Sterbehilfe
Sterbe­hilfe wird von Mitar­bei­ten­den des Gesund­heits­we­sens in Deutsch­land immer wieder geleis­tet. Welche Formen sind aber recht­lich erlaubt? Bild: © Zerbor | Dreamstime.com

Der Tod: Ewiger Beglei­ter im Gesund­heits­we­sen

Wer im Gesund­heits­we­sen arbei­tet, ist öfter als ihm vielleicht lieb ist, mit dem Tod konfron­tiert. Mal ist er unaus­weich­lich und reißt Patien­ten unver­mit­telt aus dem Leben. Und dann gibt es Fälle, in denen die Patien­ten sich bewusst dazu entschei­den, sterben zu möchten – weil sie alt sind, extreme Schmer­zen haben oder einfach nicht mehr wollen.

Egal welchen Grund es für den Sterbe­wunsch eines Patien­ten geben mag, die Mitar­bei­ten­den im Gesund­heits­we­sen stellen diese Fälle vor enorme morali­sche Heraus­for­de­run­gen und führen nicht selten zu der Frage: „Muss ich Sterbe­hilfe leisten oder nicht?“

Inter­es­sant sind hier die Ergeb­nisse einer anony­mi­sier­ten Befra­gung von Ärzten (n=2507) und Pflege­fach­kräf­ten (n=2683) aus dem Jahr 2020. Die Proban­den wurden hierbei unter anderem nach Fällen in den vergan­ge­nen 24 Monaten befragt, in denen sie selbst Sterbe­hilfe geleis­tet haben.

Deutlich wurde, dass die Befrag­ten am häufigs­ten passive Sterbe­hilfe geleis­tet haben (insge­samt 23.327 Fälle). Indirekte Sterbe­hilfe wurde in 15.599 Fällen durch­ge­führt und aktive Sterbe­hilfe in 680 Fällen. Am seltens­ten gab es assis­tierte Suizide mit 133 Fällen inner­halb von zwei Jahren.

Die Ergeb­nisse zeigen: Sterbe­hilfe passiert häufi­ger als manche vielleicht glauben. Aber was ist der Unter­schied zwischen den verschie­de­nen Formen der Sterbe­hilfe und sind die überhaupt alle legal?

Formen der Sterbe­hilfe: aktiv, passiv, indirekt oder assis­tier­ter Suizid

Da im Gesund­heits­we­sen am häufigs­ten Fälle von passi­ver Sterbe­hilfe vorkom­men, soll dieser Begriff auch als erster erläu­tert werden. Passive Sterbe­hilfe meint, dass der Tod eines Patien­ten durch eine Maßnahme nicht direkt herbei­ge­führt wird, sondern „passiv“ eintritt. Damit ist vor allem das Beenden oder Zurück­hal­ten von lebens­er­hal­ten­den Maßnah­men gemeint, wie künst­li­che Beatmung oder Ernäh­rung. Hierbei ist in der Regel der irrever­si­ble Sterbe­pro­zess bereits einge­tre­ten.

Die zweit­häu­figste Form, die indirekte Sterbe­hilfe, bezeich­net eine Maßnahme, die zwar eine lindernde Wirkung verfolgt, aller­dings auch den Tod herbei­füh­ren kann. Damit ist in der Regel die Verab­rei­chung von Medika­men­ten wie Opioiden oder Benzo­dia­ze­pi­nen zur Schmerz­lin­de­rung gemeint, wobei der Tod in Kauf genom­men wird.

Die aktive Sterbe­hilfe stellt eine Handlung dar, die unmit­tel­bar den Tod des Patien­ten zur Folge hat – das Leben wird also aktiv und bewusst beendet. Das kann beispiels­weise die absicht­li­che Überdo­sie­rung eines Medika­ments sein.

