In dem Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD wurde unter anderem ein Sofortprogramm Pflege vereinbart, für das Gesundheitsminister Jens Spahn kürzlich die maßgeblichen Eckpunkte vorgestellt hat. Es beinhaltet eine Reihe von Maßnahmen zur Verbesserung der Personal- und Arbeitssituation für Pflegende in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sowie für die Alten- und Krankenpflege. Es hat nicht lang gedauert, da haben sich zahlreiche Verbände, Parteien und andere gesundheitspolitischen Akteure zu dem Sofortprogramm geäußert. Insgesamt zeigten sie sich dem vorgestellten Maßnahmenkatalog gegenüber positiv gestimmt, einzelne Punkte hingegen scheinen jedoch Unklarheit hervorgerufen zu haben – vor allem in Sachen Umsetzung und Finanzierung wird skeptisch nachgehakt.
Aufstockung der geplanten neuen Pflegestellen wird positiv bewertet
So bezeichnete beispielsweise die pflegepolitische Sprecherin der Grünen, Kordula Schulz-Asche, die Aufstockung der ursprünglich geplanten 8.000 auf 13.000 neue Stellen in der Altenpflege als sehr löblich, räumte aber zugleich ein, dass diese Maßnahme nur auf kurze Sicht wirksam sein werde. Wie bereits in dem Sofortprogramm der Grünen forderte sie erneut die Schaffung von 50.000 neuen Stellen in der Kranken- und Altenpflege. Außerdem bemängelte sie, dass die kürzlich gemachten Vorschläge des Pflegebeauftragten Andreas Westerfellhaus nicht in dem Eckpunkte-Papier berücksichtigt worden sind. So hat er beispielsweise vorgeschlagen, die Arbeitszeiten Pflegender bei gleichzeitig vollem Lohnausgleich zu reduzieren. Insgesamt bewertete sie die geplanten Maßnahmen als richtigen ersten Schritt, sieht aber noch einen „meilenweiten Weg“ bevorstehen, um den Pflegenotstand tatsächlich zu bekämpfen.
Schulz-Asche stellte außerdem fest, dass nicht ausreichend darüber gesprochen wurde, inwiefern durch die geplante Personalaufstockung entsprechende Kostensteigerungen auf die Versicherten zukommen werden. Anstelle einer Beitragssteigerung der Pflegeversicherung forderte sie einen Zuschuss seitens der Bundesregierung.
Die Frage der Finanzierung
Dem Thema der Finanzierung der geplanten Stellen steht auch der GKV-Spitzenverband kritisch gegenüber: „Die geplante Querfinanzierung der neuen Pflegestellen in den Altenheimen aus der Krankenversicherung sehen wir skeptisch. Wenn hier mit einem Finanztransfer von der Kranken- in die Pflegeversicherung begonnen wird – wo hört das dann auf?“, fragt Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes.
Die Deutsche Krankenhaus-Gesellschaft (DKG) hingegen pflichtete der Idee, jede zusätzliche Pflegestelle am Bett vollständig durch die Krankenkassen finanzieren zu lassen, positiv bei. Auf diese Weise haben Krankenhäuser die Möglichkeit, ihr Pflegepersonal entsprechend aufzustocken, heißt es in einer Pressemitteilung der DKG. Außerdem könne so Personal, ungebunden an Fallpauschalenerlöse, aufgestockt werden.
Ohnehin sieht die DKG in dem vorgestellten Konzept Spahns das Potenzial, die seit Jahren bestehenden Mängel der Krankenhausfinanzierung und die Rahmenbedingungen in den Krankenhäusern erheblich zu verbessern. Kritik kommt seitens der DKG allerdings dahingehend auf, als dass die Tarifsteigerungen anderer Berufsgruppen außerhalb der Pflege, wie von Physiotherapeuten, Hebammen oder Logopäden, nicht voll finanziert werden sollen. Hier müsse das Prinzip „Gleiches Recht für Alle“ gelten, heißt es.
Nicht alle Bereiche werden berücksichtigt
Unter anderem an diesem Punkt setzt auch der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) an. Dieser sieht nämlich vor allem den Bereich der ambulanten Pflege unberücksichtigt: „Unzureichend ist das Sofortprogramm für eine Verbesserung der kritischen Situation im Bereich der ambulanten Pflege“, erklärt DBfK-Präsidentin Prof. Christel Bienstein. Insgesamt begrüße der DBfK aber die geplanten Maßnahmen und bewertete sie als zukunftsweisende Schritte. Vor allem aber werde der Verband einen Blick auf die tatsächliche Umsetzung werfen und das Maßnahmenpaket vor und nach seiner Einführung kritisch begleiten, sagte Bienstein weiter.
Auch der Pflegekammer-Präsident von Rheinland-Pfalz, Dr. Markus Mai, hat sich zu Wort gemeldet: „Die Zahl von 13.000 zusätzlichen Stellen mehr für den Bereich der Altenpflege ist ein sanfter Hoffnungsschimmer. Positiv vernehmen wir auch, dass die Pflegeempfängerinnen und ‑empfänger nicht zusätzlich belastet werden sollen, um die Stellen zu finanzieren. Ein erster guter Schritt in die richtige Richtung“, betonte der Kammerpräsident. Zugleich forderte er aber ein insgesamt „nachhaltiges Vorgehen“ – also die Schaffung von Strukturen, um langfristig für eine bessere Arbeitssituation der beruflich Pflegenden zu sorgen. Dazu zähle zum einen, Zeit für die Bewohner und Patienten zu haben und zum anderen die Möglichkeit die eigene Professionalität weiterzuentwickeln sowie ein angemessenes Bruttogehalt, das der hohen Verantwortung des Berufes gerecht wird.
„Ein Tropfen auf den heißen Stein kann bekanntermaßen der Anfang eines Regens sein“
Der Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste, Bernd Meurer, bewertete vor allem die Aufstockung auf 13.000 geplante neue Pflegestellen positiv und zeigte sich optimistisch, dass dieser Maßnahme weitere folgen werden: „Natürlich treten jetzt Kritiker auf den Plan, die monieren, dass 13.000 zusätzliche Stellen in der Pflege nicht ausreichend sind. Aber ein Tropfen auf den heißen Stein kann bekanntermaßen der Anfang eines Regens sein“, so Meurer. Die Frage jedoch, woher die ganzen Pflegekräfte kommen sollen, bleibt für ihn nach wie vor unbeantwortet. Ihm zufolge müsse dringend mehr unternommen werden, ausländische Pflegekräfte zu akquirieren.
Quelle: GKV, DKG, DBfK, Pflegekammer RLP, bpa, schulz-asche.de