Aufhebung des Besuchsverbots im Sterbefall ermöglichen
Auch in von Kontaktverboten geprägten Zeiten sollen sterbende Menschen in Alten- und Pflegeheimen in ihren letzten Tagen Beistand von ihren Angehörigen erhalten dürfen. Die Ethikkommission der Pflegekammer Niedersachen forderte in einer Pressemitteilung, dass sterbende Menschen auch während der Coronapandemie eine adäquate Sterbebegleitung und palliative Versorgung erhalten sollen. Unter Einhaltung gegebener Verhaltensvorschriften sollte für der Person nahestehenden Menschen eine Ausnahme des Besuchsverbots offeriert werden. Lutz Schütze, Leiter und Vorsitzender der Kommission unterstreicht dies. Es gelte, die Sterbenden in der aktuellen Situation nicht alleine zu lassen. Es solle auch den Angehörigen ein würdevoller Abschied ermöglicht werden.
Alten- und Pflegeheimbewohner zählen zu den am meisten durch COVID-19 gefährdeten Personengruppen. Durch das bisherige Besuchsverbot der Einrichtungen in Niedersachsen werden sowohl die Bewohner als auch die Pflegefachkräfte vor einer Infektion geschützt. Für eine Umsetzung der Ausnahmeregelung bei einem baldig absehbaren Tod eines Angehörigen soll besonders auf die Einhaltung der geltenden Hygiene- und Abstandsregeln geachtet werden, um die Möglichkeit zur Sterbebegleitung zu gewähren.
Neben der Besuchserlaubnis müsse auch die palliative Versorgung in Alten- und Pflegeheimen gewährleistet werden. Hierfür sei eine vorausdenkende gesundheitliche Versorgungsplanung hilfreich, die die individuellen Bedürfnisse und Willensbekundungen der Bewohner umfassen und in einem offenen, empathischen Dialog erfolgen solle. Für die optimale Behandlung und Betreuung soll bei Bedarf zusätzlich auch die Hilfe ambulanter Hospiz- und Palliativdienste in Anspruch genommen werden.
Auch die Fachgesellschaften wiesen darauf hin, dass auch in Zeiten von COVID-19 sterbende, schwerstkranke und trauernde Menschen in ihrer Angst und Not jemanden an ihrer Seite brauchen und haben daher unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) Handlungsempfehlungen zur psychosozialen und spirituellen Unterstützung herausgebracht. Mehr dazu hier.
Pflegekammer gegen generelle Besuchserlaubnis
Seit Montag, dem 20.4.2020 gilt nach Angaben des NDR in Niedersachsen eine Verordnung, die Besuche in Pflege- und Altenheimen wieder zulässt, vorausgesetzt, die Einrichtungen erfüllen die notwendigen Hygieneauflagen. Dabei sollen die Pflegeheime jeweils ein individuelles Konzept entwerfen, wie sie das Infektionsrisiko möglichst gering halten wollen. Es soll ausschließlich der Kontakt zu den Angehörigen gewährleistet werden. Das Antreffen anderer Bewohner sei tabu. Die Landesregierung will mit der Aufhebung des Besuchsverbots der sozialen Isolation ein Ende bereiten.
Das Vorhaben stößt wiederum auf Gegenwind seitens der Pflegekammer. Für eine uneingeschränkte Öffnung der stationären Einrichtungen sei es zu früh. Eine solche Maßnahme könne fatale Folgen nach sich ziehen, wird die Präsidentin der Kammer, Nadya Klarmann, zitiert. In den letzten Wochen sind die Fallzahlen in deutschen Pflegeheimen massiv angestiegen. Man müsse deshalb weiterhin versuchen, die Corona-Infektionen in Pflegeeinrichtungen einzudämmen. Wichtiger als eine generelle Lockerung des Besuchsverbotes seien Einzelfallentscheidungen, bei denen der Infektionsschutz konsequent gewahrt bleibe. Der soziale Austausch sei natürlich lebenswichtig für die Bewohner, für den sozialen Kontakt wurde in einigen Einrichtungen daher zuletzt häufiger mit Tablets oder Computern gearbeitet. Die Begleitung Sterbender müsse aber unter Beachtung aller Hygieneregeln immer möglich sein.
Über die Ethikkommission
Die Ethikkommission der niedersächsischen Pflegekammer wurde im Juni 2019 ins Leben gerufen. Sie ist deutschlandweit die erste Pflegekommission dieser Art und befasst sich mit berufsethischen Themen und unterstützt die Pflegekammer hinsichtlich der sich hier ergebenden Fragen und Problematiken.
Quelle: Pflegekammer Niedersachsen, Ethikkommission, NDR