Mit assis­tier­tem Suizid (Suizid­as­sis­tenz)  ist gemeint, dass von einem Arzt oder einer Pflege­fach­kraft die Voraus­set­zun­gen für einen Suizid geschaf­fen werden, der Patient aber sich selbst das Leben nimmt. So fällt unter die Bezeich­nung Suizid­as­sis­tenz beispiels­weise, wenn ein Arzt einem Patien­ten ein tödli­ches Medika­ment zwar aushän­digt, der Patient das Medika­ment aller­dings selbst zu sich nimmt.

Prüfstein: Der Wille zum Sterben

Da alle Begriffe eine Form der Sterbe­hilfe darstel­len, setzten sie allesamt voraus, dass der Patient tatsäch­lich auch den Wunsch verspürt zu sterben.

Der Patien­ten­wille kann zum einem über eine ausdrück­li­che Willens­er­klä­rung festge­stellt werden. Hierbei ist wichtig, dass der Patient einsichts­fä­hig ist und über die Risiken einer Nicht­be­hand­lung aufge­klärt wurde. Sollte das der Fall sein und er nach der Aufklä­rung weiter­hin sterben wollen, dann ist diesem Wunsch im Sinne des Selbst­be­stim­mungs­rechts Folge zu leisten. Wer dann entge­gen des Patien­ten­wil­lens zum Beispiel lebens­er­hal­tende Maßnah­men (weiter) durch­führt, macht sich unter Umstän­den sogar straf­bar.

Bewusstloser Patient
Gerade wenn der Patient dauer­haft nicht mehr ansprech­bar ist, stellt sich oftmals die Frage nach dem mutmaß­li­chen Willen. Bild: © Tyler Olson | Dreamstime.com

Was ist jedoch, wenn der Patient nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen unmit­tel­bar mitzu­tei­len, beispiel­spiels­weise weil er nicht mehr ansprech­bar oder nicht mehr im Vollbe­sitz seiner geisti­gen Kräfte ist? In einer solchen Fallkon­stel­la­tion bedarf es der Feststel­lung des mutmaß­li­chen Patien­ten­wil­lens. Hierfür sieht die Recht­spre­chung (BGH NStZ 1995, S. 80, 81) einige Prüfungs­kri­te­rien vor. So kann sich der mutmaß­li­che Patien­ten­wille aus

  • frühe­ren mündli­chen oder schrift­li­chen Äußerun­gen,
  • der religiö­sen Überzeu­gung,
  • sonsti­gen persön­li­chen Wertvor­stel­lun­gen,
  • der alters­be­ding­ten Lebens­er­war­tung,
  • künfti­gen Schmerz­er­war­tun­gen und/oder
  • Progno­sen zum Krank­heits­ver­lauf

ergeben. Wenn eine Patien­ten­ver­fü­gung vorliegt, sollte auch diese zu Rate gezogen werden, um den Patien­ten­wil­len zu ermit­teln. Eine solche Verfü­gung hat der Patient meist vorsorg­lich erstellt und in ihr alle Bedin­gun­gen, nach denen eine Behand­lung durch­ge­führt oder unter­las­sen werden soll, festge­hal­ten.

Doch auch wenn es der Wille und Wunsch eines Patien­ten ist, zu sterben, sind nicht alle Formen der Sterbe­hilfe recht­lich erlaubt.

Recht­li­che Bewer­tung der Sterbe­hilfe

Dass Fälle von passi­ver und indirek­ter Sterbe­hilfe am häufigs­ten in der Praxis vorkom­men, ist kein Zufall. Beide Formen der Sterbe­hilfe sind nach deutschem Recht erlaubt.

Die Grund­lage hierfür schafft das Grund­ge­setz. In diesem sind in Artikel 2 Absatz 1 GG die allge­mei­nen Persön­lich­keits­rechte festge­hal­ten, nach denen jeder Mensch ein Recht auf Selbst­be­stim­mung hat. Das beinhal­tet auch das Recht eines Patien­ten darauf, sich selbst das Leben zu nehmen oder sich Hilfe dafür zu suchen.

