bil­den­den in Kranken­häu­sern, die unzurei­chende Bezah­lung, die fehlen­den Pflege­fach­kräfte und die dadurch mangel­hafte Versor­gung der Patien­tIn­nen aufmerk­sam. Wir Pflegen­den warten jedoch weiter­hin vergeb­lich auf deutli­che Signale seitens der Politik, dass diese Missstände angegan­gen werden.

Unser Berufs­stand braucht seine angebrachte Anerken­nung, Bezah­lung und Wertschät­zung. Die Angestell­ten der Univer­si­täts­kli­ni­ken in Köln, Bonn, Düssel­dorf, Essen, Aachen und Münster haben sich daher im Januar diesen Jahres entschlos­sen der Politik ein Ultima­tum zu stellen, um die Notlage in der Pflege­bran­che zu besei­ti­gen. Inner­halb dieses Ultima­tums sollte ein Tarif­ver­trag abgeschlos­sen werden, der die aktuelle Lage entschärft.

Die Beschäf­tig­ten der sechs Unikli­ni­ken haben sich zu der Bewegung “Notruf Entlas­tung NRW” zusam­men­ge­tan. Auf der Website der Bewegung heißt es: “Die Beschäf­tig­ten der sechs Unikli­ni­ken in NRW fordern umgehend eine tarif­li­che Lösung mittels eines Tarif­ver­tra­ges, der zu ihrer Entlas­tung führt. Bis zum 1. Mai 2022 erwar­ten sie den Abschluss eines entspre­chen­den Tarif­ver­trags. Dieser soll Mindest­per­so­nal­aus­stat­tun­gen für alle Berei­che der Unikli­ni­ken festle­gen und angemes­sene Belas­tungs­aus­glei­che bei Unter­be­set­zung vorse­hen. Neben der Verbes­se­rung der Arbeits­be­din­gun­gen geht es auch um die Quali­tät der Ausbil­dung.”

Streik wegen fehlen­dem Tarif­ver­trag

Weil ein solcher Tarif­ver­trag bisher nicht zustande gekom­men, und das Ultima­tum ergeb­nis­los verstri­chen ist, haben sich die Angestell­ten am 2. Mai entschie­den in einen Erzwin­gungs­streik zu treten. Mittler­weile hat sich der NRW Gesund­heits­mi­nis­ter Karl-Josef Laumann (CDU) und die dortige Landes­re­gie­rung zu einem Tarif­ver­trag bereit erklärt, vorlie­gen tut dieser aller­dings noch nicht. Die Angestell­ten strei­ken deshalb weiter, um den Tarif­ver­trag zügig zu erzwin­gen.

Der Bochu­mer Bund begrüßt deshalb die Streiks an den 6 Unikli­ni­ken in NRW zum Errei­chen eines TV‑E (Tarif­ver­trag Entlas­tung). Ein Instru­ment zur Entlas­tung der Pflege­kräfte ist seit langem überfäl­lig und notwen­dig. Aller­dings ist dies nicht nur in den Unikli­ni­ken, sondern in allen Kranken­häu­sern und Alten­pfle­ge­ein­rich­tun­gen der Fall. Der Pflexit und die chroni­sche perso­nelle Unter­ver­sor­gung sind in den Pflege­be­ru­fen nicht dadurch zu beenden, dass Arbeits­kampf­maß­nah­men im Allein­gang umgesetzt werden.

Signal­wir­kung des Streiks

Mit einer solchen Vorge­hens­weise werden wir der gemein­sa­men Sache aller Pflegen­den nicht gerecht. Wir alle hoffen auf eine Signal­wir­kung dieses Streiks. Diese ist jedoch nicht abzuse­hen. Zu befürch­ten ist vielmehr, dass kleinere Klini­ken und Heime nicht nachzie­hen, sondern sich der Pflexit dort noch verstärkt, weil Angestellte in besser zahlende Klini­ken abwan­dern.

Mit solch einer Gewerk­schafts­po­li­tik ist nieman­dem gehol­fen. Der nun von der Landes­re­gie­rung vorge­schla­gene Lösungs­weg besteht darin, das NRW-Hochschul­ge­setz dahin­ge­hend zu ändern, dass die NRW Unikli­ni­ken aus dem „Arbeit­ge­ber­ver­band des Landes Nordrhein-Westfa­len“ austre­ten können. Nach einem Austritt wäre man nicht mehr an die Tarif­ge­mein­schaft gebun­den und die einzel­nen Einrich­tun­gen könnten direkt mit ver.di verhan­deln. Dies wurde ihnen bisher von der „Tarif­ge­mein­schaft deutscher Länder“ unter­sagt.

Es ist zu erwar­ten, dass ein Tarif­ver­trag, der ausschließ­lich für die Mitar­bei­te­rIn­nen der Unikli­ni­ken ausge­han­delt wird, der Einheit der Arbeit­neh­me­rIn­nen in der Pflege entge­gen­wirkt. Der Bochu­mer­Bund spricht sich deshalb für flächen­de­ckende Tarif­ver­träge im Gesund­heits­we­sen aus, um eine adäquate Versor­gung der Patien­tIn­nen überall, und eine angemes­sene Behand­lung und Bezah­lung der Pflege­kräfte in jeder Einrich­tung sicher­zu­stel­len.

Mehr Druck auf die Politik

Wir halten es für wichtig auf Landes- sowie Bundes­ebene mehr Druck auf die politisch Verant­wort­li­chen auszu­üben. Für dieses Ziel sehen wir den Streik als legiti­mes und sinnvol­les Mittel. Die Wirksam­keit der Streiks ist momen­tan in NRW gut erkenn­bar und der ausge­übte Druck auf die Politik angemes­sen.

Zu lange haben wir uns mit leeren Worthül­sen und nicht umgesetz­ten Verspre­chun­gen zufrie­den gegeben. Es ist Zeit, die im Koali­ti­ons­ver­trag verspro­che­nen Entlas­tung der Pflege durch die Pflege­per­so­nal­un­ter­gren­zen-Verord­nung (PPUGV 2.0) flächen­de­ckend umzuset­zen. Es ist Zeit für eine angemes­sene Bezah­lung der Pflegen­den.

Es ist Zeit die Ausbil­dung quali­ta­tiv gut zu gestal­ten und den Auszu­bil­den­den ein Auskom­men ohne Unter­stüt­zung der Eltern während dieser Zeit zu ermög­li­chen. Ohne solche Maßnah­men kann eine angemes­sene Versor­gung der Patien­tIn­nen nicht sicher­ge­stellt werden. Es zeigt sich, dass wir dazu in den Streik treten müssen. Das müssen wir gemein­sam tun, um uns nicht spalten zu lassen.

Wir Pflegen­den sind dann stark, wenn wir gemein­sam agieren.

Von Niklas Kemper, Guido Raunest und Ingo Schaf­fen­berg