Was beinhaltet das Tarifeinheitsgesetz?
Nach dem Tarifeinheitsgesetz kann in einem Betrieb dem Tarifvertrag jener Gewerkschaft Vorrang eingeräumt werden, die mehr Mitglieder im Betrieb hat. Dazu erfordert es ein gerichtliches Verfahren, das die Feststellung dieser Mehrheit beschließt. Auf diese Weise soll der Umstand geregelt werden, wenn innerhalb eines Betriebes in Konflikt stehende Tarifverträge bestehen. Gewerkschaften und Verbände bestimmter Berufsgruppen hatten Verfassungsbeschwerde eingelegt, da sie die Koalitionsfreiheit gemäß Artikel 9 Absatz 3 GG verletzt sahen.
Im Urteil vom 11.7.2017 hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass das Tarifeinheitsgesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist – zumindest weitgehend. Gewisse Neuregelungen müssten noch getroffen werden, dies solle bis Ende 2018 geschehen. So müsse noch berücksichtigt werden, dass bestimmte Berufsgruppen durch die Verdrängung von Tarifverträgen vernachlässigt werden.
Klaus Reinhardt, Hartmannbund
„Das Urteil darf nicht dazu führen, dass sich die Arbeitsbedingungen der Ärztinnen und Ärzte in Kliniken verschlechtern“, so der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt. Bezüglich der noch ausstehenden Neuregelungen komme es jetzt auf die Sicherstellung der spezifisch ärztlichen Interessen an. Diese müssen auch in Zukunft in den Tarifverträgen berücksichtigt werden. „Ich erwarte vom Gesetzgeber, dass er ein faires und unbürokratisches Verfahren für einen Interessenausgleich vorsieht, das die Tariffreiheit nicht untergräbt.“
Rudolf Henke, Marburger Bund
Der 1.Vorsitzende des Marburger Bundes, Rudolf Henke, blickt optimistisch in die Zukunft – auch wenn die Verfassungsbeschwerde nicht zu einer totalen Aufhebung des Gesetzes geführt hat. Er vertraut darauf, dass bis Ende 2018 entsprechende Schutzvorkehrungen getroffen werden: „Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass der Gesetzgeber kein Recht hat, gezielt gegen bestimmte Gewerkschaften vorzugehen und verlangt deshalb weitreichende Schutzvorkehrungen, um auch die Rechte berufsspezifischer Gewerkschaften zu wahren. Insofern vertraut der Marburger Bund darauf, auch in Zukunft im vollen Umfang seine gewerkschaftlichen Aufgaben wahrnehmen zu können.“ Henke führt weiter aus: „Das Gesetz zur Tarifeinheit wird nicht die Wirkung entfalten können, die sich seine Befürworter von ihm versprochen haben. Die vom Verfassungsgericht verlangte Remedur ist ein Erfolg unserer Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz.“
Frank Ulrich Montgomery, Bundesärztekammer
Bundesärztekammer-Präsident Montgomery trifft härtere Worte: „Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles sollte nicht glauben, sie könne sich nach dem heutigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Tarifeinheitsgesetz entspannt in den Sommerurlaub verabschieden. Karlsruhe hat die Regierung zum Nachsitzen verdonnert und Änderungen an dem Gesetz verlangt. Nach dem Urteil steht fest: So wie das Gesetz jetzt ausgestaltet ist, kann es nicht bleiben. Wesentliche Inhalte sind mit der grundgesetzlich verbrieften Koalitionsfreiheit nicht vereinbar.“ Wenn man Ärzten die Möglichkeit nehme sich für angemessene Arbeitsbedingungen einzusetzen – erklärt Montgomery weiter – dann habe dies auch Folgen für die Versorgung. Er erteilt einen „klaren Handlungsauftrag“ an die Politik: „Die Ministerin muss jetzt liefern.“
Quelle: BVerfG, Hartmannbund, Marburger Bund, BÄK