In Kontrast steht dieses Grund­recht augen­schein­lich mit den Grund­rech­ten auf Würde und Leben, die in Artikel 1 Absatz 1 bezie­hungs­weise Artikel 2 Absatz 2 GG festge­schrie­ben sind. Warum die Recht­spre­chung dennoch zumin­dest passive und indirekte Sterbe­hilfe schon seit länge­rem zulässt, lag ursprüng­lich vor allem daran, dass schwer­kran­ken Menschen ein schmerz­freier Tod in Würde ermög­licht werden sollte.

In diesen Fällen wurde ein Tod in Würde im Vergleich zur Verlän­ge­rung des Lebens um jeden Preis als höheres Rechts­gut betrach­tet, das dementspre­chend schüt­zens­wür­dig ist.

Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt hat hierzu in einem wegwei­sen­den Urteil aus 2020 konkre­ti­siert, dass dieses Recht nicht nur Patien­ten in Extrem­si­tua­tio­nen vorbe­hal­ten sein sollte, die stark leiden, sondern allen, die einen Sterbe­wunsch haben. „Das Recht auf selbst­be­stimm­tes Sterben ist als Ausdruck perso­na­ler Freiheit nicht auf fremd­de­fi­nierte Situa­tio­nen beschränkt“, heißt es in dem Urteil. Demnach ist es nicht notwen­dig, dass ein Patient seinen Wunsch zu sterben in irgend­ei­ner­weise für andere nachvoll­zieh­bar zu begrün­den hat – es reicht, wenn er ihn selbst­be­stimmt äußert.

Im Gegen­satz zur passi­ven und indirek­ten Sterbe­hilfe ist die aktive Sterbe­hilfe (Eutha­na­sie) in Deutsch­land verbo­ten. Grund­lage hierfür bietet § 216 StGB, der besagt: „Ist jemand durch das ausdrück­li­che und ernst­li­che Verlan­gen des Getöte­ten zur Tötung bestimmt worden, so ist auf Freiheits­strafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erken­nen“. Somit ist die Fremd­tö­tung also sogar dann unter Strafe gestellt, wenn der Patient den Wunsch zu sterben zuvor geäußert hat.

Grauzone Suizid­as­sis­tenz

Während für die bereits genann­ten drei Formen der Sterbe­hilfe klare recht­li­che Vorga­ben bestehen, befin­det sich die Suizid­as­sis­tenz aktuell in einer recht­li­chen Grauzone. Grund dafür ist das oben angespro­chene Urteil des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts von 2020.

In dem Urteil hat das Gericht das Verbot geschäfts­mä­ßi­ger Suizid­as­sis­tenz für verfas­sungs­wid­rig erklärt. Das Verbot war 2015 durch § 217 StGB a.F. einge­führt worden. Es sollte ursprüng­lich dazu dienen, die Willens­frei­heit der Betrof­fe­nen zu bewah­ren. Befürch­tet wurde nämlich, dass durch entspre­chende gewerb­li­che Angebo­ten zur Suizid­as­sis­tenz ein Druck für ältere Menschen entste­hen könnte, diese Angebote auch wahrzu­neh­men, um nieman­den zusätz­lich zu belas­ten.

Das Gesetz hatte jedoch zur Folge, dass sämtli­che Einrich­tun­gen aus Angst vor recht­li­chen Konse­quen­zen ihre Angebote für Suizid­as­sis­tenz einge­stellt hatten. Somit wurde zwar tatsäch­lich verhin­dert, dass ältere Menschen durch die Angebote mögli­cher­weise in ihrer Willens­fin­dung beein­flusst werden oder unter Druck geraten – aller­dings wurden dadurch andere in der Ausübung ihres freien Willens einge­schränkt. Dieje­ni­gen, die nämlich zu der Überzeu­gung gelangt waren, ihr Leben beenden zu wollen, hatten dazu nicht mehr die Möglich­keit – weil es faktisch keine Angebote zur Suizid­as­sis­tenz mehr gab.

„Das Verbot der geschäfts­mä­ßi­gen Förde­rung der Selbst­tö­tung in § 217 Absatz 1 StGB verengt die Möglich­kei­ten einer assis­tier­ten Selbst­tö­tung in einem solchen Umfang, dass dem Einzel­nen faktisch kein Raum zur Wahrneh­mung seiner verfas­sungs­recht­lich geschütz­ten Freihei­ten verbleibt“, heißt es im Leitsatz des Urteils. Entspre­chend wurde das Gesetz gekippt.

Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt hat in seiner Entschei­dung den Gesetz­ge­ber dazu angehal­ten, eine recht­li­che Neure­ge­lung im Umgang mit Sterbe­hilfe zu finden – bislang fehlt eine solche. Aber nicht deshalb, weil der Gesetz­ge­ber die Forde­run­gen des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts ignoriert hätte. Tatsäch­lich wurden mehrere recht­li­che Lösun­gen diesbe­züg­lich disku­tiert. Im Juli 2023 war es dann so weit, dass der Bundes­tag über zwei konkur­rie­ren­den Gesetz­ent­wür­fen entschei­den musste. Am Ende konnte für keinen der beiden eine Mehrheit gefun­den werden.

Suizid­as­sis­tenz: Rechts­stand wie vor 2015

Entspre­chend gilt aktuell der recht­li­che Rahmen, der vor der Einfüh­rung des Verbots für gewerb­li­che Suizid­as­sis­tenz bestand. Demnach dürfen Einrich­tun­gen Unter­stüt­zung beim Suizid eines Menschen anbie­ten, ohne straf­recht­li­che Konse­quen­zen zu befürch­ten. Passive und indirekte Sterbe­hilfe ist weiter­hin legal und aktive Sterbe­hilfe bleibt verbo­ten.

Hinweise zum prakti­schen Umgang mit Suizid­as­sis­tenz gibt die Muster­be­rufs­ord­nung für die in Deutsch­land tätigen Ärztin­nen und Ärzte. Hier heißt es in § 16 zum Beistand für Sterben­den:

„Ärztin­nen und Ärzte haben Sterben­den unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizu­ste­hen. Es ist ihnen verbo­ten, Patien­tin­nen und Patien­ten auf deren Verlan­gen zu töten.“

Wichtig in diesem Zusam­men­hang ist, dass der Sterbe­wunsch des Patien­ten sorgfäl­tig festge­stellt werden muss. Hierzu führt das BVerfG aus, dass der Patient seinen Willen frei und unbeein­flusst von einer akuten psychi­schen Störung bilden muss. Zudem muss der Patient im Vorfeld alle nötigen Infor­ma­tio­nen erhal­ten, um Für und Wider eines Suizids abwägen zu können, um gegebe­nen­falls Alter­na­ti­ven in Betracht zu ziehen. Außer­dem muss die Willens­bil­dung frei von unzuläs­si­ger Einfluss­nahme und Druck gesche­hen. Der Suizi­dent­schluss darf darüber hinaus nicht nur kurzfris­tig gefasst worden sein, sondern muss eine „Dauer­haf­tig­keit“ und „innere Festig­keit“ aufwei­sen.

Quellen:

  1. Ennuschat in ZRP 2023, 197.
  2. Großkopf in in RDG 2004, 20.
  3. Kutzer in FPR 2007, 59.
  4. BVerfG vom 26. Februar 2020 – 2 BvR 2347/15, 2 BvR 651/16, 2 BvR 1261/16, 2 BvR 1593/16, 2 BvR 2354/16, 2 BvR 2527/16
  5. Beine, K. H. (2020): Praxis der Sterbe­hilfe durch Ärzte und Pflege­kräfte in deutschen Kranken­häu­sern. Dtsch Med Woenschr., 145(22).